Absenkung der Beteiligungsquote bei der Besteuerung privater Veräußerungen von Kapitalanteilen teilweise verfassungswidrig
Die Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft unterlagen nach der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Rechtslage als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer, wenn der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung - das heißt zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb dieses Zeitraums - zu mehr als 25 % beteiligt war. Nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 wurde die Beteiligungsgrenze durch das am 31. März 1999 verkündete Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 auf 10 % gesenkt (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG). Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG galt die Neuregelung ab dem Veranlagungszeitraum 1999, bezog aber - rückwirkend - auch Beteiligungsverhältnisse ein, die bereits vor ihrer Verkündung begründet worden waren.
Die Beschwerdeführer hielten jeweils Beteiligungen an einer GmbH unterhalb der alten, aber oberhalb der neuen Wesentlichkeitsgrenze in Höhe von 10 % bis zu 24,02 %, wobei eine Beschwerdeführerin noch im Jahr 1998 einen Teil im Hinblick auf die zu erwartende Rechtsänderung ihrem Ehemann übertrug, wodurch sich ihre Beteilung unter 10 % verringerte. Im Übrigen veräußerten die Beschwerdeführer ihre Anteile teilweise vor der Verkündung der Neuregelung (am 11. März 1999), teilweise aber auch erst danach (im Juni 1999 bzw. am 23. Juli 2001). Das Finanzamt wandte in allen Fällen die abgesenkte Wesentlichkeitsgrenze an und rechnete die Veräußerungsgewinne dem zu versteuernden Einkommen zu. Diese Entscheidungen wurden auf die Klagen der Beschwerdeführer letztlich durch den Bundesfinanzhof bestätigt.
Auf die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 17 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 wegen Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes teilweise verfassungswidrig ist. Die zehnprozentige Beteiligungsgrenze als solche ist dagegen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die maßgeblichen letztinstanzlichen Entscheidungen sind aufgehoben und die Verfahren zur erneuten Entscheidung an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen worden.