Das monatelange Tauziehen um die Zukunft von Real hat ein Ende gefunden: Die Metro AG hat mit der Investmentgesellschaft SCP Group mit Sitz in Luxemburg eine Vereinbarung zur 100-prozentigen Übernahme der Handelskette getroffen. Der Deal betrifft sämtliche 276 Real-Standorte, das Digitalgeschäft, 80 Immobilien sowie rund 34.000 Mitarbeiter. Das Stationärgeschäft von Real will SCP gemeinsam mit dem Einzelhandelsimmobilienvermarkter X+Bricks nun in unabhängigen Transaktionen an andere Einzelhändler veräußern oder teilweise in kleinere Flächen für unterschiedliche Nutzungen aufteilen.
Daneben ist geplant, einen Kern von Real-Märkten weiterzubetreiben, der 50 Filialen umfasst und für 24 Monate unter der Marke Real geführt wird. Auch wenn das nicht den Hoffnungen der Beschäftigten entspricht, besteht damit doch immerhin Klarheit über die Zukunft der Real-Märkte. Wie es mit dem Online-Marktplatz Real.de - immerhin der drittgrößten E-Commerce-Plattform in Deutschland - weitergeht, ist dagegen völlig offen.
Real hatte 2016 mit der Übernahme des bereits seit 2007 bestehenden Marktplatzes Hitmeister im Online-Geschäft einen großen Sprung nach vorne gemacht. Seitdem gelang es, das Handelsvolumen von 200 Millionen Euro auf zuletzt 579 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2019 zu steigern.Real.de ist damit zwar deutlich kleiner als Amazon und Ebay, aber auch um einiges größer als der vergleichbare Online-Marktplatz Rakuten.de, der 2018 in Deutschland ein Handelsvolumen von 172 Millionen Euro auswies. Für viele Händler ist Real.de inzwischen zu einer wichtigen Ergänzung zu den beiden großen weltweiten E-Commerce-Plattformen geworden. Umso drängender stellt sich die Frage, wie es mit Real.de nach dem Verkauf an SCP weitergeht.
Geht Real.de an Lidl und Kaufland?
Der E-Commerce-Berater und Excitingcommerce-Blogger Jochen Krisch hält es für plausibel, dass neben dem Großteil der Märkte auch Real.de an die Schwarz-Gruppe mit ihren Lebensmittelketten Lidl und Kaufland gehen könnte. "Lidl und Kaufland ließen gerade mit einigen Personalien und Umstrukturierungen aufhorchen: So soll der Ex-Kaufland-Chef bei X+Bricks anheuern, während der Lidl-Digitalbereich an der Konzernspitze angedockt wird", schreibt Krisch in seinem Blog. Lidl habe für das Online-Geschäft zuletzt 2017 Umsätze von 650 Millionen Euro gemeldet und dürfte die Umsatzmilliarde inzwischen klar übersprungen haben.
Interesse an der weiteren Entwicklung bei Real.de hat auch Marcel Brindöpke, Geschäftsführer des Dienstleisters Heyconnect. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, das Online-Marktplatzgeschäft für Markenhersteller abzuwickeln und gehört seit wenigen Tagen zum Logistiker Fiege. "Grundsätzlich scheint Real.de inzwischen schon recht groß zu sein und hat auch technologisch eine lange Historie", erklärt Brindöpke. "Die Assets sind aus Marktplatzsicht also durchaus enorm." Zudem sei die Marke Real stark - ob sie das weiterhin bleibe, sei allerdings abzuwarten. "Ich denke, dass jemand sich für Real.de interessiert, der an der Marktplatztechnologie Interesse hat und am Umsatz, sowie den Kunden und Sortimenten. Hiermit könnten sich ambitionierte Player deutlich Zeit erkaufen", so die Brindöpkes Prognose. Auf einen konkreten Namen will sich der Heyconnect-Chef jedoch nicht festlegen.
…oder vielleicht an Media-Saturn?
Andreas Müller, Geschäftsführer des Elektronikversenders und Marktplatzspezialisten Deltatecc, verfügt bereits über einige Erfahrung mit dem Vertriebskanal Real.de. Er hat den Verkauf an den Finanzinvestor SCP mit Skepsis betrachtet: "Das Problem ist, dass wenn die Märkte wegfallen, auch ein wichtiger Traffic-Baustein für das Online-Geschäft wegbricht. Ich glaube, die Plattform Real.de lebt viel davon, dass die Kunden durch die Werbebeilagen animiert werden, auf den Marktplatz zu gehen."
Dennoch handele es sich bei Real.de um einen gut funktionierenden Marktplatz, der mit viel Erfahrung aufgesetzt sei und dadurch seinen Wert habe. "Entweder braucht Real.de einen strategischen Investor der gegebenenfalls auch bereit ist, das Invest in einen neuen Namen zu tätigen - oder es wird mehr ein Asset-Deal für die Technik", so die Einschätzung von Müller. In Frage komme dafür jedes Handelsunternehmen, dass aktuell vor der Entscheidung stehe, einen Marktplatz aufzubauen und sich Zeit und Aufwand sparen wolle und gleichzeitig über genug Kapital verfüge. "Denn einen Markplatz aufzubauen, ist eine Herausforderung, die man nicht unterschätzen darf. Mit Real.de würde ein Käufer eine funktionierende Plattform bekommen, die zudem viele Händleranbindungen hat", so Müller.
Während viele Kommentatoren bei der Frage nach einem möglichen Interessenten für Real.de vor allem auf den Lebensmitteleinzelhandel blicken, gibt es auch einen plausiblen Kandidaten aus dem Elektronikbereich: Media-Saturn hat unlängst angekündigt, im Laufe dieses Jahres mit einem eigenen Online-Marktplatz starten zu wollen. Eine Übernahme von Real.de würde dem Retailer die eigene Aufbauarbeit ersparen, gleichzeitig könnte man auf gute Kontakte mit der ehemaligen Konzernschwester Metro zurückgreifen. Es bleibt also abzuwarten, was in den nächsten Wochen mit Real.de passiert.