Ob die Geschäftsführer der Binary Services GmbH wohl darauf vorbereitet waren, welcher Sturm ihnen nach den zahlreichen Abmahnungen, die sie an vermeintliche Konkurrenten wegen fehlenden Facebook-Impressen geschickt haben, entgegen bläst? Vermutlich nicht. Insbesondere Rechtsanwalt Hans-Werner Kallert, laut Anwaltsauskunft.de spezialisiert auf Verkehrs- und Sozialrecht, muss sich nun mit den zahlreichen Abmahnopfern auseinandersetzen, die nicht bereit sind, klein bei zu geben: "Ich habe den Eindruck, als ob Rechtsanwalt Kallert nicht verstanden hat, welche rechtlichen Auswirkungen die hohe Zahl von Abmahnungen auf deren Zulässigkeit hat", erklärt Niklas Plutte, Rechtanwalt der auf IT-Recht und Medienrecht spezialisierten Kanzlei RES Media.
Plutte bestätigt, dass die Binary Services GmbH an die von ihm vertretenen Mandaten herangetreten ist. Man sei unter Umständen bereit, auf die Unterlassungs- und Zahlungsansprüche zu verzichten. Dafür sollen die Abgemahnten aber eine eidesstattliche Versicherung unterzeichen, nach der versichert würde, dass "wenigstens einen Tag vor dem Tag, an dem das Abmahnschreiben der Kanzlei HWK gefertigt wurde, auf der in der Abmahnung genannten Facebook-Seite bereits ein den Anforderungen des § 5 TMG entsprechendes Impressum vorhanden war". Plutte warnt eindringlich davor, diese Erklärung zu unterschreiben: "Ich kann die Unterzeichnung nicht empfehlen. In der vorgegebenen eidesstattlichen Versicherung werden Dinge vorausgesetzt, die die Abgemahnten gar nicht wissen können", betont der Rechtanwalt. Er weist darauf hin, dass sich die Betroffen dadurch unter Umständen sogar strafbar machen können. Damit werde versucht, die bisher zivilrechtliche Auseinandersetzung auf eine strafrechtliche Ebene zu verlagern.
Für Plutte zeigt dieses Angebot vielmehr, dass es der Gegenseite mit der versandten Abmahnung gar nicht ernst ist. "Gerade das Angebot der Gegenseite, auf die Unterlassungs- und Zahlungsansprüche zu verzichten, ist ein klares Indiz für die Rechtmissbräuchlichkeit der Abmahnungen, und damit aus meiner Sicht auch ein versuchter gewerbsmäßiger Betrug", konstatiert der Rechtsexperte.
In seinem Blog auf www.ra-plutte.de sammelt Niklas Plutte die Abmahnschreiben, auch von Betroffenen, die nicht zu seinen Mandanten zählen. Die Schreiben sind alle durch Internetmarken der Post AG frankiert. Die fortlaufenden Nummern im Hexidezimalen System könnten ein Indiz dafür sein, wie viele Abmahnungen Kallert tatsächlich verschickt hat. Pluttes Liste umfasst mittlerweile 85 Schreiben. Die höchste fortlaufende Nummer beträgt 1.120. Es könnten also über tausend Abmahnungen verschickt worden sein. "Ein Beweis ist das aber nicht", räumt Plutte ein. Daher sei es umso wichtiger für das weitere Vorgehen, dass die Liste weiter komplettiert wird, um sie "wasserdicht" zu machen. Er appelliert deshalb an weitere Betroffene oder deren Anwälte, ihm die entsprechenden Daten zur Verfügung zu stellen.
Sollten tatsächlich Abmahnungen in dieser großen Zahl verschickt worden sein, bedeutet dies für Binary Services ein erhebliches Prozesskostenrisiko. Dies könnte schnell die finanziellen Möglichkeiten des Regenstaufer Systemhauses übersteigen, ein Aspekt, den die Betroffenen bei einer rechtlichen Auseinandersetzung berücksichtigen sollten.
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