Wenn man bedenkt, dass das moderne Computer-Zeitalter etwa Mitte der 1940er Jahre begonnen hat, befindet sich die IT heute im reiferen Alter. Bei den heutigen Schülern und Studenten handelt es sich mindestens um die Großenkel der frühen Pioniere. Außerdem hat auch die IT wie alle westlichen Gesellschaften nach 1945 einen "Baby Boom" erlebt: Die 90er und 2000er waren gekennzeichnet von einem massiven Anstieg der "programmierenden Bevölkerung", was zur Entwicklung der Dienste und Anwendungen geführt hat, die heute selbstverständlich Teil unseres privaten und beruflichen Alltags geworden sind, wie Google, Facebook, Skype oder auch SAP.
Frust statt Lust
Doch seit diesem Boom macht sich zunehmend ein Gefühl von Ratlosigkeit breit. Denn angesichts des überall sinkenden Interesses an Informatik stellt sich immer mehr die Frage, woher der nächste große Schritt nach vorn in der IT-Branche kommen soll. Studenten zieht es verständlicherweise in Bereiche, die mehr "Spaß machen": Kurse für Spieleentwickler beispielsweise stehen hoch im Kurs.
Doch nicht selten machen diese Studenten letztendlich große Augen, wenn sie in den Berufsalltag in einem Spiele-Entwicklungsstudio starten. Denn plötzlich werden sie mit anstrengenden und mühevollen Arbeitsphasen konfrontiert, die jedes Spieleentwicklungsteam durchmacht, wenn es darum geht, einen bestimmten Release-Meilenstein zu erreichen. Dies soll selbstverständlich nicht bedeuten, solche Spieleentwickler würden keine gute Arbeit leisten - im Gegenteil. Es erfordert einige der kreativsten Programmierungen, um immer noch realistischere Physik oder Grafikeffekte zu schaffen und jedes letzte Tröpfchen Leistung aus der Hardware herauszuholen.
Und dennoch liegt in diesem sinkenden Interesse an Informatik eine der wesentlichen Herausforderungen für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft der Zukunft. Auch wenn in diesem Zusammenhang aktuell eher über rechtliche Rahmenbedingungen oder Finanzierungsmöglichkeiten für Gründer gesprochen wird, entscheidet sich hier, wie sehr wir als Gesellschaft die künftige Entwicklung mitbestimmen können, anstatt sie nur zu erleiden.
Früh Interesse wecken
Doch unabhängig davon, wofür konkret IT-Fähigkeiten genutzt werden, haben sie in der Vergangenheit nur bedingt den Grad an Aufmerksamkeit erhalten, den sie eigentlich verdienen. Wer lässt sich schon für die Erstellung des nächsten großen Compilers begeistern (und wer interessiert sich überhaupt noch für Compiler, wenn er oder sie der Meinung ist, man könnte alles auf der Welt mit Scripting-Sprachen umsetzen)? Wer wird das nächste schnelle, sichere Netzwerk-Protokoll entwerfen? Wer wird den nächsten energiesparenden Hochleistungs-Chip entwickeln?
Um die Zukunft der IT zu sichern, wird es wesentlich darauf ankommen, so früh wie möglich Interesse am Programmieren zu wecken. Es gibt mittlerweile national und international zahlreiche Diskussionen und Initiativen, die darauf abzielen, Kinder und Jugendliche zum Programmieren zu animieren und dieses Interesse bereits früh zu wecken (auch wenn es nicht so früh wie auf dem Bild sein muss und soll). So forderte im vergangenen Jahr beispielsweise die SPD eine verpflichtende Einführung von Informatik als Unterrichtsfach in der Schule: Durch ein frühes Vertrautmachen von Schülern mit Programmiersprachen und Algorithmen soll erreicht werden, dass "Jung und Alt sich selbstständig und souverän in der digitalen Gesellschaft verwirklichen können", betonte etwa der Vizechef der SPD-Fraktion, Sören Bartol.
Auch wenn dies erst Überlegungen sind, gibt es andere positive Beispiele, die Hoffnung machen: So entstehen derzeit zahlreiche Projekte wie die "Hour of Code", bei denen Schülerinnen und Schüler spielerisch mit dem Programmieren vertraut gemacht werden. Neue "Programmier-Clubs" sprießen aus dem Boden, oft auf Grundlage anderer sozialer Angebote wie zum Beispiel Pfadfindern. Der Ende letzten Jahres veröffentlichte neue Raspberry Pi Zero ist ein fantastisches Werkzeug für Programmierneulinge: Ein ganzer Computer für nur fünf US-Dollar, der in der Vergangenheit sogar bereits als kostenloses Extra in einer Zeitschrift erhältlich war! Der Zugang zu Rechenressourcen und Tools ist heutzutage leichter denn je.
Programmieren allein reicht nicht mehr
Das sind tolle Neuigkeiten, und man darf auf keinen Fall herunterspielen, wie wichtig es ist, Kinder und Jugendliche so früh wie möglich für dieses Thema zu begeistern. Dennoch sollte man nicht aus den Augen verlieren, was passiert, wenn diese fähig und auch dazu bereit sind, das Anfängerniveau hinter sich zu lassen. Wenn sie einen IT-Beruf ergreifen oder gar ein eigenes Software-Unternehmen gründen wollen, werden sie ein anderes, umfangreicheres Spektrum an Fähigkeiten als Programmierkenntnisse allein benötigen.
Werden sie sich der steigenden Notwendigkeit von Sicherheit und Datenschutz bewusst sein? Werden sie in der Lage sein, Software so zu designen und zu programmieren, dass diese auf Skalierbarkeit und Barrierefreiheit ausgelegt ist? Werden sie die zentralen Fertigkeiten erwerben, um ihre Arbeit strukturiert zu planen und gezielt zu schützen - zum Beispiel mit Werkzeugen für Versionsmanagement und Security? Und noch grundlegender: Werden sie in der Lage sein, im Team mit anderen Personen zusammenzuarbeiten - sei es persönlich oder über das Internet -, wenn sie sich in ihren prägenden Entwicklungsjahren darauf konzentriert haben, Einzelspieler-Games auf ihrem Pi oder Tablet zu erstellen?
Zweisam ist besser als einsam
Eine Vorgehensweise in der Softwareentwicklung, die derzeit immer stärker in den Fokus rückt, ist beispielsweise die Paarprogrammierung, die gemeinsame Codeentwicklung in Zweierteams. Gerade diese Herangehensweise verdeutlicht die zahlreichen subtilen Eigenschaften, die bei der Programmierung ebenfalls eine Rolle spielen, etwa offen zu sein für Feedback, in der Lage zu sein, aktiv um Hilfe zu bitten, flexibel zu sein und vieles mehr. Was hier benötigt wird, ist eine reife, offene Grundeinstellung.
Interessanterweise könnte vielleicht gerade der Sport ein Teil der Antwort auf diese Frage sein: Denn hier steht im Zentrum, Individuen dazu zu bekommen, als Team zusammenzuarbeiten, konstruktiv miteinander zu kommunizieren und einzusehen, dass man gelegentlich auch einmal von der Tastatur weggehen sollte.
Partner haben Vorbildfunktion
Eine weitere Taktik könnte darin bestehen, mehr Unternehmen und Organisationen dafür zu gewinnen, an Schulen, Weiterbildungseinrichtungen und kleine Start-ups heranzutreten und Mentoring oder Praktika anzubieten, um dabei zu unterstützen, Schüler und Studenten auf die Arbeitswelt vorzubereiten. Spezialisierte Reseller und Systemintegratoren in Deutschland sind geradezu prädestiniert dafür. Denn sie bieten ihren Kunden eine Vielzahl sehr hochwertiger Dienstleistungen inklusive Individual- oder Anpassungsprogrammierung an. Durch ein verstärktes Engagement im Mentoring könnten sie nicht nur der ganzen Gesellschaft einen Dienst erweisen, sondern auch frühzeitig für eigenen qualifizierten Nachwuchs sorgen.
Die Zukunft der nächsten IT-Generation mag vielleicht nicht ganz so düster sein, wie sie zu Beginn erscheint, doch das Risiko bleibt bestehen: Wenn es uns nicht gelingt, einen klaren Weg von den ersten Programmiererfahrungen "aus Spaß" hin zu einer professionellen Vorbereitung auf die Arbeitswelt aufzuzeigen, werden wir so schnell kein weiteres goldenes Zeitalter in der IT erleben.