Rank und schlank sowie möglichst "fett-frei" - so wollen nicht nur viele Männer und Frauen, sondern auch Unternehmen sein; unter anderem, damit sie "agiler" sind. Diesen Eindruck gewinnt man oft beim Lesen ihrer Verlautbarungen. So häufig taucht darin der Begriff "lean" - und seit zwei, drei Jahren das Wort "agil" - auf.
Doch was bedeutet "Lean" eigentlich? Ist Lean ein "Instrument zum Fördern der bereichs- und funktionsübergreifenden Zusammenarbeit? Oder ein Mittel zur Kostensenkung? Oder lässt sich mit hiermit das durchrationalisierte Unternehmen verwirklichen, das eine immer höhere Qualität produziert? Oder zielt Lean darauf ab, den Kunden mehr Nutzen zu bieten, um im Wettbewerb die Nase vorne zu haben?
Werte schaffen und Verschwendung vermeiden
Analysiert man die verschiedenen Lean Management-Methoden und -ansätze, stellt man fest, dass diese stets zwei Ziele anstreben:
Werte für die Kunden schaffen und
Verschwendung vermeiden.
Die betriebliche Praxis ist eine andere. Dort konzentrieren sich die Lean-Initiativen oft auf das zweite Ziel: Verschwendung vermeiden. Als Verschwendung wird hierbei alles betrachtet, was Ressourcen kostet oder bindet und keinen Beitrag zum Erreichen der (finanziellen) Ziele des Unternehmens leistet - wie zum Beispiel lange Durchlaufzeiten, ein hoher Ausschuss, überflüssige Kontrollstrukturen und Dokumentationen.
Unternehmen, die ihre Lean-Projekte nur auf das Ziel "Verschwendung vermeiden" konzentrieren, gewinnen nur kurzfristig. Langfristig sind Lean-Initiativen nur erfolgreich, wenn sie zugleich das Ziel verfolgen: Werte schaffen für die Kunden.
Aus Lean-Sicht ist alles Verschwendung, was dem Kunden keinen Nutzen bietet und wofür er folglich nicht bereit ist, zu bezahlen - all dies muss auf den Prüfstand. Lean bedeutet also in erster Linie, den Blick in die Organisation so zu verändern, dass der Kundennutzen - also das, was dem Kunden wirklich wichtig ist - im Zentrum aller (gemeinsamen) Initiativen und Aktivitäten steht.
Mehr Selbstverantwortung auf der Shopfloor-Ebene
Unternehmen streben oft danach, alles top-down zu steuern und zu kontrollieren. Dies führt dazu, dass die Mitarbeiter auf der wertschöpfenden Ebene beziehungsweise Shopfloor-Ebene die Verantwortung für das Produzieren von Qualität und Kundennutzen an das Management beziehungsweise ihre Führungskräfte delegieren.
Ein zentrales Anliegen von Lean Management hingegen ist, die Verantwortung hierfür Schritt für Schritt auf die Shopfloor-Ebene zu verlagern - unter anderem, um schneller, agiler, flexibler zum Beispiel auf veränderte Kundenwünsche reagieren zu können: Nicht das Management entscheidet, was im Betriebsalltag richtig und wichtig ist, sondern diejenigen, die in direktem Kontakt mit den Kunden stehen. Stets, wenn ein Problem oder eine Verbesserungschance sichtbar wird, entscheiden die Mitarbeiter auf der wertschöpfenden Ebene selbst, was es zu tun gilt. Das Management wird lediglich informiert. Die Qualitätssicherung und das Qualitätsmanagement sind sozusagen in den Arbeitsprozess integriert.
Ein zentrales Ziel aller nachhaltigen Lean-Initiativen ist, die Flexibilität der Arbeitsprozesse erhöhen. Eine Standardisierung der Prozesse und Reduktion der möglichen und erlaubten Prozessvarianten führt schnell zu starren, unflexiblen Prozessen. Die Folge: Das Unternehmen reagiert nur noch langsam auf neue Kundenbedürfnisse.
Deshalb lautet eine zentrale Frage beim Lean Management: "Haben wir genügend Spielräume, um rasch auf neue Anforderungen zu reagieren?" Und im Zweifelsfall werden die Mitarbeiter oder Arbeitsteams ermutigt, Regeln außer Kraft zu setzen oder von definierten Standards abzuweichen.