Refurbed-CEO Peter Windischhofer im Gespräch

„Wir wollen das Amazon der Kreislaufwirtschaft werden“



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Mit seinem Plattformmodell hat sich Refurbed eine Führungsrolle auf dem Markt für Gebrauchtelektronik erobert. Im Gespräch erklärt Co-Gründer und CEO Peter Windischhofer das Erfolgsmodell des Unternehmens und welche ambitionierten Ziele Refurbed als nächstes ansteuert.
Der 34-jährige Peter Windischhofer ist als CEO in der Refurbed-Geschäftsführung für für die Bereiche Produkt und Analytics zuständig
Der 34-jährige Peter Windischhofer ist als CEO in der Refurbed-Geschäftsführung für für die Bereiche Produkt und Analytics zuständig
Foto: Refurbed

Mit seiner Mischung aus nachhaltigen Gebrauchtgeräten und dem modernen, nutzerfreundlichen Plattformmodell hat Refurbed seine Position im Online-Elektronikhandel in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Insofern könnte man auch die Standortwahl des 2017 gegründeten E-Commerce-Unternehmens als sinnbildlich betrachten: In der österreichischen Hauptstadt Wien befindet sich das Headquarter von Refurbed unweit des historischen Praterriesenrads in dem 2019 eröffneten, nach ökologischen und nachhaltigen Kriterien auf einem ehemaligen Bahnhofsgelände errichten Büroviertel Austria Campus. Hier hat Refurbed auf 1.800 Quadratmetern eine großzügige Basis für seine rund 300 Mitarbeiter starke, nach dem Prinzip Remote-first organisierte Belegschaft geschaffen, die auch die Ambitionen des Plattformunternehmens verdeutlicht.

"Wir wollen das Amazon der Kreislaufwirtschaft werden", fasst Co-Gründer und CEO Peter Windischhofer im Gespräch die Zielsetzung von Refurbed zusammen. Der frühere McKinsey-Berater hat das Unternehmen vor sieben Jahren zusammen mit dem ehemalige Amazon-Mitarbeiter Kilian Kaminski und dem ebenfalls zuvor in der Beratung tätigen Jürgen Riedl gegründet. Anders als Refurbished-Pioniere wie Rebuy oder Asgoodasnew setzt Refurbed auf ein reines Plattformmodell und fokussiert sich dabei nicht nur auf Smartphones und IT-Geräte, sondern hat inzwischen auch Haushalts- und Küchengeräte, Gartenmaschinen und Sportartikel im Angebot. Basierend auf der Mitte 2023 veröffentlichten Meldung, wonach Refurbed seit der Gründung einen Gesamtaußenumsatz von einer Milliarde Euro erreicht habe, lässt sich ein aktuelles Umsatzvolumen von gut einer halben Milliarde Euro extrapolieren. In absoluten Zahlen dürfte das vor allem auf Deutschland und Österreich sowie fünf weitere EU-Länder fokussierte Refurbed damit an zweiter Stelle hinter der in 14 Ländern vertreten französischen Refurbished-Plattform Back Market liegen. "In den Märkten, in denen wir aktiv sind, sind wir der größte Anbieter", erklärt Windischhofer jedoch selbstbewusst.

Refurbed hat seinen Hauptsitz in Wien im modernen Büroviertel Austria Campus unweit des Wiener Prater
Refurbed hat seinen Hauptsitz in Wien im modernen Büroviertel Austria Campus unweit des Wiener Prater
Foto: Austria Campus

Selbstentwickelte Algorithmen als Erfolgsgrundlage

Als Alleinstellungsmerkmal seines Unternehmens betrachtet der Co-Gründer von Refurbed die konsequente Ausrichtung auf Qualität und Plattformmechanismen - sowohl endkundenseitig wie auch gegenüber den mehr als 300 angeschlossenen Händlern. Wer als Endkunde auf Refurbed ein Gerät sucht, muss sich nicht selbst durch eine unübersichtliche Vielfalt von Angeboten quälen, sondern bekommt einfach den am besten seinen Anforderungen entsprechenden Artikel vorgeschlagen. "Die dahinterstehenden Algorithmen sind das Kernstück unserer Plattform und wurden komplett von uns selbst erstellt, genauso wie alle Bilder und Beschreibungen auf unseren Artikeldetailseiten", erklärt Peter Windischhofer das Konzept von Refurbed. Zudem könnten die Kunden der Plattform darauf vertrauen, ausschließlich Ware von Händlern zu bekommen, die strengen Qualitätskriterien genügen und ausschließlich aus Europa stammen. "In Europa werden jedes Jahr fast 200 Millionen Smartphones verkauft. Es gibt hier also genug Supply, so dass wir keinen Sinn darin sehen, global gehandelte Geräte auf unserer Plattform anzubieten", so der Refurbed-Chef zur Ausrichtung des Unternehmens, das sich in dieser Hinsicht auch vom Wettbewerber Back Market abhebt.

Die Refurbed-Gründer Peter Windischhofer, Jürgen Riedl und Kilian Kaminski
Die Refurbed-Gründer Peter Windischhofer, Jürgen Riedl und Kilian Kaminski
Foto: Refurbed

Das algorithmusbasierte Plattformmodell bestimmt auch das Händler-Interface von Refurbed. Die angeschlossenen Verkaufspartner können transparent sehen, nach welchen Kriterien ihre Artikel gelistet werden und welche Kennzahlen sie damit erzielen. Anders als zum Beispiel auf Amazon gibt es keine Möglichkeiten, sich mit Marketingausgaben Wettbewerbsvorteile zu verschaffen - für jeden Händler gelten die gleichen Verkaufsbedingungen und Provisionen. Um die Angebotsqualität möglichst hoch zu halten, erhalten die Verkaufspartner regelmäßige Reportings, in denen ihre Leistungswerte und mögliche To-do's transparent dargestellt werden. Weitere Aspekte, mit denen Refurbed bei den Refurbished-Händlern zu punkten versucht, sind die schnelle Auszahlung der Umsätze bereits ab einem Tag nach der jeweiligen Transaktion sowie der inhouse organisierte First und Second Level Partnersupport. Seit 2021 bietet Refurbed auch einen Ankaufservice für Gebrauchtgeräte, der nach einem ähnlichen Algorithmusmodell funktioniert wie der Warenverkauf, allerdings sind es hier die Händler, die das ihren Kaufanforderungen am besten entsprechende Kundenangebot angezeigt bekommen. Von einem Wettbewerb der Refurbished-Plattformen um die Händler möchte Peter Windischhofer nur bedingt sprechen: "Wir könnten auch noch mehr Partner haben, doch wichtiger ist uns die hohe Qualität der Anbieter auf unserer Plattform."

Der Refurbed-CEO sieht weiter gute Wachstumspotenziale

Weitere Impulse für das Wachstum von Refurbed sieht der Unternehmensmitgründer deshalb weniger in einer Vergrößerung der Partnerbasis als in der Ausweitung des Sortiments und im generellen Consumer-Trend zu nachhaltigen Angeboten. "Wir sehen, dass auch Artikel wie Haushaltsgeräte, Elektrogroßgeräte, Gartengeräte, hochwertige Gesundheits- und Beautyprodukte sowie Sportartikel wie E-Bikes, Ski oder Snowboards bei uns sehr gut funktionieren. Auch wenn der Lebenszyklus vielleicht ein anderer ist als bei Smartphones, sind das doch alles Produkte, bei denen es Sinn macht, sie wiederaufzubereiten und wo eine entsprechende Konsumentennachfrage besteht", sagt Windischhofer. Der für die Bereiche Produkt und Analytics zuständige Geschäftsführer sieht deshalb gute Chancen, dass sich Refurbed über die Kernbereiche Smartphones und IT hinaus dauerhaft erfolgreich zu einer Multi-Category-Plattform entwickeln kann: "Es ist nicht so, dass Refurbished nur ein Thema für junge Menschen oder die GenZ ist. Unser durchschnittlicher Kunde ist 40 Jahre alt und kauft bei uns Produkte für die ganze Familie. Dabei gibt nicht nur ein Argument den Ausschlag, sondern es ist meist eine Mischung aus den Aspekten Preisersparnis, Nachhaltigkeit und einer guten Einkaufserfahrung."

Rund die Hälfte des 300 Mitarbeiter starkenTeams von Refurbed ist in Wien angesiedelt
Rund die Hälfte des 300 Mitarbeiter starkenTeams von Refurbed ist in Wien angesiedelt
Foto: Refurbed

Neben der weiterhin zunehmenden Kundennachfrage beobachtet Peter Windischhofer auch von Seiten der Industrie und der Hersteller Rückenwind für das Refurbished-Geschäftsmodell. Dazu zählt das seit 2. Mai 2024 geltende, von der EU auf den Weg gebrachte Recht auf Reparatur: "Das stärkt zum einen den gesellschaftlichen Mindshift in Richtung der Wiederverwertbarkeit von Produkten. Und zum anderen werden die Hersteller so gezwungen, ihre Waren leichter reparierbar zu machen." Einen zusätzlichen Wettbewerb durch von der Industrie selbst in Umlauf gebrachte Secondhand-Geräte befürchtet der Refurbed-CEO nicht, da die Hersteller aus Angst davor, Neuprodukte zu kannibalisieren, dieses Geschäft lieber den Refurbished-Anbietern überließen. Kritisch sieht er dagegen marktschädigende Bestrebungen wie zuletzt von Apple, das seine Vertragspartner verpflichte, zurückgenommene Produkte zu vernichten. "Es gibt mittlerweile eine eindeutige, wissenschaftliche Datenlage, die zeigt, dass der Bärenanteil des CO2-Ausstoßes und der benötigten Wasserressourcen in der Neuproduktion von Smartphones entstehen. Dementsprechend ist jede Art der Vernichtung von funktionierenden Produkten für unsere Umwelt schlechter, als diese Geräte zu reparieren, zu refurbishen und in einen weiteren Produktlebenszyklus zu überführen."

In klassischer Start-up-Manier darf auch im Büro von Refurbed ein Kicker nicht fehlen - in Österreich heißt das Tischfußballgerät allerdings "Wuzzler"
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Foto: Refurbed
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