Cisco, die Cloud und Cognitive Computing
Schauen wir uns doch einen anderen Konkurrenten von HPE an - Cisco. Dessen Stärken liegen zwar vor allem im Bereich Netzwerk und Server, doch durch Partnerschaften könnte Cisco künftig auch im Storage-Bereich aufholen. Wie sehen Sie das Unternehmen?
Meg Whitman: Die Kernkompetenz von Cisco liegt klar im Bereich Data Center, Switches und Netzwerkkomponenten. Sie machen seit vielen Jahren einen bemerkenswerten Job. Wir sehen unsere Chance vor allem im 'Campus, Branch & Edge'-Segment, denn die meisten CIOs wollen hier eine Alternative zu Cisco und würden gerne unsere Netzwerktechnologien in einer Umgebung mit geringerem Risiko testen.
Durch die Akquisition von Aruba lernen die Kunden nun auch unsere Kompetenzen in Sachen Data Center zu schätzen. Ich rate Kunden dazu, auf ihre Konkurrenzfähigkeit zu achten und sich über die neuesten Trends und Entwicklungen in diesem Bereich auf dem Laufenden zu halten. Schließlich sollten sie alles daran setzen, einen 'Vendor Lock-in' zu vermeiden, während sie versuchen, ihre Kosten zu reduzieren und ihre Agilität zu steigern.
Ich glaube also, dass wir hier eine echte Chance haben. Wir sind derzeit die Nummer zwei auf dem Networking-Markt und haben gute Aussichten auf die Marktführerschaft - sicherlich vor allem im 'Campus, Branch and Edge'-Bereich, vielleicht sogar im Bereich Data Center. Geht es um Converged Infrastructure, wird uns HPE Synergy einen Vorteil gegenüber Cisco verschaffen, den wir ausnutzen müssen, um diesen Markt zurückzugewinnen.
Wir sind das einzige Unternehmen, das Server, Storage und Netzwerke unter einem Dach vereint. Das bedeutet auch, dass wir trotz unserer Referenzarchitekturen nicht so stark von Partnerschaften abhängig sind. Ich denke also, wir sind diesbezüglich in einer sehr guten Situation. Allerdings ist Cisco ein sehr starker Konkurrent. Wir müssen deshalb auch in Zukunft sicherstellen, dass wir das Leben der Menschen mit unseren Innovationen einfacher, kostengünstiger und schneller gestalten.
Sprechen wir über die Private Cloud: Wie lange wird das noch eine Notlösung sein? Sehen Sie hierfür überhaupt noch eine Zukunft? Was denken Sie, wie lange es dauert, bis die Unternehmen einen Großteil ihrer Applikationen und Prozesse in die Public Cloud verlagern?
Meg Whitman: Das ist die große Preisfrage. Meiner Meinung nach muss man hier differenzieren. Manche Workloads werden wohl ziemlich schnell ihren Weg in die Public Cloud finden. Vor allem kundenorientierte Web-Apps und andere für Unternehmen unkritische Applikationen. Andere Applikationen dürften hingegen niemals den Weg in die Public Cloud finden - vor allem solche, die auf Mainframes laufen. Alleine schon aus Kostengründen dürften etwa Banking-Applikationen kaum eine solche Migration erfahren.
Natürlich hängt das auch davon ab, in welcher Branche sie sich bewegen. Sind sie Teil einer nur leicht regulierten, kundenorientierten Branche, ist eine Migration von Applikationen in die Cloud meiner Meinung nach deutlich schneller möglich. In einer durch Compliance oder Daten hochregulierten Branche kann man sich hingegen nur langsam bewegen. Keine Frage, Cloud Computing ist ein Trend-Markt. Wir wollen sicherstellen, dass wir unseren Kunden dabei helfen können, die für sie richtigen Entscheidungen zu treffen. Deswegen sind wir auch eine Partnerschaft mit Microsoft eingegangen. Kunden, die ihre Anwendungen in die Public Cloud migrieren wollen, empfehlen wir daher auch einen Wechsel zu Azure.
- Aktuelle Entwicklungen zu Cloud-Security und -Datenschutz
Ob Unternehmensdaten in der Cloud "sicher" sind, hängt davon ab, welchen Datenschutzregeln der jeweilige Anbieter verpflichtet ist. Häufig geht hier es um Europa vs. USA. Die aktuellen Entwicklungen um "Safe Harbor" haben die Debatte neu befeuert. Eine klare Antwort ist immer noch in weiter Ferne. - Marktanteile
Auf die "Großen Vier" Amazon Web Services, Microsoft, IBM / Softlayer und Google entfielen im zweiten Quartal 2015 rund 54 Prozent des weltweiten Umsatzes mit Cloud-Services. Nordamerika ist mit etwa der Hälfte der Umsätze der größte regionale Markt, vor Europa und Asien/Pazifischer Raum. - Standorte
Für deutsche Unternehmen ist laut einer Studie von Bitkom Research und KPMG wichtig, dass ein Cloud Service Provider im deutschen oder EU-Rechtsraum angesiedelt ist oder dort Rechenzentren unterhält. - Erfahrungen der Nutzer
Anwender in Deutschland haben bessere Erfahrungen mit Private Clouds gemacht als mit IT-Diensten, die sie über Public Clouds beziehen. - Transformation als Treiber
Cloud Computing hat bei vielen deutschen Unternehmen einen hohen Stellenwert, wenn es um die strategische Ausrichtung der IT-Umgebung geht. Daran ändern auch Debatten um den Datenschutz nichts. - Public Cloud Provider
Alle führenden amerikanischen Anbieter von Public Cloud Services haben mittlerweile Rechenzentren in EU-Mitgliedsstaaten oder Deutschland aufgebaut. Damit tragen sie dem Wunsch von Unternehmen Rechnung, die Daten nicht in Datacentern lagern wollen, die in anderen Rechtsräumen angesiedelt sind. - Google
Google hat sich mit einer gewissen Verspätung als Cloud-Service-Provider positioniert. Mittlerweile bietet das Unternehmen nach dem Baukastenprinzip eine Palette von Cloud-Services an. - Verschlüsselungslösungen
Für die Verschlüsselung und Schlüsselverwaltung setzen Microsoft und andere Cloud-Service-Provider besonders sichere HSMs (Hardware Security Modules) ein. Microsoft nutzt bei Azure HSM-Systeme von Thales. Andere Anbieter von HSM, die in Cloud-Umgebungen zum Zuge kommen, sind Utimaco und Gemalto (SafeNet). - Microsoft-Prozess
Microsoft gegen die Vereinigten Staaten von Amerika: In dem Berufungsverfahren will Microsoft die Herausgabe von E-Mail-Daten an ein US-Gericht verhindern, die auf Servern im Cloud-Datacenter in Irland gespeichert sind. - SAP-Sicherheitsarchitektur
Die Grundlage für Cloud-Services, die den Anforderungen von Compliance- und Datenschutzregeln genügen, sind umfassende Sicherheitsmaßnahmen in Cloud-Datacentern. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Verschlüsselungs- und Authentifizierungsmaßnahmen. - Constantin Gonzalez, AWS
Constantin Gonzalez, Solutions Architect bei Amazon Web Services: "Amazon Web Services bietet Anwender eine Art ferngesteuerte Hardware. Für die Kontroller der Daten ist der Nutzer selbst verantwortlich." - Speicherorte
Laut einer Analyse von Skyhigh Networks entsprechen zwei Drittel der Cloud-Services, die in Europa zur Verfügung stehen und von Firmen in dieser Region genutzt werden, nicht den EU-Datenschutzregelungen. - Khaled Chaar, Pironet NDH
Khaled Chaar, Managing Director Business Strategy bei der Cancom-Tochter Pironet NDH: "Bei der Debatte um die Sicherheit von Daten in der Cloud sollte ein weiterer Aspekt berücksichtigt werden: Cloud-Rechenzentren verfügen in der Regel über deutlich bessere Sicherheitsvorkehrungen als Data Center von Unternehmen. Denn für die meisten Firmen gehört der Aufbau sicherer Rechenzentrums-Strukturen nicht zum Kerngeschäft und ist schlichtweg zu aufwändig, insbesondere aufgrund der stetig wachsenden Sicherheitsanforderungen." - Hartmut Thomsen, SAP
Hartmut Thomsen, Managing Director der SAP Deutschland SE & Co. KG: "SAP befolgt die rechtlichen Rahmenbedingungen in den Ländern, in denen das Unternehmen geschäftlich tätig ist. Ebenso wichtig sind für uns die Wünsche unserer Kunden. Für diese besteht deshalb – abhängig vom jeweiligen Cloud-Produkt – die Möglichkeit, sich für Cloud-Dienstleistungen zu entscheiden, die SAP innerhalb der EU bereitstellt." - René Büst, Crisp Research
René Buest, Senior Analyst und Cloud Practice Lead bei dem Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Crisp Research: "Für international tätige Unternehmen ist es schlichtweg unverzichtbar, einen Cloud-Service-Provider mit einer Präsenz in vielen Regionen der Welt auszuwählen." - Geteilte Verantwortung in der Public Cloud
In der Public Cloud gehorchen die Services verschiedenen Herren: Management und Sicherheit von Infrastruktur wie Storage, Netzwerk, Datenbank und Rechenpower auf der einen Seite, Verwantwortung für VMs, Anwendungen und Daten auf der anderen Seite. - Rechtslage in Deutschland
Gerade die Angst vor Angriffen und Datenverlusten schreckt viele Anwender nach wie vor vor der Cloud ab. - Compliance-Sorgen
Auch die Sorge, Compliance-Bestimmungen in der Cloud nicht einhalten zu können, treibt viele Anwender um. - CASB - das Geschäft mit dem Cloud-Zugang
Durch sogenannte CASB (Cloud Access Security Broker) soll der gesicherte Zugang zu Cloud-Diensten sichergestellt werden. Hier entwickelt sich zunehmend ein eigener Markt.
Haben nicht sowohl HP Enterprise als auch Dell/EMC und Cisco ein "Millenial-Problem"? Schließlich wird künftig nahezu jedes aufstrebende, junge Unternehmen auf die Cloud setzen.
Meg Whitman: Das ist richtig. Wenn jedes dieser neuen Unternehmen seine IT-Infrastruktur komplett anders aufstellt, müssen wir herausfinden, wie wir für diese Firmen weiterhin relevant bleiben. Der überwiegende Teil des Gesamtmarktes setzt dennoch weiterhin auf die herkömmliche Infrastruktur - also eine solche, die bereits mehr als fünf Jahre im Einsatz ist. Genau hier liegt meiner Meinung nach unsere Chance: Wir wollen Unternehmen mit herkömmlicher Infrastruktur die Migration ihrer Umgebungen ermöglichen, damit sie mit den jungen, aufstrebenden Unternehmen Schritt halten können.
Interessanterweise ist zu beobachten, dass viele junge Unternehmen, die in einer reinen Cloud-Umgebung gestartet sind, nun mit dramatischen Kostenexplosionen zu kämpfen haben. Dropbox beispielsweise hat seine Infrastruktur auf AWS-Basis aufgebaut und sich nun dazu entschieden, aus Kostengründen zu einer etwas traditionelleren Umgebung zu wechseln: der Private Cloud. Für viele neue Firmen, die sich auf dem Weg zum großen, globalen Unternehmen befinden, werden sich, auch aufgrund der Datenschutz-Diskussion in Europa, an dieser Stelle Probleme ergeben. Denn ich rechne damit, dass die Cloud in Europa aufgrund der Datenschutz-Problematik deutlich später ankommen wird.
Wir konzentrieren uns verstärkt darauf, Partnerschaften mit kleinen, jungen Unternehmen einzugehen, die wir dann für den Enterprise Markt 'kuratieren'. Viele CIOs haben mich schon gefragt, wie sie mit all diesen Silicon-Valley-Startups umgehen sollen und woher Sie wissen, dass diese auch wirklich expandieren können. Genau an dieser Stelle wollen wir künftig tätig werden. Wir müssen junge Unternehmen als 'Kurator' in unsere Lösungen integrieren und sicherstellen, dass wir sie weltweit unterstützen können. Ich glaube, das wird unserer Relevanz am Markt sehr zuträglich sein.
Klar ist aber: Wir können nicht jedes Start-Up kaufen. Dafür gibt es viel zu viele. Der wesentliche Vorteil der "Adoption" junger Unternehmen ist folgender: Sollte sich eines Tages herausstellen, dass die Lösung eines anderen Unternehmens viel attraktiver für unsere Kunden ist, sind wir nicht an eine Firma gebunden, weil wir 200 oder 300 Millionen dafür ausgegeben haben. Damit verfolgt HP Enterprise einen völlig neuen Ansatz, der auch einen großen Wandel der Unternehmenskultur mit sich bringt. Schließlich waren wir bisher in erster Linie gewohnt, nur das zu verkaufen, was uns auch gehört.
In der Vergangenheit war von HP-Entscheidern wie Mark Hurd oder Léo Apotheker immer wieder zu hören, HP müsse sich stärker in Richtung einer Software-Company entwickeln. Wie sieht ihre Strategie in Sachen Software aus?
Meg Whitman: Ich würde an dieser Stelle zwischen Anwendungs- und Systemsoftware unterscheiden. Wie Sie sicher wissen, waren wir, wenn es um Systemsoftware geht, schon immer gut am Markt vertreten, weil unsere Infrastruktur ohne diese Software nicht läuft. In diesem Bereich werden wir auch weiterhin führend sein.
Was den Markt für Application Software angeht: wir werden weiterhin in diesen Bereich investieren. Wenn es heißt, wir wären keine Software Company, muss ich ganz klar widersprechen. Unsere Softwareprodukte stehen für rund 3,8 Milliarden Dollar Umatz, was uns zur Nummer vier oder fünf in der Welt macht. Und denken Sie auch an Aruba, ebenfalls eine Software Company. Auch wenn ich sagen würde, dass es hier mehr um System-, denn um Anwendungssoftware geht.
Zäumen wir das Pferd doch einmal von hinten auf - was werden Sie nicht tun, wenn es um Software geht?
Meg Whitman: Nun, wir werden kein ERP anbieten. Wir werden weder Salesforce noch Workday noch eine ähnliche Firma kaufen. Wir werden uns auf die Geschäftsfelder Automation, Application Lifecycle Management, IT-Security und Big Data fokussieren - aber wir werden nicht ins ERP-Business einsteigen.
Ein Feld das derzeit klar im Trend liegt, ist Cognitive Computing. IBM pocht hierbei dank Watson auf seinen Führungsanspruch. Wie sieht die Strategie von HPE in diesem Bereich aus?
Meg Whitman: Beim Thema Cognitive Computing fällt mir als erstes Vertica ein. Zu den Kunden von Vertica gehören unter anderem Facebook, Uber und Airbnb. Was Vertica macht, ist Cognitive Computing: Maschinen- und User-Daten werden hier benutzt, um tiefere Einblicke in Markt und Kundenverhalten zu gewinnen.
Zudem betreiben wir in den Hewlett Packard Labs auch Forschungsarbeit in diesem Bereich. Wir machen also eine Menge interessante Dinge in diesem Bereich - wie auch IBM. Auch sie kaufen junge Unternehmen zu, zum Beispiel aus dem Healthcare-Bereich. Trotzdem: Ich würde unsere Lösungen Vertica oder auch Haven OnDemand jederzeit gegen solche mit Watson-Technologie antreten lassen. Bei vielen Kunden erweisen sich die Watson-Lösungen im Praxiseinsatz übrigens als weit weniger ihrer Zeit voraus, als es die Werbung Glauben macht.
Wenn es nach Ihnen geht - wie sollen die Menschen HP Enterprise wahrnehmen? Wie würden Sie die Rolle von Hewlett Packard Enterprise in einem Satz beschreiben?
Meg Whitman: HP Enterprise ist das Unternehmen, auf das Sie sich verlassen können, wenn es darum geht Ihre IT-Infrastruktur an den 'new style of IT' anzupassen.
Aus Arbeitnehmersicht gefragt: Wie haben Sie es nach der Teilung und dem massiven Stellenabbau geschafft, die Mitarbeiter von HP Enterprise moralisch aufzubauen und den Glauben an die eigene Innovationskraft aufrecht zu erhalten?
Meg Whitman: Zunächst einmal war es uns wichtig, unsere Ziele und Fokuspunkte klar zu kommunizieren. Unser Consumer-Business findet nun ausschließlich bei HP Inc. statt - wir sind also ein reines B2B-Unternehmen. Dann war es ebenso wichtig, ein Gefühl für Dringlichkeit zu vermitteln. Der IT-Markt ist geprägt von extrem starkem Wettbewerb. Deshalb können wir bei HPE keine Leute gebrauchen, die sich nicht voll und ganz mit der Company identifizieren und darüber hinaus nicht fähig sind, sich den rasanten Marktveränderungen anzupassen. Die Zukunft gehört heute denjenigen, die schnell sind. Wenn wir kein schneller und zuverlässiger Technologiepartner sind, haben wir schon verloren. Wenn wir es sind, haben wir ziemlich gute Aussichten darauf, zu den Siegern zu gehören. Es geht also um Agilität und natürlich darum, zu gewinnen. (fm/jm)
- HPE Discover 2015
Mehr als 10.000 IT-Experten besuchten die Hausmesse von HPE in London. - HPE Discover 2015
Ein klassisches Orchester stimmt die Besucher auf die General Session ein. - HPE Discover 2015
Meg Whitman begrüßt die Teilnehmer. - HPE Discover 2015
Die neue Synergy-Plattform wurde auf der Discover offiziell vorgestellt. - HPE Discover 2015
Open-Source-Anbieter waren stark vertreten, darunter etwa Docker oder Red Hat. - HPE Discover 2015
Impressionen von der HPE Discover 2015 - HPE Discover 2015
Impressionen von der HPE Discover 2015 - HPE Discover 2015
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