Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme

Ein neues IT-Grundrecht?

27.10.2008

Durch das Telekommunikationsgeheimnis wird nach der Begründung des Gerichts nur das Vertrauen des Einzelnen darin geschützt, dass eine Fernkommunikation, an der er beteiligt ist, nicht von Dritten zur Kenntnis genommen wird. Das Vertrauen der Kommunikationspartner zueinander wird nicht vom Telekommunikationsgeheimnis umfasst. Sobald ein Kommu-ikationspartner daher der staatlichen Stelle den Zugriff erlaube, handele diese autorisiert. Als Verstoß gegen das Telekommunikationsgeheimnis wertete das Bundesverfassungsgericht Situationen, in denen staatliche Stellen im Rahmen der heimlichen Aufklärung Kommunikationsinhalte überwachen, indem sie Zugangsschlüssel nutzt, die ohne oder gegen den Willen der Kommunikationsbeteiligten erlangt wurden (zum Beispiel durch Keylogging) .

Eine "reine Internetaufklärung" hält das Bundesverfassungsgericht allerdings für zulässig. Nach der Begründung des Gerichts ermöglichen die Kommunikationsdienste des Internet in weitem Umfang den Aufbau von Kommunikationsbeziehungen, in deren Rahmen das Vertrauen eines Kommunikationspartners in die Identität und Wahrhaftigkeit seiner Kommunikationspartner nicht schutzwürdig ist. Dies gelte auch dann, wenn der Kommunikationspartner längere Zeit, etwa im Rahmen eines Diskussionsforums, an der Kommunikation teilnimmt und sich eine "elektronische Gemeinschaft" gebildet habe. Mangels von Überprüfungsmöglichkeiten sei sein Vertrauen darauf, dass er nicht mit einer staatlichen Stelle kommuniziert, nicht schutzwürdig.

Ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann nach den Darlegungen des Gerichts allerdings gegeben sein, wenn Informationen, die durch die Sichtung allgemein zugänglicher Inhalte gewonnen werden, gezielt zusammengetragen, gespeichert und ggf. unter Hinzuziehung weiterer Daten ausgewertet werden und sich daraus eine besondere Gefährdungslage für die Persönlichkeit des Betroffenen ergibt .

Bei der Lektüre dieser Schilderungen kann man durchaus die Schlussfolgerung ziehen, dass das Internet mit der Nutzung von E-Mails und Diskussionsforen beim Bundesverfassungsgericht "angekommen" ist. Die Darlegungen, welche Möglichkeiten den staatlichen Stellen für die "reine Internetaufklärung" zur Verfügung stehen, ohne Grundrechte der Betroffenen zu verletzen, kann als "Segelanweisung" dahingehend verstanden werden, in welchem Maß bereits zur Zeit das Vorgehen der Ermittlungsbehörden und Nachrichtendienste - grundrechts-systematisch - als zulässig angesehen wird.

Andererseits macht das Bundesverfassungsgericht deutlich, dass sich der einzelne Bürger nie sicher sein kann, in einem Chat, Diskussionsforum oder per E-Mail mit dem (verdeckt handelnden) Staat zu kommunizieren. Dies stellt - freiheitsrechtlich - die oft zitierte Kehrseite der Medaille dar.

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