Unternehmen aus nahezu allen Branchen profitieren heute von technologischen Entwicklungen, durch die traditionelle Grenzen in der Wertschöpfung überwunden werden können. Durch die zunehmende Vernetzung müssen auch bestehende Wertschöpfungsketten angepasst werden. Neue Konkurrenten und Angebote treten auf den Plan, zugleich sind viele rechtliche und Sicherheitsaspekte noch nicht geregelt. Der Begriff des "Neulands", für den die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel 2015 viel Häme einstecken musste, bleibt damit für viele Unternehmen trotz Industrie 4.0 bis heute unangenehme Realität. Die durchgehende Digitalisierung der Unternehmensprozesse ist nach wie vor oft Wunschdenken des Managements - und das trotz Kenntnis der Vorteile: Sinkende Fertigungstiefen, hohe Individualisierungsgrade von Produkten und die direkte Fokussierung auf den Wertschöpfungsprozess zur Maximierung der Kundenbindung und Steigerung der Effizienz in heterogenen Umgebungen.
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Fokus auf dem Kundenkontakt
Welches Potential die digitale Transformation der traditionellen Wertschöpfungsprozesse bietet, kann man derzeit in der Finanzbranche beobachten, die durch Fintech-Startups förmlich umgegraben wird. Mobile-Payment-Lösungen zeigen beispielhaft, dass im Zentrum des Geschäftsmodells der direkte Kontakt zum Kunden steht. Auch das Aufkommen von Direktbanken und Direktversicherern, die eine unmittelbare Interaktion mit dem Kunden abseits des klassischen Filialgeschäfts suchen, zeugt von einem Umdenken in der Branche.
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Dieses Umdenken lässt sich auch bei nahezu allen anderen Technologietrends beobachten. So beruht die Industrie 4.0 in der Hauptsache auf der Beziehung zu Kunden, Partnern und eigenen Mitarbeitern sowie Werkstücken und Maschinen. Auch im Internet der Dinge stehen die direkte Einbeziehung des Kunden und seiner Geräte in den Geschäftsprozess im Fokus. Denkt man diese Entwicklung weiter, so wird klar, dass eine vollständige digitale Transformation von Wertschöpfungsprozessen und die Erschliessung neuer Geschäftsfelder nur dann möglich ist, wenn Menschen und Maschinen über eine sichere digitale Identität verfügen. Die digitale Identität wird damit zum zentralen Asset einer durchgehend digitalisierten Wertschöpfungskette.
IT-Sicherheit als Business-Enabler
Die Neuausrichtung setzt allgemein ein Umdenken im Umgang mit Informationstechnologie voraus. Der Schutz der digitalen Identität, der früher fast ausschliesslich aufgrund von Datenschutz- und Privacy-Verordnungen oder Compliance-Richtlinien implementiert wurde, wird hierbei zu einer Massnahme im Sinne der Aufrechterhaltung des Business. Die IT-Sicherheit stellt damit nicht mehr nur eine kostspielige und erzwungene Klette am Bein des Unternehmens dar, sondern muss im Kontext der digitalen Transformation als Business-Enabler gesehen werden und bedarf besonderer Aufmerksamkeit des Managements. Gleichzeitig muss sich die IT und im speziellen die IT-Sicherheit auch der veränderten Anforderungssituation anpassen. Sie muss im Sinne der bimodalen IT unabhängiger und schneller agieren können. Neben Management Attention benötigt sie dazu auch genügend finanzielle Mittel.
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Identifizierungsmechanismen in Bewegung
Die Neubewertung der digitalen Identität konnte man in den letzten Jahren an den Entscheidungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Hinblick auf Identifizierungsmechanismen beobachten. So wurde neben dem alt bekannten PostIdent-Verfahren, bei dem der Gang zur Postfiliale zum Zweck der Identifizierung bei Vertragsabschluss nötig war, ein neues Verfahren zur Identifizierung via Webcam oder Smartphone-Kamera zugelassen. Dies ermöglicht nun den rechtsgültigen Vertragsabschluss auch direkt von zu Hause aus oder von unterwegs.
Die Notwendigkeit der Flexibilität im Hinblick auf Identifizierungs- und Authentifzierungsverfahren zeigt sich auch anhand des neuen Personalausweises. Nach einer eher schleppenden Einführung in den Jahren 2010 bis 2014 entsteht nun langsam ein Bewusstsein für die Möglichkeiten der Online-Ausweisfunktion. So wird der Einsatz der Technologie inzwischen auch in Banken und Versicherungen vorangetrieben, um mittelfristig die bekannten, aber als benutzerunfreundlich und unsicher geltenden Passwort- und TAN-Mechanismen abzulösen und so z.B. die Kontoerstellung innerhalb weniger Minuten zu ermöglichen.
Digitale Identität als Schlüssel
Die Ausrichtung der Wertschöpfungsketten an einer direkten Beziehung zum Kunden und seinen Geräten sowie den damit verbundenen Prozessen stellt für Unternehmen ein hohes Ertragspotential dar. Durch eine Fokussierung auf die Kundenidentität können neue Kundensegmente erreicht und bestehende Prozesse innerhalb des Unternehmens effizienter gestaltet werden. Hierzu ist es notwendig, die IT und insbesondere die IT-Sicherheit nicht mehr nur als Kostenfaktor zu betrachten, sondern auch ihren Beitrag zum Unternehmensumsatz und -erfolg zu begreifen. Die digitale Identität zeigt die Wichtigkeit dieses Umdenkens. Sie ist das zentrale Element der aktuellen Technologietrends und somit massgeblich in einer digitalisierten Wertschöpfungskette. Nur durch ihre Einbeziehung kann das "Neuland" erschlossen werden. (sh)