Lange Zeit, so die Rechtsanwälte Dr. Stephan Bauer, LL.M. und Benjamin Kastner, LL.M. (Melbourne), beide aus der Sozietät ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU in Hamburg, war in der Literatur umstritten, ob Erben von Gesellschaftern ihre durch die Erbschaft erworbenen Gesellschafterrechte bereits mit dem Erbfall oder erst nach Eintragung als Gesellschafter in der Gesellschafterliste geltend machen können. Letzteres kann insbesondere bei Erbstreitigkeiten zu länger dauernder Verhinderung der Ausübung der Gesellschafterrechte führen. Erstmalig hat sich nunmehr die Rechtsprechung explizit zu dieser Thematik geäußert.
Sachverhalt
Die Klägerin war Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes. Alleinige Gesellschafter der beklagten GmbH waren der verstorbene Ehemann sowie ein weiterer, geschäftsführender Gesellschafter. Die Satzung der Gesellschaft sah für den Fall des Versterbens eines Gesellschafters die Möglichkeit der Einziehung von dessen Geschäftsanteil ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis der Gesellschaft von dessen Tod vor. Am 26.08.2014 verstarb der Ehemann der Klägerin, worüber diese den geschäftsführenden Gesellschafter am Folgetag informierte. Noch am selben Tag hielt dieser eine Gesellschafterversammlung ab und beschloss die Einziehung des Geschäftsanteils des verstorbenen Ehemannes, worüber er die die Klägerin vier Wochen später informierte.
Etwa zwei Monate später informierte die Klägerin die beklagte GmbH, dass sie nach den im November 2014 eröffneten Verfügungen des Erblassers von Todes wegen, und zwar in Form zweier Erbverträge, als Alleinerbin eingesetzt worden sei. Die Erbverträge legte sie dem geschäftsführenden Gesellschafter vor. Ob sie das Erbe annehmen oder ausschlagen würde, wisse sie noch nicht. Auch einen Erbschein beantragte die Klägerin zunächst nicht. Der Geschäftsführer trug die Klägerin nicht in die Gesellschafterliste der GmbH ein. Knapp sechs Monate später hielt der geschäftsführende Gesellschafter erneut eine Gesellschafterversammlung ab, wozu er die Klägerin geladen hatte. In der Gesellschafterversammlung beschloss der geschäftsführende Gesellschafter vorsorglich erneut die Einziehung der Geschäftsanteile des verstorbenen Ehemannes. Die Klägerin hat diesen Beschluss angefochten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht Naumburg (Urt. v. 01.09.2016 - 2 U 95/15) entschied, dass die Klage zu Recht abgewiesen wurde. Zwar sei der erste Beschluss des geschäftsführenden Gesellschafters vom 27.08.2014 nichtig gewesen, da es an einer ordnungsgemäßen Einladung zu der Gesellschafterversammlung gefehlt habe.
Mit Blick auf den zweiten Einziehungsbeschluss fehle es der Klägerin jedoch an der sog. Anfechtungsbefugnis, da sie zum Zeitpunkt der Beschlussfassung (und auch danach) nicht als Gesellschafterin in die Gesellschafterliste eingetragen war. Entscheidend für die Ausübung von Gesellschafterrechten - und damit auch die Möglichkeit der Anfechtung von Beschlüssen - sei nicht, dass die Klägerin als Erbin Inhaberin des Geschäftsanteils wäre (sog. materiell-rechtliche Inhaberschaft), sondern dass sie als solche in der Gesellschafterliste eingetragen ist (sog. formell-rechtliche Legitimation). Nur so könne Rechtsklarheit geschaffen werden.
Überdies habe sich die beklagte GmbH auch darauf berufen dürfen, dass die Klägerin nicht in die Gesellschafterliste eingetragen war. Obgleich die Klägerin dem Geschäftsführer ihre Erbenstellung angezeigt hatte, habe dieser die Eintragung der Klägerin in die Gesellschafterliste nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise verhindert. Die alleinige Vorlage der Erbverträge habe noch nicht den erforderlichen Nachweis gebracht, sie als Gesellschafterin zu behandeln.