Zwischen Flagshipstores und Online-Händlern

Die Zukunft der Warenhäuser

Uwe Ritschel schreibt als Experte zu den Herausforderungen des  Einzelhandels. In seiner nunmehr fünfzigjährigen Tätigkeit hat er alle Facetten der Branche kennengelernt. Sein Weg führte vom Einkäufer und Abteilungsleiter bis ins Management eines großen Handelsunternehmens. Ritschel beschäftigt sich mit den Chancen und Risiken durch die Digitalisierung des Handels. Damit ist er heute ein gefragter Experte für Händlergemeinschaften und City-Marketing.
Keine andere Branche wandelt sich derzeit so stark wie der stationäre Handel. Unter dem Druck des stark wachsenden eCommerce muss der PoS dem Kunden etwas anbieten, was er im Webshop vermisst.
 
  • Wie Karstadt & Co. ihre Chancen im Online-Handel verpasst haben
  • Warum es auch in zehn Jahren Kaufhäuser geben wird
  • Wie der Kunde heute einkauft

Wer über die Zukunft der Warenhäuser in Deutschland spekulieren will, muss sich erst einmal mit der Vergangenheit beschäftigen. 1972, zur Blüte des deutschen Wirtschaftswunders, hielten die Warenhäuser einen Anteil von über zehn Prozent am Gesamtumsatz des deutschen Einzelhandels. Heute sind es nur noch etwas mehr als zwe Prozent Anteil. Hertie und Horten sind verschwunden, Kaufhalle, Woolworth und andere Billiganbieter ebenfalls.

Der Handel wird zurzeit täglich neu erfunden. Online und Offline, Beacons, Apps, Multi- und Omni-Channel sind die Stichworte. Ohne Smartphone ist eine ganze Generation nicht mehr lebensfähig. Dabei sagt ein altes Sprichwort, Handel ist Wandel. Aber noch nie war ein gesellschaftlicher Umbruch so schnell und so tiefgreifend wie der Wandel zur digitalen Gesellschaft. Wo gestern noch eine Modeboutique war, ist heute ein Handy-Shop.

Der Einzelhandel war schon immer ein Spiegel der Gesellschaft. Das mussten auch die großen Warenhauskonzerne erfahren. Dabei ist die digitale Revolution gar nicht der Auslöser für den Niedergang. Der aufkommende Online-Handel verschärft aber die Krise. Gerade am Beispiel Karstadt und Kaufhof lässt sich erkennen, wer für die Zukunft gerüstet ist und wer möglicherweise auf der Strecke bleibt.

Die Fehler von Karstadt

Karstadt hätte bei etwas mehr Weitsicht, alle Möglichkeiten gehabt, seine Marktführerschaft weiter auszubauen. Stattdessen wurden Ressourcen vernichtet, rentable Unternehmenteile verkauft um die unrentablen Geschäfte wieder flott zu machen. Ein Konzern wurde geplündert. Zur gleichen Zeit konnte sich die Galeria Kaufhof durch kluge Unternehmensführung im Schoße der Metro zur Nummer Eins in den Innenstädten entwickeln.

Bis zu ersten Ölkrise, vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere an die autofreien Sonntage, bis dahin kannten die Warenhäuser nur eine Richtung, und die ging steil nach oben. Die zehn Prozent am Gesamtumsatz entsprachen anteilmäßig dem, was heute der Online-Handel für sich beansprucht. Aber Bäume wachsen eben nicht in den Himmel.

Das Wirtschaftswunder hat uns nicht nur den Babyboom beschert, auch strömten viele Gastarbeiter ins gelobte Land. Es fehlte an Wohnraum für größere Familien und für die Arbeitskräfte vor allem aus Italien und Spanien. Trabantenstädte wurden damals aus dem Boden gestampft. München Neuperlach, Nürnberg Langwasser oder Berlin Gropiusstadt, um nur einige zu nennen. Mit den Trabantenstädten ging der Handel auf die "Grüne Wiese". Riesige Supermärkte mit Parkplätzen direkt vor der Türe, lockten die Kunden in die Vorstädte.

Am Samstag fuhr die ganze Familie mit Papa zum Großeinkauf nach draußen. Schon damals war von der "Verödung der Innenstädte" die Rede. Dennoch ging Karstadt weiter auf Einkaufstour. 1977 kauft das Unternehmen die Mehrheit an Neckermann und wurde mit einem Jahresumsatz von nunmehr 10,62 Milliarden Mark zum größten Handelsunternehmen in Deutschland. 1984 wurde Neckermann dann komplett übernommen, 1994 wurde Hertie mit KaDeWe als Flagship gekauft. 1999 folgte die Fusion mit dem Versandhaus Quelle.

Verpasste Chancen

Wer nun glaubte, dieses Unternehmen hätte sich mit den zwei größten Versendern für die Zukunft des Online-Handels fit gemacht, der liegt völlig daneben. Obwohl die gesamte Logistik zur Verfügung stand, wurde weiter nach überholten Modellen gearbeitet. Dabei war das Ende des klassischen Versandhandels längst eingeläutet. Kataloge mit halbjährlicher Gültigkeit waren nicht mehr gefragt.

Durch das Internet wurde der Handel immer schneller, Katalogpreise konnten täglich unterboten werden. Im Jahr 2000 lag der Umsatz im eCommerce bereits bei 2,5 Milliarden Mark. Statt auf den Zug aufzuspringen und die trudelnden Versandhäuser damit wieder auf Kurs zu bringen, wurde weiter so getan, als wäre nichts geschehen.

2004 wurden die großen finanziellen Schwierigkeiten erstmals einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Thomas Middelhoff kam als Hoffnungsträger, aber auch seine Konzepte gingen nicht auf. Im folgenden Jahr wurden 74 Filialen geschlossen, 51 Sinn-Leffers Filialen und Runners Point, der Sportschuhspezialist, wurden verkauft, aber 2006, mit der Gründung von Arcandor als Dachgesellschaft, sollte dann alles besser werden.

Es hat jedoch gerademal drei Jahre gedauert, bis am 1. September 2009 Insolvenzantrag gestellt werden musste. 2010 kam dann der Verkauf für einen symbolischen Euro an den Kunstsammler Nicolas Berggruen. Das Amtsgericht Essen hob das Insolvenzverfahren auf, nachdem die Gläubiger auf über zwei Milliarden Euro Forderungen verzichtetet hatten.

Die Karstadt Sport-Filialen wurden ausgegliedert, genauso wie die Premiumhäuser Oberpollinger in München, das Alsteraus in Hamburg und das KaDeWe in Berlin. Diese Filetstücke gingen 2013 zu 75,1 Prozent an den österreichischen Immobilienunternehmer Renè Benko. Die Sima-Holding, mit der Benko ebenfalls verbunden ist, übernahm den verbliebenen Teil der Warenhauskette.

Andrew Jennings, ein Engländer sollte nun den Konzern, auf dem schwierigen deutschen Markt, wieder nach vorne bringen. Die Erfolge stellten sich aber weiterhin nicht ein. Eine verfehlte Markenstrategie von Jennings und die mangelnde Finanzausstattung konnten keine Wende herbeiführen. 2014 wurde Eva-Lotta Sjöstedt von Ikea geholt. Frau Sjöstedt braucht gerade mal vier Monate um zu erkennen, dass sie ihre Pläne bei Karstadt nicht verwirklichen konnte. Es wäre auch eine riesige Kraftanstrengung notwendig gewesen. Neben den erkennbaren Defiziten bei den Marken und in der Ladenausstattung, dem nicht mehr zeitgemäßen Warenwirtschaftssystemen, müssen nun auch noch große Summen in den Aufbau einer Online-Präsenz investiert werden.

Das Kalkül war aber ein ganz anderes. Die Metro AG hatte schon lange anklingen lassen, dass Galeria Kaufhof nicht mehr so recht in ihr Portfolio passt. Benko und die Sigma-Holding spekulierten auf eine Übernahme mit dem Ziel, Kaufhof und Karstadt zur viel beschworenen "Deutschen Warenhaus AG" zu vereinen. Damit wären viele Probleme mit einer Unterschrift gegenstandslos geworden. Aus zwei Hauptverwaltungen mit zwei kompletten Vorständen, wäre eine Zentrale erwachsen.

Das hätte das neue Unternehmen schon einmal um 1.500 bis 2.000 Mitarbeiter entlastet. Dazu verfügt Kaufhof über ein exzellentes Warenwirtschaftssystem. Dieses System hätte man nur auf die Karstadt-Filialen ausweiten müssen. Gleichzeitighätte man das Galeria-Konzept mit auf die Karstadt-Häuser übertragen können. So hätte sich Karstadt mit Hilfe seines Mitbewerbers am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen können. Das Galeria- Konzept war einer der Schlüssel zum langfristigen Erfolg des Kaufhofs.

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