Ist die Zukunft der Führung weiblich?

Was Männer von Frauen in Sachen Zusammenarbeit 4.0 lernen können



Ulrike Stahl ist Rednerin, Autorin und Expertin für das neue WIR im Business. Wie geht erfolgreiche Zusammenarbeit in einem agilen und globalen Umfeld? Wie entwickeln wir einen WIR-Mindset für uns selbst, in unseren Unternehmen und unter unseren Mitarbeitern? Darüber schreibt und redet sie mit internationaler Erfahrung und Begeisterung. Sie ist Autorin des Buches „So geht WIRTSCHAFT! Kooperativ. Kollaborativ. Kokreativ.“ Als Design Thinking Coach und Coach für Top Teams ist sie am Puls der Zeit.
Im Wissenszeitalter ist Zusammenarbeit ein Muss – schließlich gilt es, immer schneller, komplexe Aufgaben zu bewältigen. Obwohl kooperativ zu sein als eher weibliche Eigenschaft gilt, können auch Männer gut kooperieren.
Es braucht sowohl weibliche als auch männliche Führungsfähigkeiten, damit Kooperation gelingt.
Es braucht sowohl weibliche als auch männliche Führungsfähigkeiten, damit Kooperation gelingt.
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Die Zusammenarbeit 4.0 ist gekennzeichnet durch flexible Teamgestaltung aus internen Mitarbeitern verschiedener Abteilungen und Standorte, Freiberuflern, Kunden und Lieferanten, ja manchmal sogar Mitbewerbern. Sie umfasst die Zusammenarbeit von unterschiedlichen Disziplinen, Kulturen und Persönlichkeiten - oft ohne sich live zu treffen und meist unter hohem Ergebnisdruck. Um in der Führung eine Wertschöpfung sicherzustellen, ist es grundsätzlich wichtig, sich mit den Unterschieden zwischen den Geschlechtern zu beschäftigen, wie folgendes Beispiel zeigt:

Jan Langer hat sich als Software-Entwickler selbständig gemacht. Als Freelancer arbeitet er momentan für drei Unternehmen und weiß gerade nicht, wo ihm der Kopf steht. Eine Flut von Aufträgen und organisatorischen Aufgaben überschwemmt ihn. Ganz besonders stresst ihn die Erkenntnis, dass er zu wenig zum Programmieren kommt, um Kundenaufträge zügig abzuwickeln. Eine Hochschulabsolventin, von einem Auftraggeber als Verstärkung eingestellt, soll ihn unterstützen. Er selbst ist ein Praktiker, der sich als Computer-Freak das Programmieren selbst beigebacht hat.

Als Autodidakt sieht er das Studium als eher abstrakt. Entsprechend skeptisch steht er dem Vorschlag der neuen Mitarbeiterin gegenüber, mit deren FH kurzfristig eine Kooperation einzugehen. Das Thema: Die Bedeutung der Kundenorientierung in der IT. Bereits nächste Woche soll er bei einer halbtägigen Veranstaltung die Studenten mit ersten Inhalten und offenen Fragestellungen versorgen. Für ihn ist das Verschwendung seiner Zeit und er verspricht sich wenig davon "Wie sollen Studenten ohne Praxiserfahrung innerhalb so kurzer Zeit den Ablauf in einem Unternehmen erfassen.

Und wenn sie dann mit ihren Theorien ankommen, sind diese doch nicht umsetzbar", regt er sich auf. Am liebsten würde er es der neuen Mitarbeiterin überlassen. Da diese aber noch zu kurz im Unternehmen ist, traut sie sich das nicht zu. Statt über Kundenorientierung zu reden, würde er lieber für seine Kunden Software entwickeln…

Typisch Mann, werden jetzt einige Frauen denken. Meinen Männer immer, dass sie alles besser wissen. Tatsächlich überschätzen Männer tendenziell ihre eigenen Fähigkeiten und unterschätzen gleichzeitig die Fähigkeiten anderer. Dabei übersehen sie Kooperationschancen. Frauen hingegen haben häufig weniger Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten als in die ihrer Umwelt. Sie sind für Zusammenarbeit offen, verpassen dabei aber oft, ihre Ideen auch überzeugend auszudrücken und durchzusetzen.

Zeitgemäße Führungskräfte müssen kooperativ sein

Für ihr Buch "The Athena Doctrine" haben die Autoren John Gerzema und Michael D'Antonio weltweit in 13 Ländern 32.000 Personen befragt. Diese sollten 125 Charaktereigenschaften als männlich, weiblich oder neutral einordnen. Kooperativ zu sein, wurde als weibliche Tugend eingestuft.

Auch zahlreiche andere Studien belegen, dass es Frauen häufig bevorzugen, in Teams zu arbeiten - während die meisten Männer lieber eigenverantwortlich handeln. Bemerkenswert ist, dass in der genannten Studie weitere 32.000 Personen gefragt wurden, welche Eigenschaften sie mit der "idealen modernen Führungskraft" verbinden. Kooperativ zu sein, gehört danach zu den zehn wichtigsten Charakterstärken einer zeitgemäßen Führungskraft.

Die innere Haltung entscheidet

Frauen sind im Non-Profit-Bereich deutlich überrepräsentiert und im Finanzbereich oder in Führungspositionen großer Unternehmen eher unterrepräsentiert. Das hat sicher vielfältige Gründe - ein Grund dürfte allerdings in der geschlechterspezifischen Haltung zu Zusammenarbeit und Kooperation sein. Fakt ist: Wollen wir unsere Kooperationsfähigkeit verbessern, beginnt das bei der inneren Haltung.

Die Wirtschaftswissenschaftler Peter J. Kuhn und Marie-Claire Villeval haben sich ausführlich damit beschäftigt, warum Frauen Kooperation dem Wettbewerb vorziehen. In ihrer 2013 erstellten Studie fanden sie heraus, dass Frauen durchschnittlich weniger Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, dafür aber mehr Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer Kollegen haben. Frauen gehen also natürlicherweise davon aus, dass in einem kooperativ geprägten Umfeld ihre Ergebnisse durch die Zusammenarbeit mit anderen potenziert werden. Die Frage, inwieweit sich das für sie materiell lohnt, steht dabei im Hintergrund.

Warum es sich für Männer immer lohnen muss

Obwohl die Studie zeigt, dass Männer dazu neigen, ihre eigenen Fähigkeiten zu über- und die ihrer Kollegen zu unterschätzen und sie sich deshalb häufiger für Einzelarbeit entscheiden, zeigt sich auch, dass Männer sehr wohl kooperieren können - aber nur dann, wenn es sich für sie lohnt. In einem Versuch durften die Beteiligten wählen, ob sie im Team oder alleine arbeiten möchten.

Deutlich mehr Frauen als Männer entschieden sich für die Teamarbeit. Im nächsten Schritt führten die Wissenschaftler eine Belohnung für exzellente Teamarbeit ein und erhöhten sie Schritt für Schritt. Bei zehn Prozent gab es Gleichstand, das heißt die Zahl der Männer, die sich unter diesen Umständen für Teamarbeit entschieden, erreichte ungefähr das gleiche Niveau wie bei den Frauen.

Multiperspektivische Sichtweise

Um erfolgreich zu kooperieren, müssen wir die Grundhaltung pflegen, dass unser eigener Beitrag genauso wichtig ist, wie der der anderen Teammitglieder. Dabei sollten wir - unabhängig vom Geschlecht - nicht in die Falle der Expertengläubigkeit treten. Gerade der frische oder unkonventionelle Blick eines Anfängers oder einer fachfremden Person kann Fallen aufzeigen oder neue Kreativität entfachen.

Männer wie Frauen sollten ihre Haltung überprüfen: Wer tendiert dazu, sein Licht unter den Scheffel zu stellen und Ideen sehr spät oder gar nicht zu teilen? Wer geht grundsätzlich davon aus, die richtige oder bessere Lösung zu haben und stellt diese - ungefragt - in den Mittelpunkt jeder Kommunikation?

Sobald wir verstehen, dass eine multiperspektivische Sichtweise zu nachhaltig besseren Entscheidungen führt, hören wir auf, den Ertrag von Kooperationen rein materiell zu betrachten. Es fällt uns leichter, Zeit und Aufmerksamkeit zu investieren, ohne sofort auf den Outcome zu schielen und uns von der Frage ablenken zu lassen, ob sich unser Invest auch wirklich lohnt.

Unterm Strich braucht es also sowohl weibliche als auch männliche Führungsfähigkeiten, damit Kooperation gelingt.

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