Entsprechend der Treuepflicht des Arbeitnehmers besteht für den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Dabei ist der Arbeitgeber verpflichtet, sich so zu verhalten und die Interessen der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Interessen des Betriebs und anderer Arbeitnehmer so wahrzunehmen, wie dies nach dem Grundsatz von Treu und Glauben billig erscheint.
Je nach Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer, Dauer der Betriebszugehörigkeit oder Vertrauensstellung ist von einer gesteigerten Fürsorgepflicht auszugehen. Die Fürsorgepflicht betrifft bereits die Phase der Arbeitsvertragsverhandlungen z.B. hinsichtlich der Aufklärungspflicht über die zu erwartenden Verhältnisse bzw. Ersatz für Bewerbungskosten bei Einladung zu persönlicher Vorstellung und besteht auch für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter z.B. bzgl. sozialversicherungsrechtlicher Aufklärung, Freizeit für Stellensuche (§ 629 BGB), Auskunft über ehemaligen Arbeitnehmer, Erteilung von Arbeitspapieren sowie Zeugnis (§ 630 BGB bzw. § 109 GewO). Zur Übernahme aus dem Ausbildungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis verpflichtet die Fürsorgepflicht nicht.
Die Schutzpflichten im Einzelnen – § 618 BGB
Aufgrund der in § 618 BGB für Gesundheit und Leben der Arbeitnehmer konkretisierten Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber vermeidbare Schäden für die Arbeitnehmer abzuwehren. Der Arbeitnehmer ist vor Gefahren gegen sein Leben und seine Gesundheit zu schützen. Dabei müssen auch öffentlich-rechtliche Vorgaben beachtet werden wie sie etwa durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG), die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und den Regelwerken der Berufsgenossenschaften vorgegeben werden. Dazu gehört etwa, dass sich die Arbeitnehmer regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen lassen können und dass sie Unterweisungen in den Bereichen Sicherheit und gesundheitsschutz bei der Arbeit erhalten.
Beispiel: Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz
Da nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen feststeht, dass Passivrauchen als krebserzeugend und damit als konkrete Gesundheitsgefahr zu werten ist, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der nichtrauchende Arbeitnehmer zumindest nicht mehr als kurzfristig oder höchstens geringfügig vorhandenem Tabakrauch am Arbeitsplatz ausgesetzt ist. Ob der Arbeitgeber dieser Verpflichtung mittels Verhängung eines Rauchverbots unter Einrichtung von Pausenräumen für Raucher oder anders z.B. durch räumliche Trennung nachkommt, also in welcher Weise er vor der Gesundheitsgefahr des Passivrauchens schützt, bleibt grundsätzlich dem Arbeitgeber überlassen. Die Art der Schutzmaßnahme ist grundsätzlich nicht vom Arbeitnehmer zu bestimmen und einzufordern.
Ein nicht willkürlich bzw. unverhältnismäßig das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers beschneidendes, sondern gerechtfertigtes Rauchverbot kann der Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts verhängen. So wurde z.B. auch eine Betriebsvereinbarung als wirksam gewertet, die ein generelles Rauchverbot erlassen hat in einem Unternehmen der Elektroindustrie bei Ermöglichung des Rauchens auf dem Freigelände in einem begrenzten Bereich mit einem bedachten Unterstand durch Urteil des BAG vom 19.01.99 (GZ: 1 AZR 499/98).
Arbeitsschutz und weitere geltende Regelungen
Der Arbeitgeber ist nach § 618 I BGB hinsichtlich Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsregelung dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer nach Möglichkeit vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen. Zum geschützten Arbeitsplatz i.S.d. § 618 I BGB gehören neben dem eigentlichen Arbeitsraum sämtliche Räume und Flächen des Betriebsgeländes, die der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seiner Arbeitsleistung befugtermaßen aufsucht (z.B. auch Treppen und Zugänge).
Neben den aus der allgemeinen Fürsorgepflicht oder § 618 BGB ableitbaren Schutzpflichten gibt es gesetzliche Regelungen zum technischen und sozialen Schutz wie das ArbeitsschutzG, das ArbeitssicherheitsG, das JugendarbeitsschutzG, das MutterschutzG, das BeschäftigtenschutzG oder das ArbeitszeitG. Insbesondere sind die Unfallverhütungsvorschriften des Unfallversicherungsträgers nach §§ 15, 21 SGB VII vom Unternehmer durchzuführen.
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Konsequenzen bei einer Verletzung der Fürsorgepflicht
Sofern ein Arbeitgeber die gebotene Fürsorgepflicht nicht einhält, kann es durchaus zu Konsequenzen kommen. So könnte ein Arbeitnehmer die Arbeit verweigern oder seinen Arbeitsvertrag außerordentlich fristlos kündigen. Vorher sollte es jedoch zu Abmahnungen durch den Arbeitnehmer gekommen sein. Außerdem müssen die Maßnahmen verhältnismäßig bleiben. Nur wegen einem nicht ergonomisch eingestellten Stuhl wird kein Arbeitnehmer der Arbeit fernbleiben dürfen. Wie auch immer, ein Arbeitgeber kann sich nach § 619 BGB nicht von seiner Fürsorgepflicht befreien. Er darf sie auch nicht einschränken. Sofern es aufgrund einer Verletzung der Fürsorgepflicht zu einem Unfall kommt, besteht ein Anspruch auf einen Ersatz des Personenschadens.
Fürsorgepflichten in Kanzleien
Für Kanzleien als Mitgliedsunternehmen der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft ist gemäß der Unfallverhütungsvorschrift zur Durchführung des Arbeitssicherheitsgesetzes BGV A 6 eine sicherheitstechnische sowie gemäß BGV A 7 eine betriebsärztliche Betreuung sicherzustellen:
Hiernach muss jeder Arbeitgeber, der zumindest einen Arbeitnehmer beschäftigt, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit bzw. einen Betriebsarzt bestellen. Die jährliche Einsatzzeit beträgt mindestens zwei Stunden für die sicherheitstechnische Betreuung bzw. 80 Minuten für die betriebsärztliche Betreuung und ist im Übrigen gestaffelt nach Multiplikationsfaktoren pro Arbeitnehmer.
Bei Kanzleien bis zu zehn Arbeitnehmern reicht eine Grundbetreuung aus. Diese Betriebe haben nach einer Grundbetreuung innerhalb von drei Jahren nur in Ausnahmefällen wie Umbau, Umrüstung, Arbeitsunfällen etc. vor Ablauf von weiteren sechs Jahren eine erneute Grundbetreuung durchzuführen. Bei Kanzleien mit mehr als zehn Arbeitnehmern ist eine jährliche Regelbetreuung nötig.
Unternehmermodell, Belästigung, Mobbing
Bei Kanzleien mit weniger als 100 Arbeitnehmern kann gemäß § 2 III BGV A 6 im Einvernehmen mit der Verwaltungsberufsgenossenschaft hinsichtlich der sicherheitstechnischen Betreuung statt der Regelbetreuung durch eine bestellte Fachkraft für Arbeitssicherheit ein sogenanntes Unternehmermodell gewählt werden und von der Bestellung einer Sicherheitsfachkraft abgesehen werden. Stattdessen reichen eine Unternehmerschulung und der Nachweis einer externen bedarfsgerechten Beratung aus. Die Durchführung der BGV A 6 und A 7 kann sowohl durch überbetriebliche Dienste der Berufsgenossenschaft als auch durch geeignete Fachkräfte des privaten Marktes wahrgenommen werden.
- 1. Keine offene Kommunikation
Es wird zu wenig miteinander geredet. Führungskräfte schieben als Grund oft das Tagesgeschäft und mangelnde Zeit vor. In der Realität ist jedoch oft Unbehagen oder der Mangel an Know-how bezüglich angemessener Gesprächsführung der wahre Grund. - 2. Druck wird an Mitarbeiter weitergeleitet
Der aufgrund der anspruchsvollen Wettbewerbsbedingungen entstehende Druck schlägt ungefiltert auf die Mitarbeiter durch. Anstatt miteinander an Lösungen zu arbeiten, wird gegeneinander gearbeitet. Das fordert von allen Beteiligten sehr viel Kraft. Angemessen ist es, ressourcenschonend mit den Herausforderungen umgehen zu lernen. - 3. Zu wenig Interesse am Menschen
Führungskräfte haben meist sehr wirksame Erfolgsstrategien, die in der Zusammenarbeit mit Menschen oft nicht funktionieren. Sie sind häufig der Auffassung, alles alleine schaffen zu können. Spannungen und nichtkonstruktives Miteinander sind vorprogrammiert. Hieraus können permanente Überlastungsgefühle sowie Unzufriedenheit auf beiden Seiten resultieren, die zu Gesundheitsproblemen und möglicherweise zu innerer Kündigung führen können. Daraus resultierende wirtschaftliche Probleme sind nicht zu unterschätzen. - 4. Nicht offen für Ideen und Optimierungsvorschläge
Wenn Mitarbeiter regelmäßig auf taube Ohren stoßen, machen sie irgendwann zu und bringen sich nicht mehr ein. Resignation und innere Kündigung ist die Folge. - 5. Zu wenig Anerkennung
Regelmäßiges Lob fehlt. Vor allem Leistungsträger sehen keinen Sinn für ihre Anstrengungen, wenn ihre Leistung nicht wertgeschätzt wird. - 6. Meinung wird nicht gehört
Viele Mitarbeiter sind der Auffassung, ihre Meinungen hätten kein Gewicht. Häufig ist mangelnde Wertschätzung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter der Grund. - 7. Kein konstruktives Feedback
Jeder Beschäftigte will einen guten Job machen. Hierfür jedoch benötigt er den Vorgesetzten zur Standortbestimmung. Die dafür auch erforderliche konstruktive Kritik scheut der Vorgesetzte aber zumeist. - 8. Zu wenig Zeit für Mitarbeiter
Da Führungskräfte zu sehr mit ihren eigenen Themen und Arbeitsaufgaben beschäftigt sind, bekommen Mitarbeiter viel zu wenig Rückmeldung zu ihrer eigenen Arbeit. - 9. Persönliche Entwicklung wird nicht gefördert
Wenn sich niemand für den Menschen interessiert und dem Mitarbeiter keine persönlichen Entwicklungsziele in Aussicht gestellt werden, wird der Mensch unzufrieden. Die Folge: Er sucht nach einem passenden Job in einem anderen Unternehmen oder resigniert. Gezielte Förderung vermindert Abwanderungstendenzen erheblich. - 10. Die Aufgabe passt nicht zur Person
Menschen erzielen dann Höchstleistungen, wenn sie das machen können, was ihnen Freude macht. Das Unternehmen muss ein Umfeld aktiv bereit stellen, damit sich die Mitarbeiter entfalten und wohl fühlen können. Auch müssen die Erwartungen an den Mitarbeiter jeder Zeit klar sein.
Seit 21.8.1996 ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) in Kraft, das die EG-Richtlinie 89/391 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer und die EG-Richtlinie 91/383 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis umsetzt.
Nach § 4 ArbSchG hat der Arbeitgeber die Arbeit so zu gestalten, dass Gefahren für Leben und Gesundheit möglichst vermieden werden, hat der Arbeitgeber Gefahren an ihrer Quelle zu bekämpfen, sind bei den Maßnahmen der Stand der Technik bzw. der Arbeitsmedizin und Hygiene zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber, sein Vertreter oder z.B. "Personen, die mit der Leitung eines Unternehmens oder eines Betriebes beauftragt sind, im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse" haben gemäß § 12 ArbSchG die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen.
Belästigung
Über das am 24.06.1994 erlassene BeschäftigtenschutzG begründet nunmehr gemäß § 2 III BeschäftigtenschutzG eine als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung definierte sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz Abmahnungen bzw. auch Kündigungen. Nach § 4 II BeschäftigtenschutzG kann der bzw. die betroffene Arbeitnehmer/in sogar die Arbeitsleistung einstellen, wenn der Arbeitgeber nicht gehörig auf entsprechende Beschwerden reagiert wie z.B. durch entsprechende Abmahnung, Umsetzung oder Kündigung.
Mobbing am Arbeitsplatz
Bei Mobbing müsste sich zwar der Arbeitgeber aufgrund seiner allgemeinen Fürsorgepflicht schützend vor den betroffenen ausgegrenzten, diskriminierten Arbeitnehmer stellen, bzw. wäre eine Kündigung des Mobbing betreibenden Arbeitnehmers in Betracht zu ziehen. Jedoch treten regelmäßig in den Fällen des Mobbing Beweisprobleme auf.
Psychische Erkrankungen: Depressionen und Burnout
Psychische Erkrankungen wie Depression und Burnout treffen nicht selten auch leistungsstarke Mitarbeiter. Sowohl die Vorgesetzten aber auch die Kollegen sollten auf Hinweise achten. Dafür sind etwa regelmäßig durchgeführte Mitarbeitergespräche geeignet. Gegebenenfalls kann den betroffenen Arbeitnehmern Entlastung oder eine Verbesserung des betriebsklimas angeboten werden. Experten betonen jedoch, dass neben der menschlich-moralischen Verantwortung in einem solchen Fall auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gefragt ist. Statistisch ist etwa jeder fünfte Mensch mindestens einmal im Leben von einer Depression oder einem Burnout betroffen. Das bedeutet, dass mit entsprechenden Fällen in nahezu jedem Unternehmen zu rechnen ist. Nach $ 5 des Arbeitsschutzgesetzes sind Arbeitgeber verpflichtet, psychische Gefährungsbeurteilungen durchzuführen, da psychische Erkrankungen auch in Folge ungünstiger Arbeitsbedingungen auftreten können. Zuständig für die Durchführung dieser Maßnahmen sind die Landesbehörden für Arbeitssicherheit. Diese dürfen auch Pflichtverletzungen mit Bußgeldern ahnden.
Datenschutz
Über den Arbeitsschutz im engen Sinn hinausgehend dienen dem allgemeinen Persönlichkeitsschutz die Datenschutzvorschriften des BDSG und der DSGVO. Diese gelten nach § 1 II Nr. 3 BDSG auch für nicht-öffentliche Stellen bzw. Betriebe, soweit sie personenbezogene Daten in oder aus Dateien geschäftsmäßig oder für berufliche oder gewerbliche Zwecke verarbeiten oder nutzen. Die insoweit Beschäftigten sind nach § 5 BDSG auf das Datengeheimnis zu verpflichten, das auch nach Beendigung der Tätigkeiten weiterbesteht. Desweiteren sind die für den Datenschutz technisch und organisatorisch erforderlichen Maßnahmen gemäß § 9 BDSG zu treffen. In Betrieben mit mehr als 4 Arbeitnehmern, die personenbezogene Daten – wie in einer Kanzlei – automatisiert verarbeiten bzw. erheben oder nutzen, ist gemäß § 4 f I BDSG ein Beauftragter für Datenschutz zu bestellen. Darüber hinaus regelt auch die Datenschutz-Grundverordnung welche Daten des Arbeitnehmers der Arbeitgeber erfassen und speichern darf.
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Weitere Informationen zum Thema:
Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de
Christian Lentföhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Mitglied im VdAA, c/o W. Schuster und Partner GmbH, Schuster, Lentföhr & Zeh, Tel.: 0211 658810, E-Mail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.esp.de