Das Data Center der Zukunft darf keine Energie mehr für Kühlung und Klimatisierung verschwenden. Pioniere testen neue Konzepte und Techniken.
von Ariane Rüdiger, Computerwoche
Rund die Hälfte ihrer Energie vergeuden viele Rechenzentren mit der Klimatisierung und Temperierung. Unternehmen brauchen dazu eine Armada von Geräten: Ventilatoren, Pumpen, Kühltürme, Wasserkreisläufe, Kompressoren und so weiter. Das alles kostet – nicht nur beim Aufbau, sondern während des ganzen, möglichst langen Lebens eines RZ.
Den Vergleichsmaßstab für den Umgang mit der immer teurer werdenden Energie liefert die sogenannte Power Usage Effectiveness (PUE). Der Parameter kann Werte zwischen 1,0 und unendlich annehmen. Er setzt die vom Data Center insgesamt verbrauchte Energie zu der tatsächlich nur für die IT genutzten ins Verhältnis. PUE-Werte von über 2 sind keine Seltenheit. Das bedeutet im Klartext: Mehr Energie als fürs Rechnen oder Speichern wird dafür verwendet, das Rechenzentrum vor Überhitzung und Schäden durch zu große Trockenheit oder Feuchte zu schützen. So manchem IT-Verantwortlichen war das in der Vergangenheit egal; in Zeiten sich verknappender Energieressourcen klettert das Thema aber auf der Agenda weit nach oben. Das Ziel ist jetzt immer öfter ein niedrigerer PUE-Wert, möglichst nahe an 1.
Die gute Nachricht: Neue Rahmenbedingungen vereinfachen die Aufgabe. Die American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers (ASHRAE) gehört zu den Verbänden, die Maßstäbe und Standards für Gebäudetechnologie setzen. Die aktuellen Richtlinien des Verbandes für Rechenzentren aus dem Jahr 2008 haben die Spielregeln hier erheblich entschärft: Betriebsumgebungen dürfen nun wärmer, kälter, feuchter und trockener sein als zuvor, ohne dass die IT als gefährdet gilt. Das ermöglicht eine ganze Reihe neuer Technologien. Die Messlatte für ein renoviertes Datenzentrum ist heute ein PUE von 1,4, bei einem neuen RZ kann man Werte nur wenig über 1,0 erreichen. Aktuelle Neuigkeiten gab es diesbezüglich auf der „Datacenter 2011“ in Nizza, einer von der britischen BroadGroup veranstalteten Kongressmesse für die boomende Rechenzentrums-Branche.
ASHRAE-Empfehlungen für den RZ-Betrieb
Version 2004 |
Version 2008 |
|
Niedrigste Temperatur |
20°C |
18°C |
Höchste Temperatur |
25°C |
27°C |
Relative Luftfeuchtigkeit bei niedrigster Temperatur |
40% |
5.5°C Taupunkt |
Relative Luftfeuchtigkeit bei höchster Temperatur |
55% |
60% & 15°C Taupunkt |
IT-Auswahl bestimmt die Kühlleistung im RZ
Schon die Auswahl der geeigneten IT-Basistechnologien und die Auslastung bestimmen maßgeblich darüber mit, welche Kühlleistung erbracht werden muss. Wer beispielsweise seine Rechner schlecht auslastet oder längst nicht mehr benötigte Elemente einfach weiter laufen lässt, darf sich über hohen Kühlbedarf nicht wundern.
Auch die Wahl der richtigen Prozessortechnologie ist vorentscheidend. „Unternehmen wie das Startup Calxeda kommen mit vollkommen neuen Architekturen, die vier- bis sechs Mal so viel pro Watt leisten“, berichtet Beraterin Deborah Grove von Grove-Associates LLC. Calxeda packt mehr als 9000 Multicore-ARM-Prozessoren in einen Server-Schrank. Auch der Ersatz konventioneller Generatoren durch Brennstoffzellen, falls der Strom ausfällt, wirke energetische Wunder, die sich sofort im PUE niederschlügen, so die Expertin. Diesen Weg geht beispielsweise das Online-Auktionshaus E-Bay.
- Energie für ein RZ von einem Wasserkraftwerk
Strato holt sich den Strom für Rechenzentren aus dem Wasserkraftwerk Laufenburg. Foto: Strato - Grünes RZ von der Host Europe GmbH
Die Host Europe GmbH hat Ihr RZ konsequent nach grünen Richtlinien entworfen. Die Racks sind so ausgerichtet, dass die Server mit der jeweils zu kühlenden Seite in den Kaltgang zeigen. Im Hintergrund sieht man an der Decke zudem Kabelgänge. Im Doppelboden sollten nämlich keine Kabel den freien Fluss der kalten Luft behindern. Foto: Host Europe - Eingehauster Gang im Rechenzentrum
Um die Luftzirkulation in einem Rechenzentrum zu optimieren, kann man Racks mit Vorhängen (Butcher Curtains) einhausen. - Einkapselung von RZ-Gängen
Ganz konsequent regeln RZ-Betreiber die Luftströme, indem sie Kaltgänge oben sowie vorne und hinten abschotten. So zirkuliert die Luft nur an den Systemen entlang und im Gang und nicht im gesamten Rechenzentrum. Foto: Knürr AG - Foto mit einer Wärmebildkamera
Wer ganz konsequent die Temperaturverhältnisse in seinem RZ diagnostizieren will, macht Fotos mit der Wärmebildkamera. Das Beispiel hier zeigt einen Kaltgang, bei dem die kalte Luft aus dem Unterboden (in blau) an den Systemen hoch strömt. Nebenerkenntnis: Die unten angeordneten Server werden besser gekühlt. Grafik: Knürr AG - Einkapselung von Kaltgängen
So strömt die kalte Luft in einem eingekapselten Kaltgang. Knürr realisiert solche optimierten Steuerungen der Liftzirkulation mit seiner Coolflex-Technik. Grafik: Knürr AG - Luftzirkulation ohne Einkapselung
Und so zirkuliert kalte und warme Luft in einem RZ nicht besonders energieeffizient. Grafik: Knürr AG - Schematische Darstellung von Kalt- und Warmgängen
In Kaltgängen und Warmgängen sind Server so ausgerichtet, dass zu beiden Seiten eines Ganges entweder nur kalte Luft auf die zu kühlenden Systeme bläst oder diese ihre warme Abluft in den Gang abgeben. Grafik: Host Europe - Kühlgeräte im Rechenzentrum von Host Europe
Kühlgeräte (hier rechts) sollten zwei Funktionen gut koordinieren: die eigentliche Kühlung und die Be- oder Entfeuchtung eines RZs. Foto: Host Europe - Vorbildliche Verkabelung
Kleinigkeiten, die sehr wichtig sind: Wer seine Kabel kreuz und quer in RZ-Schränken oder in den Unterboden stopft, behindert die freie Strömung der kalten Luft. Im RZ der Rehau AG ist die Verkabelung beispielhaft realisiert. Foto: Rehau AG - Rückkühler zur Wärmeabfuhr
Rückkühler (vorzugsweise auf Dächern platziert) entziehen Racks die Wärme und müssen über Kondensatoren abgeführt werden.
Lesen Sie mehr zum Thema Data Center und Kühlung
Facebook legt sein Data Center offen