Bilanzkonferenz 2023/24 der Verbundgruppe

Expert wird zum Online-Marktplatzhändler



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Wie die Bilanz zum Geschäftsjahr 2023/24 zeigt, ist Expert von der stationären Schwäche weniger stark betroffen als andere Verbundgruppen. Trotzdem kündigte die Expert-Führung nun einen Ausbau der Aktivitäten im digitalen Handel an.
Bei der Bilanzkonferenz 2023/24 präsentierte der Expert-Vorstand in der Zentrale in Langenhagen solide Zahlen und überraschende Initiativen im Online-Geschöft
Bei der Bilanzkonferenz 2023/24 präsentierte der Expert-Vorstand in der Zentrale in Langenhagen solide Zahlen und überraschende Initiativen im Online-Geschöft
Foto: Expert

Die Zahlen, die der Expert-Vorstand bei der Bilanzkonferenz für das am 31.03.2024 beendete Geschäftsjahr präsentierte, können sich durchaus sehen lassen: Während der Umsatz zuletzt bei Euronics um vier Prozent sowie bei ElectronicPartner um 4,5 Prozent zurückging, erreichte Expert mit -0,3 Prozent fast das Umsatzvolumen des Vorjahres. Konkret erzielte die Verbundgruppe mit ihren 295 Fachmärkten (Vorjahr: ebenfalls 295) und 455.000 Quadratmetern Verkaufsfläche (467.000) einen Innenumsatz in Höhe von 2,23 Milliarden Euro (2,24 Mrd. Euro).

"In unserer Branche wird von den Konsumenten derzeit einfach weniger Geld ausgegeben", fasste Expert-Vorstandschef Stefan Müller die Gründe für den stagnierenden Umsatz zusammen. Gleichzeitig berichtete er von ersten Anzeichen für eine Trendwende. So ist der Außenumsatz der Verbundgruppe in den ersten beiden Monaten des Geschäftsjahres 2024/25 um 2,4 angestiegen und im wichtigen TV-Geschäft spürt auch Expert den EM-Effekt: Seit Beginn des Fußballturniers ist der Absatz in dem Warensegment deutlich angestiegen und lag auf Wochenebene bereits um bis zu 161 Prozent über dem Vorjahreswert. Die Konsumenten tendierten zudem zur Anschaffung von großformatigeren Geräten zu höheren Preisen. Expert-Chef Müller wollte darin auch eine Auswirkung der aktuellen Werbekampagne mit Markenbotschafter Rudi Völler sehen: "Die Kampagne performt richtig gut. Rudi Völler ist einfach ein Sympathieträger und steht für Werte, die auch wir vertreten. Die Reaktionen auf Social Media und unsere virale Reichweite mit der Kampagne sind deutlich größer als wir es sonst gewohnt sind." Vor der versammelten Fachpresse ging Müller davon aus, dass der positive Trend auch über die Fußball-EM hinaus anhalten werde. "Wir erwarten am Jahresende ein kleines Plus", so der Expert-Chef.

Als ersten Online-Marktplatz hat Expert bereits Kaufland angeschlossen
Als ersten Online-Marktplatz hat Expert bereits Kaufland angeschlossen
Foto: Kaufland

E-Commerce-Aktivitäten werden ausgebaut

Trotz der verhältnismäßig hohen Resilienz des Expert-Fachhandels setzte der Expert-Vorstand bei der Vorstellung der geplanten neuen Maßnahmen einen überraschenden Schwerpunkt auf den Ausbau des digitalen Handels. So wurde bekannt, dass die Verbundgruppe künftig auch als Verkäufer auf Online-Marktplätzen auftreten wird. "Es ist bekannt, dass heute mehr als 50 Prozent der Produktrecherchen auf Online-Marktplätzen beginnen und deshalb wollen auch wir dort präsent sein", erklärte Expert-Einzelhandelsvorstand Christoph Komor. Dabei würden stets diejenigen Angebote mit "marktfähigen Preise" ausgespielt, die auch im Onlineshop auf expert.de dargestellt würden. Als ersten Marktplatz hat Expert bereits Kaufland angeschlossen, welche weiteren Online-Plattformen künftig außerdem bespielt werden, wollte die Expert-Führung noch nicht verraten. Klar ist aber, dass auf dem verhältnismäßig kleinen Kaufland-Marktplatz sicher keine 50 Prozent der Produktrecherchen stattfinden. Will Expert wirklich von dieser Reichweite profitieren, muss die Verbundgruppe künftig auch auf eBay und sogar bei Amazon - dem Schreckgespenst des stationären Fachhandels - Präsenz zeigen.

Eine weitere zusätzliche Aktivität im digitalen Handel stellt die vor wenigen Tagen an den Start gegangene Kunden-App von Expert dar. Aktuell befindet sich die App, mit der vor allem Angebote und Aktionen per Push-Funktionen an digital-affine Kunden ausgespielt werden sollen, im Testbetrieb. Bis zur Expert-Hauptversammlung Ende September soll der weitere Händler-Rollout der App vorangetrieben werden. Fraglich ist allerdings, mit welchen Argumenten Expert dafür sorgen will, dass die App für die Kunden die nötige Attraktivität erhält. Eine Incentivierung per Loyalitätsprogramm hat Expert - anders als der Wettbewerber Euronics - derzeit nicht vorgesehen.

Abgerundet wird das Bündel der digitalen Initiativen schließlich vom Ausbau des Logistik-Netzwerks von Expert. Hier geht es darum, dass lokale Fachhändler mit ihren Liefer- und Service-Kapazitäten das Fulfillment von Online-Bestellungen übernehmen. Wie Expert-Chef Stefan Müller berichtete, liefere die Verbundgruppe bereits heute 27 Prozent aller online bestellten Großgeräte über lokale Händler aus und erziele man mit 39 teilnehmenden Gesellschafter eine Abdeckung von 69 Prozent des Bundesgebiets. Ziel sei es, diesen Wert auf mindestens 80 Prozent auszubauen. "Wir stellen fest, dass wir bei den über unsere Gesellschafter ausgelieferten Geräte eine außergewöhnlich niedrige Retourenquote von nur 1,5 Prozent haben", erklärte Müller zur Begründung. Außerdem sei die angestrebte höhere lokale Abdeckung die Voraussetzung für den weiteren Ausbau des zentralen Onlinegeschäfts.

Die Kunden-App von Expert ist ab sofort im Pilot-Betrieb
Die Kunden-App von Expert ist ab sofort im Pilot-Betrieb
Foto: Expert

Restrukturierung angekündigt - wie wirtschaftlich ist Expert?

Großen Raum nahm auf der Expert-Bilanzkonferenz schließlich die bereits laufende Restrukturierung der Verbundgruppe ein. Hier geht es darum, die organisatorischen Mehrfachstrukturen, die durch den sukzessiven Ausbau des Expert-eigenen Handelsnetzes auf heute 67 Fachmärkte entstanden sind, zu verschlanken. So sollen ab 1.9.2023 die westlichen Expert-Märkte aus der Zentrale in Langenhagen verwaltet werden, ab 31.3.2025 die im Süden der Republik gelegenen Regierbetriebe und ab Anfang 2026 schließlich die nördlichen Standorte, die vor allem aus der Übernahme der Fachmarktkette Bening stammen. Die Anzahl der in der Verwaltung tätigen Mitarbeiter soll damit von heute 120 auf rund 50 verkleinert werden.

Zwar betonte die Expert-Führung, dass die Verbundgruppe mit einer hohen Eigenkapitalquote und hohen Bonusausschüttungen an die Gesellschafter weiterhin auf soliden wirtschaftlichen Beinen stehe. Doch gleichzeitig wurde deutlich, dass durchaus ein gewisser Druck besteht, der die Verbundgruppe zu der nun eingeleiteten Restrukturierung zwingt. "Wir haben eine ungewöhnlich hohe Kostensituation, die wir angesichts einer nicht deutlich positiven Umsatzentwicklung nicht einfach kompensieren können. Deshalb müssen wir unsere Kostenstruktur neu justieren und setzen dabei nicht bei den Filialen an, sondern bei den Verwaltungskosten", sagte Expert-Vorstand Stefan Müller. Der Verbundgruppen-Chef räumte ein, dass man aus heutiger Sicht beim Ausbau der Regiebetriebe möglicherweise anders vorgehen würde. "Heute hätten wir gerne etwas weniger eigene Geschäfte und wir halten deshalb an dem Kurs fest, die Regiebetriebe möglichst wieder an Gesellschafter zurückzuführen. Aber rückblickend ist man immer schlauer." Außerdem sei die grundlegende Entscheidung richtig gewesen, mit der Übernahme von Standorten Nachfolgereglungen sicherzustellen und so auch eine hohe Marktdurchdringung von Expert zu gewährleisten. "Mit der laufenden Restrukturierung schaffen wir die nötige Flexibilität, um auch künftig Standorte zu übernehmen, wenn es sinnvoll ist", ergänzte Einzelhandelsvorstand Christoph Komor.

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