AWS re:invent 2019

So stellt sich Amazon Web Services für 2020 auf



Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Hausmesse von Amazon Web Services hatte eine ganze Ladung interessanter neuer Services und Features zu bieten. Wir sagen Ihnen, was Sie zur AWS re:Invent 2019 wissen müssen.

Andy Jassy, CEO von Amazon Web Services, nutzte seine Keynote auf der Hausmesse re:invent Anfang Dezember in Las Vegas für einen Seitenhieb auf die Konkurrenten IBM und Oracle. AWS arbeitet mit Hochdruck daran, Unternehmenskunden davon zu überzeugen, mit ihrer IT-Infrastruktur in die Cloud umzuziehen. Dabei gelte es jedoch einiges zu beachten, wie Jassy anhand eines Bildes deutlich machte. Ein Umzugswagen, beladen mit Amazon Prime Boxen, steht vor einem Haus. In der Einfahrt bleiben etliche Pakete und Geräte zurück - darunter eine Oracle-Box und ein IBM-Mainframe. "Wenn du dich bewegen willst, musst du entscheiden, was du mitnimmst und was du zurücklässt", kommentierte der Manager die Szenerie auf der re:invent-Bühne.

Andy Jassy, CEO von AWS, nahm auf der re:invent 2019 die Konkurrenten IBM und Oracle aufs Korn.
Andy Jassy, CEO von AWS, nahm auf der re:invent 2019 die Konkurrenten IBM und Oracle aufs Korn.
Foto: AWS

Das sei die zentrale Frage, die sich alle IT-Verantwortlichen stellten, die über die Modernisierung ihrer Legacy-Systeme und Data Center nachdenken, beschrieb Jassy seine Sicht der Dinge. Viele Unternehmen nutzten zwar noch Mainframes, aber im Grunde wollten sie so schnell wie möglich von den Großrechnern wegkommen.

Der Wettbewerb könnte sich in Zukunft noch in andere Felder ausdehnen. AWS nutzte seine Hausmesse dazu, der Business-Welt zahlreiche Neuerungen seines Portfolios zu präsentieren. Dazu zählt beispielsweise eine Initiative, die auf Quanten-Computing abzielt - ein Feld, in dem sich beispielsweise auch IBM zu positionieren versucht.

Quanten-Computing-Offensive

Quantencomputing hält inzwischen auch im Unternehmensumfeld Einzug - nicht zuletzt wegen der beständig wachsenden Datenberge und der für deren Analyse notwendigen Compute-Power. Bislang kommen Quantencomputer jedoch vor allem in der Wissenschaft zum Einsatz. Um die Entwicklung von Quantencomputer-Technologien voranzutreiben, hat Amazon Web Services auf der re:Invent 2019 zahlreiche Maßnahmen angekündigt:

  • Mit Braket will der Konzern einen neuen, gemanagten Service an den Start bringen, der es Wissenschaftlern und Softwareentwicklern ermöglichen soll, mit der Quanten-Hardware verschiedener Hersteller (zum Beispiel D-Wave, IonQ oder Rigetti) in einer einheitlichen Umgebung zu arbeiten.

  • Ein neues Zentrum für Quanten-Computing soll als eine Art Innovations- und Networking-Hub fungieren und Spezialisten von Amazon mit denen verschiedener Forschungs- und Bildungseinrichtungen zusammenbringen.

  • Amazon Quantum Solutions Lab hingegen richtet sich in erster Linie an AWS-Kunden, die erste Erfahrungen mit Quantencomputing sammeln möchten, um die Technologie in ihrem Unternehmen zu etablieren. Dazu haben sie im Rahmen dieses Programms Gelegenheit - in enger Kooperation mit AWS-Experten soll sich hier alles um Quanten-Computing in der Praxis drehen.

KI-Service-Quintett

Während in Sachen Quanten-Computing vieles noch Zukunftsmusik ist, haben sich Themen wie Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) längst als fester Bestandteil des Business-Alltags etabliert. Der Mangel an Skills bleibt allerdings ein großes Problem - das Knowhow für KI- und ML-Lösungen in Unternehmen ist oft Mangelware.

Jede Menge neuer Funktionen und Services kündigte AWS auf der re:invent 2019 an. Der Anbieter poliert damit sein Cloud-Portfolio weiter auf.
Jede Menge neuer Funktionen und Services kündigte AWS auf der re:invent 2019 an. Der Anbieter poliert damit sein Cloud-Portfolio weiter auf.
Foto: AWS

Geht es nach Amazon Web Services, sollen deshalb künftig möglichst auch weniger erfahrene Entwickler und Endanwender mit diesen Technologien arbeiten können - ohne vorher ein Studium absolvieren zu müssen. Fünf neue KI-Services sollen dabei helfen:

  • Amazon Kendra will Suchfunktionen im Unternehmen verbessern und setzt zu diesem Zweck auf Natural Language Processing (NLP) und andere Machine-Learning-Techniken. Mit Hilfe des Tools sollen sich Datensilos aufbrechen lassen und qualitativ hochwertige Ergebnisse für häufige Suchanfragen gewährleistet werden.

  • Mit Amazon CodeGuru will AWS Softwareentwicklern eine Hilfestellung zur Automatisierung von Programmcode-Überprüfungen an die Hand geben. Außerdem sollen Unternehmen mit Hilfe des Services die für sie teuersten Codezeilen einer Applikation identifizieren können.

  • Die Bekämpfung von Identitäts- und Zahlungsbetrug im Online-Bereich soll für Unternehmen mit dem Amazon Fraud Detector künftig in Echtzeit möglich sein. Der Service nutzt dieselbe Technologie, die auch bei Amazon.com zum Einsatz kommt.

  • Für Dienstleister im Healthcare-Bereich bietet AWS mit Transcribe Medical künftig auch eine Sprach-zu-Text-Transkription in Echtzeit an, die trotz komplexer Termini angeblich "hochpräzise" arbeiten soll.

  • Der Augmented Artificial Intelligence Service soll Developer dabei unterstützen, Machine-Learning-basierte Vorhersagen durch menschliche Bestätigung zu validieren.

Was ist Latenzzeit?

Mit Wavelength hat AWS einen Service angekündigt, der 5G-Applikationen mit Latenzzeiten im (einstelligen) Millisekundenbereich auf mobilen Devices zur Realität machen soll. Dazu hat sich AWS mit verschiedenen Mobilfunk-Carriern zusammengetan - zum Beispiel Verizon, Vodafone und SK Telecom.

Um die in Aussicht gestellten Latenzzeiten zu erreichen, stellt Wavelength AWS-Services und -Rechenressourcen on the edge innerhalb des 5G-Netzwerks zur Verfügung. Da Wavelength nahtlos laut Anbieter mit dem gesamten Cloud-Service-Portfolio integrierbar ist, stehen Softwareentwicklern auch die von AWS bekannten APIs, Tools und Funktionalitäten zur Verfügung. Speziell für Applikationen im Bereich Internet of Things (Stichwort Autonomes Fahren) könnte sich AWS Wavelength - auch dank der weltweit gestreuten AWS-Verfügbarkeitszonen - als Durchbruch erweisen. In den USA laufen bereits erste Praxis-Tests - im Jahr 2020 soll der Service auch in Europa verfügbar sein.

Neue Features für Redshift

Bei den Ankündigungen zu seinem Data-Warehouse-Service Redshift legte AWS den Fokus auf die Verarbeitung großer Datenmengen und kündigte neue Analytics-Funktionalitäten an:

  • Mit Redshift RA3-Instanzen sollen AWS-Kunden künftig Rechenleistung und Speicherkapazitäten unabhängig voneinander skalieren können. Im Vergleich zu Konkurrenzangeboten soll die Lösung mit rund dreifacher Geschwindigkeit arbeiten.

  • Der Advanced Query Accelerator (AQUA) für Redshift soll ab Mitte 2020 verfügbar sein. Das Feature stellt speziellen Cache-Speicher mit Hardware-Beschleunigung bereit, was nach Aussage von AWS eine bessere und schnellere Abfrageleistung in Datenbanken ermöglicht.

  • Redshift Data Lake Export ermöglicht den direkten Export von Daten aus Redshift in den AWS-Speicherdienst S3 - und zwar in einem offenen, für Analytics optimierten Datenformat (APAche Parquet).

  • Mit Redshift Federated Query sollen Kunden ihre Daten über Redshift Data Warehouses, Simple Storage Service, Data Lakes sowie operative RDS- und Aurora-Datenbanken hinweg analysieren können.

  • UltraWarm für Amazon Elasticsearch Service bietet einen Warm Storage Tier für Elasticsearch, der Kunden einen Kostenvorteil verschaffen soll und es ihnen ermöglicht, eine beliebige Menge an aktuellen und historischen Log-Daten zu speichern.

Feature-Zuwachs für SageMaker

Seinen Machine-Learning-Service SageMaker will Amazon Web Services ebenfalls mit zahlreichen, neuen Funktionen ausstatten:

  • Mit Amazon SageMaker Studio bietet das Unternehmen nach eigener Aussage die "erste voll integrierte Entwicklungsumgebung (IDE) für maschinelles Lernen, Automation, Integration, Fehlerbehebung und die Überwachung von der Entwicklung und dem Ausliefern von Modellen für maschinelles Lernen" an.

  • Machine Learning Notebooks mit elastischer Rechenleistung in Sekundenschnelle zu starten und etwa die GPU-Kapazitäten ohne Unterbrechung anzupassen - das soll Entwicklern künftig mit Amazon SageMaker Notebooks möglich sein.

  • SageMaker Experiments hilft den Developern dabei, Modelliterationen, Trainingsparameter und -ergebnisse in Zusammenhang mit Machine Learning im Blick zu behalten, sowie diese zu visualisieren.

  • Amazon SageMaker Autopilot ermöglicht es, ML-Modelle automatisch für Datensets zu erzeugen, die im CSV-Format vorliegen. Dabei herrsche volle Transparenz darüber, wie diese erstellt wurden, so dass künftigen Weiterentwicklungen nichts im Wege steht, verspricht der Anbieter.

  • SageMaker Debugger bietet ein Echtzeit-Monitoring für ML-Modelle. So sollen Trainingszeiten reduziert und die Erklärbarkeit der Modelle gewährleistet werden.

  • SageMaker Model Monitor unterstützt Softwareentwickler dabei, Konzept-Abweichungen zu erkennen. So könnten diese einfacher feststellen, wann die Leistung eines im Produktivbetrieb befindlichen Modells vom ursprünglich trainierten Modell abweicht und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen.

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