Risikoscheu auf beiden Seiten

Die Angst vor der Eigenverantwortlichkeit

26.10.2012
Mitarbeiter, die unternehmerisch denken und handeln, sind bei Chefs häufig nicht beliebt. Ulrich Dessel nennt die Gründe dafür.
Manchmal wäre es gut, wenn Mitarbeiter die Weichen stellen. Doch Vorgesetzte sehen das nicht immer gern.
Manchmal wäre es gut, wenn Mitarbeiter die Weichen stellen. Doch Vorgesetzte sehen das nicht immer gern.
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Unternehmerisch denkende und eigenverantwortlich handelnde Mitarbeiter - das wünschen sich viele Unternehmensführer. Offiziell! Doch faktisch befürchtet manch obere Führungskraft: Wenn jeder Mitarbeiter einfach macht, was er für richtig hält, bricht in unserem Betrieb das Chaos aus.

"Wir brauchen Mitarbeiter, die unternehmerisch denken und handeln." Das betonen viele Unternehmensführer. Und fragt man nach, was dies bedeutet, dann hört man oft: "Unsere Mitarbeiter müssen bei der Alltagsarbeit mehr Eigenverantwortung zeigen; des Weiteren die Bereitschaft, Risiken zu tragen. Sonst können wir die Herausforderungen, die der Markt an uns stellt, nicht meistern." Und dann folgt oft ein Klagelied. Genau diese Eigenschaften beziehungsweise Verhaltensweisen zeige das Cross der Mitarbeiter nicht. Nur wenige blickten bei ihrer Arbeit über den Rand ihres Schreibtischs hinaus und seien bereit, das Risiko eventueller Fehlentscheidungen einzugehen. Ihr Augenmerk richte sich vielmehr primär darauf, sich abzusichern, so dass ja kein Kollege oder gar Vorgesetzter sie kritisieren kann - unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um einfache Mitarbeiter oder mittlere Führungskräfte handle.

Angst der Mitarbeiter, eigenständig zu entscheiden

Dass dies in zahlreichen Betrieben Realität ist, ist kein Zufall. Viele Unternehmen erwarteten von ihren Mitarbeitern jahrzehntelang primär, dass sie gehorsam die ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen. Das taten diese denn auch. Völlig ungewohnt ist es für sie folglich, am Arbeitsplatz eigenständig Entscheidungen zu treffen. Denn das Entscheiden nahmen ihnen in der Vergangenheit ihre "Chefs" ab. Entsprechend verunsichert reagieren sie, wenn von ihnen plötzlich gefordert wird: Entscheide selbst - insbesondere dann, wenn diese Entscheidungen Auswirkungen auf andere (Arbeits-)Bereiche als die ihrigen haben. Denn eine weitere unausgesprochene Vorgabe lautete in der Vergangenheit: Erfüllt eure Aufgaben und mischt euch nicht in fremde Kompetenzbereiche ein. Entsprechend groß ist die Angst vieler Mitarbeiter, anzuecken, wenn sie mehr Eigeninitiative und -verantwortung zeigen.

Mit einem über Jahrzehnte antrainierten Verhalten lässt es sich aber nicht erklären, dass auch viele junge Führungskräfte im Arbeitsalltag ein wenig risikobereites Verhalten zeigen. Denn sie sind neu in der Organisation. Trotzdem zeigen auch sie meist schnell die Verhaltensmuster der "alten Hasen". Vor allem weil sie in vielen Betrieben rasch die Erfahrung sammeln: Eigenverantwortliches Verhalten wird zwar propagiert, doch wenn ich zu viel davon zeige, wird dies sanktioniert. Und mein berufliches Fortkommen fördert ein solches Verhalten nicht. Denn wenn ich mich zu oft in Sachen einmische, die mich "nichts angehen", gelte ich als nicht teamfähig und schwer integrierbar. Und wenn ich Fehlentscheidungen treffe? Dann stehe ich schnell am Pranger.

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