Seit dem 28. Dezember 2023 läuft beim Bundeskartellamt in Bonn ein Fusionskontrollverfahren, in dem es um den geplanten "Anteilserwerb und Erwerb der gemeinsamen Kontrolle über die Gravis Computervertriebsgesellschaft mbH" geht. Kaufinteressent ist die in Wien ansässige Anantara Holding GmbH, potenzieller Verkäufer der Mobilfunkkonzern Freenet, zu dem die Apple-Handelskette seit 2013 gehört. Informationen über die Höhe der angestrebten Beteiligung, ob es sich dabei um eine Mehrheitsübernahme handeln soll sowie mögliche weitere Details wollten auf Anfrage von ChannelPartner weder Freenet noch Anantara nennen. "Da wir noch mitten im Prozess sind, möchten und können wir momentan nichts sagen", teilte Freenet durch seine Unternehmenssprecherin mit.
Was lässt sich dennoch schon jetzt mit Sicherheit feststellen? Da ist zum einen die Anantara Holding als Kaufinteressent. Die Wiener Unternehmensgruppe ist nach eigener Angabe auf die Übernahme und Fortführung mittelständischer Firmen spezialisiert. "Wir schaffen Synergien und setzen unsere Kompetenzen optimal ein", heißt es dazu auf der Homepage von Anantara. "Kernbereiche unseres Portfolios sind Hardware-Produkte und IT-Dienstleistungen. Darüber hinaus ist auch die Systemgastronomie in unserem Unternehmensportfolio vertreten." Neben der Fastfood-Kette Dunkin' Donuts gehören zum Portfolio der Anantara-Gruppe die österreichischen A1 Mobilfunkshops, die Reparaturkette Mobiletouch sowie der Anbieter von Office Devicemanagement-Lösungen Haai. Im Hinblick auf Gravis besonders interessant: Zu Anantara gehört auch die Kette McShark, der größte österreichische Apple Premium Reseller, der 2014 zwischenzeitlich insolvent war.
Gravis wurde seit Mitte 2023 neu ausgerichtet
Mögliche Synergien bieten sich in der Anatara-Gruppe für Gravis also durchaus. Doch wie steht es eigentlich um den Apple-Händler und warum sucht Freenet ausgerechnet jetzt nach einem Käufer für Anteile an der Handelskette? Da Gravis seit der Übernahme durch Freenet keine eigenen Geschäftszahlen mehr publizierte, lässt sich nur auf Basis der frei verfügbaren Informationen ein Eindruck von der Unternehmensentwicklung gewinnen. Nach der Übernahme 2013 startete Gravis zunächst in die Expansion: Durch die Akquisition der Wettbewerbers re:Store baute Freenet die Anzahl der Gravis-Standorte damals auf den Höchststand von 45 aus. Doch statt geplanten Neueröffnungen ging die Zahl der Gravis-Stores danach erst einmal zurück, bevor sich das Unternehmen mit der Aufweichung des Apple-only Modells und der Integration von Sortimenten der ebenfalls zu Freenet zählenden Handelskette Mobilcom-Debitel neu auszurichten versuchte.
Geleitet wurde Gravis nach der Übernahme durch Freenet zunächst von Mebilcom-Debitel-Geschäftsführer Hubert Kluske, der das Unternehmen 2018 verließ und nach einer Station beim Reiseveranstalter TUI seit 2023 das Deutschlandgeschäft von MediaMarktSaturn leitet. Ihm zur Seite stand bei Gravis seit 2015 Jan Sperlich, der Mitte 2023 ausschied und seitdem den Quantencomputerhersteller XeedQ mitführt und zuletzt den Beirat des Hardware-Vermieter topi verstärkte. Gravis wurde seitdem zur persönlichen Führungsaufgabe von Freenet-Chef Christoph Vilanek. Er verordnete der Apple-Kette eine erneute Neuausrichtung: Gravis sollte nun verstärkt jüngere, technikbegeisterte Kunden sowie die Kreativbranche und Start-Ups ansprechen. Gleichzeitig wurde das Produktportfolio wieder rund um Apple Produkte fokussiert und eine umfassende Überarbeitung des Corporate Designs vorgestellt. Nun scheint sich Freenet das Risiko der Neupositionierung zumindest teilen zu wollen. Überhaupt rückt der Konzern das Mobilfunk- und Provider-Geschäft zunehmend in den Mittelpunkt: Die Fachhandelskette Mobilcom-Debitel wurde 2022 als Marke eingestellt und firmiert seitdem unter dem Namen des Mutterkonzerns.
Ein - durchaus naheliegender - Player scheint übrigens an einem Einstieg bei Gravis nicht interessiert gewesen zu sein: MediaMarktSaturn, an deren Muttergesellschaft Ceconomy Freenet mit 6,7 Prozent beteiligt ist.