Was IT-Leiter wissen sollten

In vier Schritten zum erfolgreichen E-Commerce-System



Die Welt von Handel und Vertrieb sind Roland Fesenmayr ebenso vertraut wie die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung. Seit mehr als 15 Jahren verfolgt der Experte für E-Commerce die digitale Transformation und gestaltet sie als Vordenker leidenschaftlich mit – in vielfältigen Veröffentlichungen und durch ein Unternehmen: die OXID eSales AG, die der Allgäuer heute als CEO führt und 2003 mitbegründet hat. Fesenmayr ist auch Vorstand der baden-württembergischen Wirtschaftsinitiative bw:con.
Obwohl in erster Linie strategische, vertriebliche oder Marketingaspekte die Einführung eines E-Commerce-Systems begründen, landet das Projekt für die technische Umsetzung früher oder später auf dem Tisch der IT-Abteilung. Mit diesen Tipps stellen Sie den Erfolg Ihres E-Commerce-Projekts sicher.

Es gibt viele gute Gründe, ein E-Commerce-System einzuführen. Höhere Erwartungen an Vertrieb und Kommunikation gepaart mit der digitalen Transformation bringen die E-Commerce-Thematik zurzeit flächendeckend in die Chefetagen. Der Marktdruck ist hoch, die Investitionskosten sind grundsätzlich überschaubar; über das Ob ist daher meist schnell entschieden.

Die IT-Abteilung hat eine andere Perspektive auf das Projekt, verantwortet aber die Umsetzung.
Die IT-Abteilung hat eine andere Perspektive auf das Projekt, verantwortet aber die Umsetzung.
Foto: dotshock - shutterstock.com

Obwohl in erster Linie strategische, vertriebliche oder Marketinggründe hinter dieser Entscheidung stehen, landet das Projekt zur weiteren Beurteilung und Umsetzung, spätestens aber für den technischen Betrieb auf dem Tisch der IT-Abteilung. Hier muss nach dem Ob eine Entscheidung über das Wie herbeigeführt werden. Systemintegration, Plattform-Konzeption und Betriebskosten müssen geplant und budgetiert werden. Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit.

1. Gründlichkeit und Weitblick - Die IT-Abteilung als Berater in der Orientierungsphase

Für eine zukunftsfähige E-Commerce-Lösung sind Fokussierung und Weitblick zugleich gefragt.
Für eine zukunftsfähige E-Commerce-Lösung sind Fokussierung und Weitblick zugleich gefragt.
Foto: kurhan - shutterstock.com

Das Projektmanagement für eine E-Commerce-Einführung ist im Normalfall marketing- oder vertriebsnah aufgehängt. Dennoch kommt den IT-Verantwortlichen und ihrem Team eine kritische Rolle in der Phase der Informationssammlung zu. Eine frühzeitige, gründliche Vorbereitung fachlicher Fragen für die sich anschließende Evaluierung ist unerlässlich, denn sie bestimmt den Projektverlauf maßgeblich mit.

Im ersten Schritt ist vor allem das Projektmanagement organisatorisch massiv gefragt. Es muss den Input sämtlicher betroffener Unternehmensbereiche für die Konzeption abholen, grundsätzliche Fragen und Requests sammeln sowie erste Diskussionen moderieren. Da ihm die fachliche Brille fehlt, um Machbarkeit und Konsequenzen der Systemintegration abzuschätzen, wird die IT-Abteilung ab Tag eins des Projekts zum unentbehrlichen Berater für alle Integrationsschritte und Prozessverläufe.

Parallel müssen technische Guidelines für die anstehende Integration entwickelt werden. Ein häufiger Fehler im späteren Projektverlauf ist das Umschwenken auf einen im Moment der Not naheliegenden und auf die Schnelle entworfenen Plan B, der sich langfristig als nicht tragfähig herausstellt. Im ersten Moment kann der Projektverlauf so vielleicht halbwegs gerettet werden, meist wird dafür aber eines - oder sogar mehrere - der strategisch formulierten Ziele geopfert. Das schmerzhafte Ausmaß der Konsequenzen wird oft erst im Nachhinein klar. Dies kann nur mit Hilfe von technischen Guidelines vermieden werden. Beantworten Sie für Ihr Unternehmen möglichst früh die folgenden Fragen:

a. Involvierte Parteien

  • Wer ist mit der Realisierung und später mit dem Betrieb beauftragt und ab wann?

  • Welche Anteile werden intern durch die IT-Abteilung umgesetzt?

  • Was wird durch einen externen Dienstleister realisiert?

  • Und welche Kriterien sind für dessen Auswahl wichtig?

  • An welcher Stelle macht die Involvierung des Herstellers Sinn?

Da mit der digitalen Transformation die Business IT zum Blutkreislauf des Unternehmens wird und die Commerce IT zum Herzstück des Vertriebs, ist diese Entscheidung hochpolitisch und kann im letzten Schritt oft nur von der Geschäftsführungsebene getroffen werden.

Die wichtigsten Fragen lauten nämlich eigentlich:

  • Welches fachliche und Prozesswissen ist existentiell für das Unternehmen und so wertvoll, dass es unter direktem Zugriff intern aufgebaut werden muss, koste es, was es wolle (das heißt Personal, Equipment, Schulung und Monitoring)?

  • Und welche Themen sind wiederum einer so raschen Entwicklung und großem Wandel unterworfen, dass es betriebswirtschaftlich sogar geboten ist, sich nach Bedarf den jeweiligen State of the Art einzukaufen um zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen?

b. Sicherheit

Security ist ein hochbrisantes und intern häufig umstrittenes Thema, wie jüngste Studien erneut belegen (unter anderem The Great Divide: Security in the Cyber Security in the Corporate Boardroom von VMware und The Economist, 3/2016).

Zur Sicherheitsthematik gibt es wie zu allen inhaltlichen Fragen des eigenen E-Commerce-Projekts keine einfachen, allgemeingültigen Antworten, sondern nur hochindividuelle Lösungen, die zum gesamten Geschäftsmodell passen müssen.

Wie auch immer Ihre Antworten aussehen, Sie müssen berücksichtigen, dass:

  • Alle Compliance-Auflagen des Unternehmens oder Konzerns erfüllt werden.

  • Knackpunkte früherer und absehbarer künftiger Security Audits berücksichtigt sind.

  • Neue Sicherheitslücken, die jedes neue System potentiell mitbringt, transparent gemacht und hinreichend geschlossen sind.

  • E-Commerce-spezifische Zertifizierungen in ausreichendem Umfang vorhanden sind und regelmäßig überprüft werden.

Der letzte Punkt betrifft insbesondere Fintech-Integrationen (in erster Linie das Payment im Shop) und rechtliche Vorgaben wie EU-Sanktionslisten oder den Verbraucherschutz. Auch das Hosting muss unter diesem Gesichtspunkt erneut unter die Lupe genommen werden, da die neu aufzubauenden oder zu erweiternden Server und der Support für E-Commerce-Erfordernisse robust und zuverlässig angelegt sein müssen.

Generell ist Security kein abschließend behandelbares Thema, sondern ein Prozess der Risikominimierung unter Kosten-Nutzen-Abwägung, der kontinuierlich verfolgt wird. Dafür müssen Ressourcen dauerhaft eingeplant sein.

c. Systemlandschaft

Schon bevor die ersten Lösungsvorschläge geprüft werden, muss intern eine grundsätzliche Vorstellung entwickelt worden sein, wie sich das E-Commerce-System in die Landschaft der Business IT einfügt.

  • Welche Systeme werden direkt integriert (zum Beispiel: ERP, CRM, PIM, CMS)?

  • Wo reicht ein indirekter Abgleich (zum Beispiel: BI via CRM)?

  • Erfolgt die Integration direkt oder über eine Middleware?

  • Macht es Sinn, eines der bereits laufenden Systeme zusammen mit der E-Commerce-Einführung durch einen optimierten Nachfolger abzulösen?

  • Soll es eine Spezialanfertigung oder ein Herstellerprodukt mit Support und Gewährleistung sein?

  • Welche weiteren Systeme müssen mit der E-Commerce-Landschaft kommunizieren und über welche Kanäle?

Insbesondere Payment- und Risikobewertungsdienste können in der Integration aufwändig werden. Aber auch Vermarktungsinstrumente und -plattformen, Produktkonfiguratoren oder mobile Anwendungen müssen von Anfang an Teil des Gesamtkonzepts sein.

Einen großen Einfluss auf das Integrationskonzept haben Überlegungen zu Datenfluss, Datenhaltung und Systemhoheit, die sich direkt aus den Anforderungen der Fachbereiche ergeben, die das Produktmanagement einsammelt und konzeptionell zu vereinigen versucht.

Auch für die IT unbeliebte Vorschläge aus diesen Gremien oder ungern beschrittene Pfade haben in dieser Diskussion durchaus ihre Berechtigung. Es ist damit zu rechnen, dass die Einführung eines E-Commerce-System die Business IT des Unternehmens deutlich verändern wird.

d. Administrationskonzept

Die neue IT-Infrastruktur soll die IT-Ressourcen entlasten, indem die mit den Systemen arbeitenden Teams vieles in Eigenregie bearbeiten können. Das bedeutet zum einen, dass tatsächlich alle Standardprozesse des Tagesgeschäfts ohne Ausnahme automatisiert oder halb-automatisiert durchlaufen können. Die IT steht als Unterstützer und Know-How-Träger im Hintergrund, greift in die Abläufe selbst aber nicht ein; oder besser gesagt: sie muss nicht eingreifen, um zu gewährleisten, dass sie funktionieren.

Entscheidend ist dabei eine hohe Datenqualität. Die Datenbasis ist das höchste Gut der Business IT und ihre gute Qualität muss durch ein transparentes Management, vor allem aber durch eine einfache und wenig fehleranfällige Pflege in den Fachbereichen, optimalerweise automatisiert, garantiert werden können.

  • So viel wie möglich soll den Fachbereichen im Self-Service zugänglich gemacht werden - was fällt darunter?

  • So wenig wie nötig soll durch die IT-Abteilung direkt administriert werden - was fällt darunter?

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