Pilotprojekte zur Handelsdigitalisierung

Start-up-Impulse beflügeln Media-Saturn



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Mit hoher Schlagzahl startet Media-Saturn Pilotprojekte zur Handelsdigitalisierung, zuletzt zum Bezahlen per Smartphone und eine smarte Paketstation. Das belegt, wie gut das Start-up-Förderprogramm des Retailers funktioniert.

Freitag Vormittag im Saturn Markt im Münchner Einkaufszentrum PEP: Dass Martin Wild, Chief Innovation Officer (CIO) von Media-Saturn, in dem Geschäft zu einem Pressetermin lädt und Werbeschilder auffordern "Erleben Sie die Zukunft des Bezahlens" - den meisten Kunden, die sich an diesem Morgen in dem Elektronikmarkt aufhalten, scheint das nicht weiter aufzufallen. Doch für Media-Saturn ist der Tag eine weitere Etappe auf dem Weg in die Zukunft des Retail-Geschäfts. Bereits Anfang des Jahres hatte das Unternehmen im österreichischen Innsbruck eine temporäre Saturn-Filiale eröffnet, in der Kunden via App direkt am Regal bezahlen konnten. Das Unternehmen setzte dazu in Kooperation mit dem Start-up Mishipay auf eine RFID-basierte Technologie. In München wird nun ein Verfahren auf Bluetooth-Basis erprobt. Die von dem Start-up Rapitag entwickelte Lösung kombiniert IoT-Diebstahlsicherungen mit der "Smartpay"-App von Saturn und ermöglicht es so, ohne Wartezeit in der Kassenschlange per Handy zu bezahlen.

Martin Wild, Chief Innovation Officer (CIO) von Media-Saturn
Martin Wild, Chief Innovation Officer (CIO) von Media-Saturn
Foto: Martin Wild, MediaMarktSaturn Retail Group

"Das Pilotprojekt in München ist bis Anfang November ausgelegt und auf die Warengruppe Headsets beschränkt", erklärt Martin Wild. Für Media-Saturn handele es sich dabei um eine Ergänzung zu dem RFID-Testlauf in Innsbruck: "Wir probieren viele verschiedene Puzzlestücke aus, weil wir wissen wollen, welche Ansätze von den Kunden angenommen werden. Unser Ziel ist ein Gesamtkonzept für den Kunden." Mit den Erfahrungen aus Innsbruck und München will das Unternehmen schließlich in einigen Monaten in Hamburg ein größer angelegtes Experiment starten. "Wir werden in unserer größten Filiale, dem Markt in der Mönckebergstraße auf 18.000 Quadratmetern für das gesamte Sortiment die Bezahlung per Smartphone anbieten", berichtet Wild. Die Begeisterung ist dem Media-Saturn-CIO anzumerken - sein lange als Digitalisierungsnachzügler belächeltes Unternehmen plant damit ein Pilotprojekt, das sogar die vielbeachteten kassenlosen Amazon-Supermärkte in den Schatten stellen dürfte.

"Die besten Ideen kommen von Start-ups"

Nicht nur beim Bezahlen per Smartphone, auch bei vielen anderen Retail-Innovationen ist Media-Saturn vorne dabei. Alleine im letzten Jahr hat das Unternehmen u.a. den Verkauf von Elektroautos gestartet, in seinen Onlineshops Videorezensionen integriert, mit der webbasierten Vermietung von stationären Aktionsflächen begonnen sowie eine Lösung für ein verbessertes Pakettracking in seine Kunden-Mails integriert. Auch nach der Payment-Präsentation im Münchner PEP gab es bereits einen weiteren Produktlaunch: Am Campus von Media-Saturn in Ingolstadt wurde eine smarte Paketstation in Betrieb genommen, in der Nutzer Pakete sämtlicher Kurierdienste und Onlineshops 24 Stunden am Tag schnell und einfach an einem Ort abholen können. "Ich freue mich, dass wir erstmals ein Pilotprojekt direkt am Campus in Ingolstadt umsetzen können. So können wir eine neue Technologie erproben und den Ingolstädtern einen neuen Service anbieten", erklärt dazu Media-Saturn-CIO Wild. Das System lasse sich nämlich problemlos für weitere lokale Einzelhändler öffnen.

Die smarte Paketstation am Campus von Media-Saturn in Ingolstadt
Die smarte Paketstation am Campus von Media-Saturn in Ingolstadt
Foto: Media-Saturn

Auch hinter der smarten Paketstation steht eine Start-up-Kooperation, dieses Mal mit dem Technologieanbieter Smartmile. Das niederländische Jungunternehmen war Teilnehmer der zweiten Runde des von Media-Saturn initiierten Start-up-Programms Retailtech Hub. "Wir wollen Dinge ausprobieren und sehen, was davon funktioniert und von unseren Kunden angenommen wird", erklärt Wild. Anders als früher versuche Media-Saturn die Innovationen nicht mehr inhouse zu entwickeln, sondern setze konsequent auf die Zusammenarbeit mit Start-ups. Dabei gehe es gar nicht in erster Linie darum, Ressourcen auszulagern oder Kosten zu sparen. "Auch im Handelsbereich kommen die besten Ideen und Innovationen heute einfach von Start-ups", so Wild. Er betrachtet es als großen Vorteil, dass das Förderprogramm Retailtech Hub in Kooperation mit anderen Handelsunternehmen aufgelegt wurde. So teile man untereinander die Learnings aus den jeweiligen Pilotprojekten.

Frisches Blut für bewährte Ideen

"Saturn war das erste Unternehmen, das bereit war, mit uns einen Piloten zu starten", berichtet Alex Schneider, Gründer von Rapitag, das für die Smartphone-Bezahlösung im Münchner PEP verantwortlich ist. Sein 2015 im Umfeld der Münchner Technischen Universität an den Start gegangenes Unternehmen war vor einem Jahr Teilnehmer im ersten Retailtech Hub. Schneider findet es gut, dass das Förderprogramm händlerübergreifend konzipiert ist. Rapitag wolle sich nicht zu eng an Media-Saturn binden, da man auch andere Händlerkooperationen in Vorbereitung habe. Dass die Technologie des Start-ups nun erstmals in der Praxis eingesetzt werde, ermögliche es aber nicht nur, das technische Funktionieren zu überprüfen, sondern lasse auch ein Nachdenken über die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells zu. "Wir wollen Herausfinden, ob wir über die Hardware hinaus den Händlern auch Mehrwerte im Datenbereich bieten können", erklärt Schneider. Seine Begeisterung dafür, die schon seit mehreren Jahrzehnten verfügbare Warensicherheitstechnologie mit den Möglichkeiten des Internet of Things aufzuladen, teilt auch Media-Saturn-CIO Martin Wild. Ihm geht es schließlich um eine ähnliche Zielsetzung: Das traditionelle Handelsformat Elektronikmarkt so digital weiterzuentwickeln, dass es auch in Zukunft relevant bleibt.

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