"Die Digitalisierung schafft auch neue Arbeitsplätze"
Wenn über die Situation der deutschen Wirtschaft gesprochen wird und über ihre vermeintlich geringe Bereitschaft, sich mit Digitalisierung zu beschäftigen, dann fehlt fast immer konkretes Zahlenmaterial, wie es in anderen Ländern aussieht. Man fragt sich, auf Basis welcher Fakten manche Kritik zustande kommt.
Frese: Da ist so manches Mal sicher auch viel Bauchgefühl dabei. Gewiss gibt es etwa beim Bitkom Vergleichszahlen, wie sich Deutschland im europäischen Vergleich aufstellt. Da kann man sehen, dass Deutschland sich entwickelt, die Rahmenbedingungen auch immer günstiger werden und Unternehmen auch immer mehr bereit sind, in die Digitalisierung zu investieren.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor zwei Jahren vielleicht etwas humorvoll angemerkt, man könne doch die CeBIT und die Hannover Messe wieder zusammenlegen. Tatsächlich lässt sich feststellen, dass die Ausstellungsstücke auf der Industriemesse immer mehr IT enthalten und dort ebenfalls gezeigt wird, was man mit Digitalisierung der Geschäftswelt und Internet of Things beschreibt.
Frese: Die Frage stellt sich nicht – gleich aus mehreren Gründen. Erstens reicht die Messefläche in Hannover – obwohl die weltweit größte – nicht aus, um diese zwei internationalen Leitmessen parallel auszurichten. Zweitens: Die Kollegen der Hannover Messe richten ihre Veranstaltung konsequent auf das Thema Industrie 4.0 aus. Da geht es also um die intelligente industrielle Fertigung, bei der etwa das Werkstück mit der Maschine kommuniziert. Drittens: Die CeBIT bildet das Internet der Dinge ab - und das ist viel mehr als die industrielle Fertigung. Während also etwa bei der Hannover Messe die intelligente Produktion des Autos im Vordergrund steht, geht es auf der CeBIT um die Intelligenz im Auto – mit all seinen Sensoren, den daraus erwachsenden Datenanalysen, der Kommunikation mit anderen intelligenten Systemen – und die Geschäftsmodelle, die dadurch möglich werden. Viertens: Es würde ein inhaltlicher Mischmasch herauskommen, der niemandem helfen würde. Sie sehen also: Diese Frage stellt sich überhaupt nicht.
Das Marktforschungsunternehmen Gartner geht davon aus, dass durch die Digitalisierung in den kommenden Jahren massiv Arbeitsplätze verloren gehen werden. Der Buchautor Andrew Keen hat dieses Menetekel in seinem Buch "Das digitale Debakel" an vielen Beispielen beschrieben. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman stößt ins gleiche Horn. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Frese: Ich sehe das nicht pessimistisch. Selbstverständlich wird die Digitalisierung Branchen verändern, das sehen wir ja schon seit 20 Jahren. Der Finanzbereich etwa hat sich erheblich verändert, er geht weg vom Filialgeschäft und hin zum Online-Banking. Die Musik- und Verlagswelten haben sich verändert. Und so werden sich auch andere Branchen verändern. Das wird dazu führen, dass der eine oder andere Arbeitsplatz in der heutigen Form nicht mehr existieren wird. Aber die Digitalisierung schafft im Gegenzug auch neue Arbeitsplätze mit veränderten Anforderungen. Das ist die Chance, die die Digitalisierung in sich birgt. Es ist auch müßig, über das Gestern zu diskutieren. Denn der Weg führt nun mal in eine digitalisierte Welt. Unternehmen müssen sich dem stellen. Ich persönlich sehe große Chancen für neue, qualifizierte Arbeitsplätze durch die Digitalisierung.