Auf einem Auge blind

Fehler bei der Mitarbeiterbeurteilung

07.01.2013

Der "Ich bin der Maßstab"-Effekt

Oft machen Führungskräfte auch folgenden Fehler: Sie legen ihre Kompetenz als Maßstab beim Be-werten anderer Personen an. Das führt häufig zu Fehlentscheidungen. Ein Beispiel. Angenommen ein Unternehmen plant eine IT-Schulung und die verantwortliche Führungskraft ist in Sachen IT sehr fit. Dann besteht die Gefahr, dass sie die IT-Kompetenz ihrer Mitarbeiter eher schlecht einstuft, obwohl sie über die für ihren Job erforderlichen Kenntnisse verfügen. Dies wird sie auch ihren Mitarbeitern widerspiegeln, was diese selbstverständlich frustriert. Zudem besteht die Gefahr, dass die Führungskraft ihre Mitarbeiter zu IT-Schulungen schickt, die für ihren Job nicht nötig wären. Dann gibt das Unternehmen unnötig Geld aus.

Umgekehrt ist dies, wenn eine Führungskraft von der IT keine Ahnung hat. Dann besteht die Gefahr, dass sie das IT-Know-how ihrer Mitarbeiter überschützt und ihnen nötige Schulungen verwehrt. Die Folge: Aufgaben werden nicht so gut oder schnell erledigt, wie dies möglich wäre.

Der Hierarchie-Effekt

Insbesondere wenn eine solche Bewertung abteilungs- oder hierarchieübergreifend erfolgt, konstatiert man oft den Hierarchie-Effekt. Von ihm spricht man, wenn ranghöheren Personen automatisch mehr Kompetenz zugeschrieben wird als Personen in den niedrigeren Chargen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Abteilungsleiter einem Teamleiter automatisch mehr Sachverstand als einem normalen Sachbearbeiter unterstellt. Oder einem Diplom-Betriebswirt ein ausgeprägteres unternehmerisches Denken als einem Industriekaufmann. Dies geschieht im Führungsalltag häufig. Als Folge hiervon werden Mitarbeiter oft mit den falschen Aufgaben betraut. Eine weitere Folge ist: Wenn der Industriekaufmann Müller etwas sagt, wird seinen Aussagen eine geringere Bedeutung beigemessen, als wenn Diplom-Kaufmann Mayer dasselbe sagt. Das frustriert Müller, weshalb er irgendwann nichts mehr sagt. Das heißt, der Mitarbeiter kündigt zumindest innerlich.

Der Benjamin-Effekt

Eng verwandt mit dem Hierarchie- ist der Benjamin-Effekt. Von ihm spricht man, wenn jungen Mitarbeitern automatisch mehr oder weniger Kompetenz zugeschrieben wird als älteren Kollegen, die schon viele Jahre Berufserfahrung haben und eventuell schon lange fürs Unternehmen arbeiten. Dass jungen Mitarbeitern weniger zugetraut wird und sie sich erst einmal bewähren müssen, registriert man oft in Industrieunternehmen und Verwaltungen. Die Folge: Junge, talentierte Mitarbeiter wandern ab, weil sie in ihren Augen nur "Drecks-" oder "Zulieferarbeiten" erledigen müssen und kaum gefördert werden.

Das Gegenteil registriert man häufig in IT-Unternehmen. Oder in Unternehmen wie Werbeagenturen, die sich als Kreativ-Schmieden verstehen. In ihnen wird älteren Mitarbeitern oft unterstellt, sie seien nicht mehr up to date. Oder sie seien weniger flexibel und kreativ, belastbar und lernfähig als die jungen. Dann wirkt sich der Benjamin-Effekt positiv für die Jungen aus. Und die Alten? Sie ziehen sich mental aufs Altenteil zurück, weil sie Tag für Tag, wenn auch subtil spüren: Das Unternehmen beziehungsweise meine Chefs haben mich bereits abgeschrieben.

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