Dieser Beitrag ist erstmals im Internetangebot des "Handelsblatts" erschienen. Autor ist Jens-Uwe Meyer, Inhaber des Beratungsunternehmens Die Ideeologen – Gesellschaft für neue Ideen mbH in Baden-Baden und mehrfacher Buchautor.
"Ich bin doch nicht blöd!" Dieser Werbespruch hat sich tief in das Gedächtnis einer ganzen Käufergeneration gebrannt. Media Markt war einst als radikaler Innovator angetreten, um ein komplett neues Angebot zu schaffen: einen Supermarkt für Elektronik, den es so zuvor noch nicht gegeben hatte. Die Devise: Billig! Billig! Billig! Oder zumindest so tun.
Nun ist Media Markt zum Opfer seiner eigenen Werbephilosophie geworden: Nein, die Kunden sind nicht blöd. Sie vergleichen. Und plötzlich bekommt das Unternehmen mit voller Wucht das zu spüren, was es jahrelang ignorieren konnte: die Macht des Internets.
Solange Kunden zwar woanders online bestellen konnten, jedoch der Prozess des Preisvergleichs aufwendig und kompliziert war, konnte Media Markt das Internet noch halbwegs ignorieren. Doch spätestens seit dem Smartphone-Boom, seitdem jeder Konsument die Konkurrenzangebote sozusagen in der Hosentasche hat, sitzt Media Markt in einer selbst gebauten Falle: Genau die Zielgruppe, die das Unternehmen jahrelang adressierte – die Schnäppchenjäger, die Geizhälse und die Billigheimer –, sind dem Unternehmen nicht treu.
Sobald es ein Produkt woanders billiger gibt, wechseln sie. Media Markt ist mit seinen Kunden in den vergangenen Jahre keine Ehe eingegangen, sondern hatte nur eine gelegentliche Affäre.
Mit dem neuen Online-Shop, der am 16. Januar freigeschaltet wurde, ist das Unternehmen da angekommen, wo kleinere Unternehmen bereits seit fünf bis zehn Jahren sind: Kunden können auch online etwas kaufen. Doch dieses "neue" Angebot ist alles andere als eine radikale Innovation. Eigentlich ist der Online-Shop es nicht einmal wert, eine Innovation genannt zu werden.
Während Konkurrenten wie Amazon seit 17 Jahren systematisch das Kaufverhalten ihrer Kunden auswerten, personalisierte Angebote erstellen und so die Möglichkeiten der personalisierten Ansprache voll nutzen, verkauft Media Markt weiterhin Massenware. Während andere Unternehmen bereits hochintelligente Apps mit GPS-Standorterkennung, Barcodescannern, Kundenbewertungen, Ein-Klick-Einkaufsmöglichkeit oder Anbindungen zu Applikationen wie Facebook oder Twitter haben, ist beispielsweise die iPhone-App von Media Markt bis heute nicht mehr als ein primitiver digitaler Katalog.
Auf der nächsten Seite: Schaut man hinter die Media-Markt-Kulissen, sieht man die Realität.
- Auffallen um jeden Preis
<br>Was zahlen Hersteller an Media Markt, damit ihre Produkte und Logos so platziert werden, dass es den Kunden auffällt? Die Zahlen auf den folgenden Bildern stammen von der "Wirtschaftswoche". - Bis zu 60.000 Euro
<br>Bei TV-Geräten der jüngsten Generation zahlen Hersteller bis zu 60.000 Euro dafür, dass Media Markt sie ins Sortiment aufnimmt und ihnen prominente Plätze in den Regalen einräumt. - Bis zu 5.000 Euro
<br>Um an den Wänden die eigenen Logos anbringen zu dürfen, zahlen Unternehmen bis zu 5.000 Euro pro Fläche an den Media Markt. - Bis zu 40.000 Euro
<br>Wer seine Ware auf Palettenplätzen an von Kunden stark frequentierten Durchgängen positionieren will, muss dem Media Markt bis zu 40.000 Euro zahlen. - Bis zu 20.000 Euro
<br>Wenn Trittspuren auf dem Fußboden die Kunden zu einem bestimmten Produkt im Media Markt leiten sollen, ist das den Herstellen bis zu 20.000 Euro wert.