Software-Entwicklung wird billiger
Seine Freude ist absolut nachvollziehbar: Bisher musste bereits in der Entwicklung von Applikationen und Services die Voraussetzung für Skalierung und Load-Balancing geschaffen werden. Das bringt für jede Applikation einen enormen Entwicklungsaufwand mit sich. "Wenn ich eine Software schreibe, die gleichzeitig von 100 000 Benutzern und mehr genutzt werden kann, dann muss ich das architektonisch berücksichtigen." Da sich dieser Aufwand aber für sehr viele Kundenprojekte nicht rechne, sei bei den meisten Applikationen mit Erreichen einer bestimmten Nutzerzahl Schluss. "Ist diese Grenze überschritten, kann ich die Software eigentlich oft wegschmeißen und neu schreiben", so Höppner weiter.
In Azure ließe sich die Zahl der Nutzer dank des selbst skalierenden Table-Storage und dem Zu- und Abschalten zusätzlicher CPUs mit sehr vertretbarem Aufwand erhöhen. Auf diese Weise kann es sich für ISVs lohnen, Applikationen, die sie für einen Kunden geschrieben haben, als Service in die Cloud zu stellen. Der Aufwand ist so überschaubar, dass sich schon bei relativ wenigen zusätzlichen Nutzern die Gewinnschwelle erreichen lässt.
Kann ein ISV den Aufwand für einen Service oder eine Applikation auf mehrere Kunden verteilen, dürfte er diese Kostenvorteile zumindest teilweise an seine Kunden weitergeben. Mit solchen multimandantenfähigen Services kommen auch Unternehmen in den Genuss von hochwertigen, global verfügbaren Dienstleistungen, die sie sich bis dato nicht leisten können.
Mit Azure Platform gelangen auch flexiblere Abrechnungsmodelle wie Software as a Service (SaaS) in die Reichweite von kleineren und mittelgroßen Systemhäusern. Eine Lohnbuchhaltung pro Buchung und Mandant abzurechnen ist bisher für die meisten ISVs viel zu aufwendig. Mit Azure wird das möglich. Damit wird auch die Aussage von Microsoft-Chef Steve Ballmer verständlich, der Azure Platform häufig als "Monetarisierungsplattform" bezeichnet.
Beispiel Video-Portal
Dass Web-Applikationen robuste Skalierungsmöglichkeiten benötigen, liegt auf der Hand, aber auch Enterprise-Services profitieren davon. Höppner zitiert als Beispiel das Video-Portal eines großen Unternehmens. Normalerweise sei die Nutzung solcher Portale recht überschaubar, aber wenn wichtige Botschaften des Top-Managements verbreitet würden, steige die Nutzerzahl plötzlich rapide an. "Wenn das Video des Vorstandschefs weltweit an mehrere 100 000 Mitarbeiter gleichzeitig gestreamt werden soll, kann die normale Infrastruktur eines solchen Konzerns das vielleicht nicht mehr stemmen", erläutert der Cloud-Kenner.
"Über die Geo-Location-Funktionalität von Azure können solche Videos und die dazugehörige Applikation nah an den Standort der jeweiligen Niederlassung gebracht werden, sodass sich Nutzer nicht über eine eventuell zu enge Leitung in Deutschland einwählen müssen." Für die paar Mal im Jahr, wenn eine so große Kapazität gebraucht werde, lasse sich diese über Azure buchen und nur bezahlen, wenn das Unternehmen sie wirklich nutze.
Der viel zitierte löchrige Datenschutz in der Cloud stellt laut Höppner für ISVs keinen Grund dar, nicht in der Cloud tätig zu werden. Beispiel Lohnbuchhaltung: Systemhäuser, die eine solche Applikation nicht beim Kunden selbst betreiben, sondern in einem anderen Rechenzentrum hosten, hätten ohnehin "die Verpflichtung die Daten so abzusichern und zu verschlüsseln, dass sie nicht von unberechtigten Dritten eingesehen werden können. Dieses Prinzip gilt auch in der Cloud. Die Daten werden verschlüsselt gespeichert.
ISVs wissen, wie sie die Daten ihrer Kunden schützen, und entwickeln die Lösungen entsprechend." Der Maßgabe, personenbezogene Daten nicht außerhalb Europas zu speichern, werde Azure durch die zwei Rechenzentren in Dublin und Amsterdam gerecht. Das Argument, die automatische Replikation der Daten in Azure heble dieses Prinzip aus, verweist Höppner ins Reich der Fabel: " Die Replikation findet immer im gleichen Rechenzentrum statt. Das Feature der Geo-Replikation gibt es bei Azure bisher nicht." Weil es damit sehr viel leichter wäre, Disaster-Recovery-Dienstleistungen anzubieten, bedauert Höppner das Fehlen dieser Funktion. (rw)