Das Vier-Ohren-Modell
Basierend auf diesen vier Kommunikationsebenen hat der Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun das Vier-Ohren-Modell entwickelt. Ihm zufolge nehmen wir bei Kommunizieren die Botschaften unseres Gegenübers mit vier verschiedenen "Ohren" wahr, und abhängig davon, mit welchem "Ohr" wir gerade am intensivsten hören, interpretieren wir die Aussage verschieden (siehe Grafik).
In seinem Buch "Miteinander reden" erläutert Schulz von Thun dies am Beispiel: Ein Paar im Auto steht vor einer Ampel, und der Mann sagt zur Frau am Steuer: "Die Ampel ist grün." Diese Aussage kann die Frau wie folgt verstehen:
als Hinweis, dass die Ampel gerade auf Grün geschaltet hat (Sachebene),
als Aufforderung, loszufahren (Appell-Ebene),
als Hilfestellung oder als Kritik ihres Fahrverhaltens (Beziehungsebene),
als Indiz dafür, dass der Mann es eilig hat und ungeduldig ist (Selbst-Aussage).
Und abhängig davon, mit welchem "Ohr" die Frau (gerade) "hört", wird sie auf die Aussage reagieren. Empfindet sie diese als typisch männliche Bevormundung (Beziehungsebene) kann sie gereizt erwidern: "Fährst du oder fahre ich?". Empfindet sie die Aussage als Ausdruck von Stress (Selbstaussage-Ebene), antwortet sie zum Beispiel gelassen: "Keine Angst, wir kommen rechtzeitig ans Ziel."
Ebenso verhält es sich bei der Kommunikation in Unternehmen. Ein- und dieselbe Aussage kann völlig unterschiedlich ankommen und folglich unterschiedliche Reaktionen auslösen - abhängig von
der Beziehung des Empfängers zum Sender,
der aktuellen Situation im Unternehmen,
dem aktuellen Befinden des Empfängers,
von seiner beruflichen Erfahrung und Persönlichkeit
und, und, und.
Gefragt sind sensible Kommunikatoren
Deshalb müssen zum Beispiel Führungskräfte und Projektleiter sehr gute, das heißt in erster Linie sensible Kommunikatoren sein. Sie brauchen ein feines Gespür dafür:
Welche Botschaften sende ich aufgrund meines Verhaltens, meiner Worte, meines Auftretens usw. aus? Und:
Wie werden diese von meinen Gesprächspartnern interpretiert?
Sie müssen zudem aufgrund ihrer Schlüsselfunktionen die Kommunikation mit Menschen so gestalten können, dass sie die gewünschte Wirkung erzielen.
Das setzt voraus, dass die Kommunikation in einem angemessenen Rahmen erfolgt - also zum Beispiel nicht zwischen Tür und Angel; außerdem, dass sie die '
Führungskräfte ausreichend Zeit für die Kommunikation nehmen. Also zum Beispiel bei wichtigen Themen ihre Mitarbeiter nicht nur über den Sachverhalt informieren, sondern sich auch vergewissern:
Kam meine Botschaft an?
Wurde sie verstanden? Und:
Ist den Mitarbeitern klar, was diese für sie, ihre Arbeit, für das Unternehmen bedeutet?
Auch dieses Sich-Vergewissern erfordert Kompetenz. Denn eine Rückfrage wie "Haben Sie mich verstanden?" kann gemäß dem Vier-Ohren-Modell ebenfalls unterschiedlich verstanden werden - zum Beispiel als reine Infofrage, ob die Botschaft ankam (Sachebene), aber auch als Ausdruck eines mangelnden Vertrauens in die Kompetenz des Empfängers (Beziehungsebene). Deshalb sollten solche Rückfragen nicht als "Du-Botschaften" ("Haben Sie mich verstanden?"), sondern als "Ich-Botschaften" formuliert werden: "Habe ich mich so ausgedrückt, dass meine Aussagen verständlich waren?" Das beugt möglichen Irritationen vor.