Beim Coachen begegnet man zwei Archetypen von Führungskräften in mehr oder minder starker Ausprägung. Typ 1: Diese Führungskräfte schildern in den Coachingsitzungen immer wieder die Zwänge, unter denen sie stehen. Sie klagen darüber, was in ihrer Organisation alles nicht läuft und vom Top-Management versäumt wird. Und sie beschreiben ihre Mitarbeiter als eher unwillig und uninspiriert. Typ 2: Diese Führungskräfte berichten bevorzugt darüber, was sie sich vorgenommen haben: Welche Dinge sie a priori angehen möchten, weil sie im Argen liegen, und wo sie mit ihrem Team in ein, zwei Jahren stehen möchten. Dabei malen sie die Situation keineswegs rosarot. Sie akzeptieren ihr Handlungsumfeld aber als Herausforderung, der sie sich stellen. Und sie sind überzeugt, dass sie und ihr Team die Kraft haben, die gesetzten Ziele zu erreichen.
Hinter diesen beiden Typen stecken unterschiedliche Persönlichkeitskonzepte. Sie stehen dafür, wie die Führungskräfte sich selbst führen und ihre Rolle definieren. Führungskräfte des Typs 1 verwalten primär ihren Verantwortungsbereich. Sie setzen um, was von ihnen gefordert wird, und kontrollieren, ob die Mitarbeiter mitziehen, und berichten pflichtgemäß nach oben. Führungskräfte des Typs 2 hingegen verstehen ihren Verantwortungsbereich als Gestaltungsraum. Sie suchen nach Wegen, Dinge zu optimieren und ermuntern auch ihre Mitarbeiter, aus sich heraus aktiv zu werden. Sie suchen nach Lösungen und sind dabei offen für den Diskurs über unterschiedliche Handlungsoptionen. Sie sind also keine Verwalter, sondern Leader und Gestalter.
Leadership setzt Selbstführung voraus
Im Managementdiskurs wird oft jede Art der Mitarbeiterführung mit dem Begriff "Leadership" belegt. Dabei stellt Leadership einen speziellen Führungsstil dar, der hohe Ansprüche an das Führungshandeln stellt. Dieser Stil ist geprägt durch ein optimistisches Menschenbild und eine werteorientierte Grundhaltung, die auch die Einstellungen und Verhaltensweisen sowie den Kommunikationsstil der betreffenden Führungskraft prägen. Und es ist ein Führungsstil, der zunächst einmal Anforderungen an die Person der Führungskraft selbst stellt. Denn hinter ihm steckt das Denken: Stillstand ist Rückschritt. Und: Alles kann man optimieren - auch das eigene Führungsverhalten. Deshalb reflektieren Führungskräfte, die als Leader agieren, regelmäßig ihr Verhalten. Sie fragen sich unter anderem:
Schöpfe ich meine eigenen Potenziale aus?
Sehe ich die Dinge, die ich angehen sollte?
Weiß ich, wo ich hin möchte, ohne dogmatisch nur einen Weg zu verfolgen?
Erkenne ich Handlungsprioritäten?
Handle ich konsequent und gehe Dingen nach? Und:
Überprüfe ich selbstkritisch mein Vorgehen sowie das Erreichte, und orientiert sich mein Handeln an ethischen Handlungsmaximen?
Und erkennen die Führungskräfte bei sich selbst Verhaltensmuster, die ihre Wirksamkeit schmälern? Dann streben sie eigeninitiativ danach, ihr Verhalten zu verändern, weil sie als Führungskraft eine möglichst hohe Wirkung erzielen möchten.
Diese Grundhaltung prägt auch den Umgang mit den Mitarbeitern. Eine als Leader agierende Führungskraft verzichtet als Vorgesetzter weitgehend darauf, das Verhalten der Mitarbeiter durch Anweisungen zu beeinflussen oder ausschließlich über Zielvereinbarungen zu führen. Ihr Handeln zielt vielmehr darauf ab, die Einstellungen und das Bewusstsein der Mitarbeiter zu beeinflussen. Das heißt: Die Mitarbeiter erhalten zum Erfüllen ihrer Aufgaben und zum Erreichen ihrer Ziele einen so großen Handlungs- und Entscheidungsfreiraum wie möglich. Und ihre Führungskraft fordert von ihnen nicht nur, dass sie diesen verantwortlich wahrnehmen, sondern fördert sie auch hierbei. Denn dieser Führungsstil zielt auf Selbstführung ab, und das spüren auch die Mitarbeiter.