Kein Haftungsprivileg

Gefälligkeiten unter Nachbarn können teuer werden



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Wer einem Nachbarn im Rahmen einer Gefälligkeit leicht fahrlässig einen Schaden zufügt, für den die Gebäude- und Hausratsversicherung des Nachbarn eintritt, kann von der Versicherung in Regress genommen werden.

Aus dem Nachbarschaftsverhältnis ergibt sich in diesen Fällen keine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Darauf verweist der Kieler Rechtsanwalt Jens Klarmann, Landesregionalleiter "Schleswig-Holstein" der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts Hamm zu seinem rechtskräftigen Urteil vom 17.11.2015 (9 U 26/15).

Auf gute Nachbarschaft - doch die Gesetzt greifen trotzdem.
Auf gute Nachbarschaft - doch die Gesetzt greifen trotzdem.
Foto: Fotolia, shoot4u

Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft aus Köln, nimmt den haftpflichtversicherten Beklagten, Hauseigentümer in Saerbeck, aus Anlass erbrachter Versicherungsleistungen in Regress. Dem bei ihr versicherten Nachbarn des Beklagten erstattete die Klägerin aus einer Gebäude- und Hausratversicherung ca. 7.300 Euro für einen im August 2013 eingetretenen Wasserschaden. In langjähriger Übung übernahmen der Beklagte und sein Nachbar wechselseitig die Bewässerung der Hausgärten in der urlaubsbedingten Abwesenheit des jeweils anderen.

So auch im August 2013. Während dieses Urlaubs des Nachbarn lief der in seinem Garten gelegene Teich über. Das überlaufende Wasser drang in die Kellerräume des Hauses des Nachbarn ein und verursachte dort den Wasserschaden. Zuvor hatte der Beklagte absprachegemäß den nachbarschaftlichen Garten mit Wasser aus dem Teich bewässert und den Teich sodann über einen an der Außenwasserstelle angeschlossenen Schlauch aufgefüllt. Nach dem Vortrag der Klägerin hatte der Beklagte dabei vergessen, den Wasserhahn nach dem Auffüllen des Teiches wieder abzusperren, so dass der Teich überlaufen konnte.

Leichte Fahrlässigkeit?

Das Landgericht wies die Regressklage der Klägerin ab. Zur Begründung führte es aus, das der einem Nachbarn aus leichter Fahrlässigkeit zugefügte Schaden, den eine Gebäude- und Hausratversicherung des Nachbarn ausgleiche, keinen Regressanspruch der Versicherung gegen den Schädiger begründe. Ebenso wie im Verhältnis des Gebäudeversicherers eines Vermieters zum haftpflichtversicherten Mieter, bei dem die Rechtsprechung mit Rücksicht auf das langfristig angelegte Mietverhältnis eine Haftungsbeschränkung annehme, müsse eine solche auch für das gute nachbarschaftliche Verhältnis gelten, das ebenso wie ein langfristiges Mietverhältnis von Spannungen freigehalten werden sollte, die durch die Verpflichtung der Parteien zur Unterstützung von Regressansprüchen ihrer jeweiligen Versicherer entstehen könnten.

Die Berufung der klagenden Versicherung war erfolgreich. Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat der Klägerin den geltend gemachten Regressanspruch zuerkannt.

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