Hürde 5: Zeitbedarf des ERP-Projekts wird zu gering angesetzt
Ein weiterer möglicher Schwachpunkt ist der Zeitbedarf des ERP-Projekts. Er wird nicht selten zu gering angesetzt. In der Folge entfallen zum Beispiel unbedingt notwendige Testphasen, da der zu diesem Zeitpunkt bereits entstandene Termindruck zu groß geworden ist. Oder aber dringend notwendige Anpassungen und Schulungen können nicht mehr durchgeführt werden, da der Termin, an dem die neue Lösung live gehen sollte, zu nahe gerückt ist. Daher ist es wichtig, im Vorfeld die Zeitplanung genau zu definieren und im Budgetplan zu berücksichtigen sowie im Nachgang den Terminplan Meilenstein für Meilenstein zu überwachen.
Hürde 6: Controlling wird vernachlässigt
Aus dieser Überlegung ergibt sich Schwachpunkt Nummer sechs: Viele Mittelständler haben keine Vorstellung von dem zeitlichen und finanziellen Aufwand, der für das Controlling, die Überwachung und das Management eines ERP-Projektes nötig ist. Zwischen 10 und 20 Prozent eines Projektvolumens entfallen auf diese Dienstleistungen. Und sie sind nicht alleine von Seiten des IT-Dienstleisters zu bewältigen: Sowohl das Partnerunternehmen als auch der zukünftige Anwender muss einen Projektmanager abstellen, der die interne Kommunikation und das Projektmarketing überwacht und leitet. Aufgabe dieses Projektcontrollings ist es, Kosten, Termine und Nutzen zu beobachten und bei den ersten Anzeichen von Abweichungen – etwa in puncto Budget oder bei der Zielplanung – einzugreifen. Nicht immer darf dann die Devise lauten „zurück zum Ursprung“. Manchmal stellt sich im Laufe eines Projektes heraus, dass sich Ziele oder auch Bedingungen verändert haben und auf anderem Weg besser zu bewältigen sind. Dies muss berücksichtigt und gegebenenfalls im Projekt nochmals umgeplant werden. Manchmal müssen sogar innerbetriebliche Veränderungen vorgenommen werden, um das Projekt zu optimieren. In diesem Zusammenhang kann sich der Aufwand erhöhen oder reduzieren.
Hürde 7: Fehlende Unterstützung der Geschäftsführung
Jedes ERP-Projekt ist ein partnerschaftliches Vorhaben, in dem der Kunde und der Dienstleister zusammen am Erfolg arbeiten müssen. Es ist unumgänglich, klare Verantwortlichkeiten zu definieren und festzulegen, wer was wann macht. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Projektpartner, also die Menschen, die im Projekt zusammen arbeiten, gewisse Kommunikationsregeln beachten. Dies erfordert Verständnis der Beteiligten untereinander für die jeweiligen Belange des anderen. Außerdem müssen Probleme – auch zwischenmenschliche – angesprochen und aus dem Weg geräumt werden. Nicht zuletzt verlangt dies von der jeweiligen Geschäftsführung, die Projektverantwortlichen während der Projektlaufzeit von ihrer eigentlichen Tätigkeit ganz oder teilweise freizustellen und zu unterstützen. Werden Mitarbeiter zu wenig entlastet und müssen sie die zusätzliche Arbeit im Zuge der ERP-Einführung neben dem Tagesgeschäft erfüllen, führt dies zwangsläufig zu Überforderung und Unmut. Daher muss neben der zeitlichen Unterstützung auch menschliche Hilfe ansetzen: Die Unternehmensleitung muss Projektmarketing im eigenen Unternehmen betreiben und das betreffende Personal fördern und davon überzeugen, dass sich die notwendige Mehrarbeit langfristig bezahlt macht. Nur dann sind die Betroffenen optimal gerüstet, um das Projekt erfolgreich zu begleiten. Fehlt diese Unterstützung, kann auch dies zum Scheitern des Projekts führen.
Hürde 8: Datenmigration schlecht vorbereitet
Ein weiteres Thema, das bei der Neueinführung von ERP-Software gerne unterschätzt wird, ist die Datenmigration. Denn sie beschränkt sich nicht allein auf die Übertragung der Altdaten vom bisherigen IT-System auf die neue Lösung. Zuvor müssen die alten Daten gezielt aufbereitet werden: Karteileichen, inaktive oder alte Datensätze müssen ebenso gelöscht werden wie ein überholter Artikelstamm. Zehn Jahre alte Rechnungen müssen in der Regel ebenso wenig in das neue System überführt werden wie Produktinformationen von Produkten, die längst nicht mehr vom Unternehmen vertrieben werden. Andere Daten gilt es aufzubereiten oder neu zu strukturieren. Geschieht dies nicht, führt die neue Software den Ballast des Alten weiter mit.
Hürde 9: ERP-Projekt wird nicht methodisch angegangen
Nicht zuletzt kann auch in der Vorgehensweise des beteiligten IT-Dienstleisters während des IT-Projektes ein Mangel vorliegen. Dies gilt etwa dann, wenn keine Projektmethodik und Vorgehensweise als Grundlage dient. Jedes Projekt sollte methodisch abgewickelt werden – von der Analyse über das Angebot, den Vertrag, der die Leistung beschreibt, bis hin zum Projekt selbst. Dieses Vorgehensmodell muss auch die Kommunikation regeln und zum Beispiel auch einen Projektlenkungsausschuss beinhalten, der auf Managementebene wahrgenommen wird. Der Projektfortschritt respektive die Meilensteine müssen definiert und sämtliche Schritte genau dokumentiert werden. Dabei gilt nicht zuletzt: Schlankere Projekte, die nicht bis ins letzte Glied alle Wunschträume des Mittelständlers erfüllen sollen, sind oftmals erfolgreicher als das große Projekt, das alle Zielvorstellungen abdeckt. Denn häufig stellt sich im Verlauf der Arbeiten heraus, dass von den ursprünglich gestellten Anforderungen rund 80 Prozent tatsächlich Sinn machen, während die letzten fünf Prozent nur wenig Mehrwert einbringen, aber sehr viel Aufwand und Geld kosten. Wer also kleiner beginnt und später ergänzt, ist oftmals besser beraten als derjenige, der alles von Anfang an perfekt lösen möchte. Und er erhöht damit die Chancen, dass sein ERP-Projekt auch tatsächlich ein voller Erfolg wird. (wh)
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