Digital Signage

Schlüsseltechnologie zur digitalen Transformation des Handels



Michael Köster ist Strategieberater mit dem Schwerpunkt Informationstechnologie. Er ist Experte für die Digitale Transformation der Wirtschaft, mit einem besonderen Augenmerk auf die Handelsbranche. Weitere Interessen sind alle Fragen im Hinblick auf IT-Governance, Enterprise Architecture Management, IT-Sourcing, sowie Programm- und Projektmanagement. Herr Köster ist tätig für CIO Advisory Services der KPMG AG.


Julia Ortlib ist bei der KPMG AG im Bereich CIO & CFO Consulting tätig und spezialisiert sich auf die Digitalisierung im Handel.
Die Investition in Digital Signage ist ein guter Einstieg in die schrittweise Digitalisierung deutscher Ladenlokale. Der Artikel beschreibt die Substanz von Digital Signage, verschiedene Herausforderungen bei der Umsetzung und erfolgreiche Cases der Early Adopter.

Während neue Oberklasselimousinen bereits mit Gestensteuerung ausgestattet sind, folgt ein Besuch im deutschen Ladenlokal bis heute überwiegend analogen Gesetzen. Anders als im Ausland sind digitale Innovationen im deutschen Einzelhandel meist nur prototypisch oder halbherzig implementiert. Die digitale Transformation des Handels kommt in Deutschland bislang nicht recht voran.

Die allgemeine Digitalisierung, und insbesondere die Verbreitung von Smartphones und Tablets, setzen die Retail-Branche jedoch zunehmend unter Druck. Aus selbstverständlich gewordenen Online-Gewohnheiten, wie dem Zugriff auf die umfangreiche Produktpalette und aussagekräftigen Preisvergleichen, erwächst eine gesteigerte Erwartungshaltung an die Convenience des stationären Verkaufs.

Per Smartphone die Schnäppchen im Einkaufszentrum finden. Das ist heute noch eine Zukunftsvision.
Per Smartphone die Schnäppchen im Einkaufszentrum finden. Das ist heute noch eine Zukunftsvision.
Foto: gpointstudio - shutterstock.com

Es gibt diesbezüglich zwar eine Reihe vielversprechender Trends, wie etwa Self-Checkout-Services, virtuelle Offline-Anproben oder interaktive Shopping-Walls. Bislang investieren aber nur sehr wenige Handelsunternehmen in ein schlüssiges und ganzheitliches Konzept. Daher ist es derzeit tatsächlich schwer vorhersehbar, welche der digitalen Services sich am deutschen Markt letztendlich durchsetzen werden.
Es steht aber fest: Jede Interaktion mit dem Konsumenten beruht zwingend auf einem Transmitter-Medium – dem Bildschirm. Digital Signage wird damit das Schlüsselkonzept für die digitale Transformation des stationären deutschen Einzelhandels.

Konkret: Was ist Digital Signage?

Der Begriff Digital Signage (DS) beschreibt den "Einsatz von digitalen Anzeigesystemen zur Kommunikation mit Menschen im öffentlichen Raum". Der knappen Definition steht eine große Bandbreite möglicher Einsatzszenarien gegenüber. Unter DS lassen sich so unterschiedliche Konzepte wie elektronische Preisetiketten (electronic shelf labels, ESL), Lichtelemente, großformatige LC-Displays, Leuchtschriften oder auch Terminals subsumieren. DS im engeren Sinne ist eine Kombination aus zentral gesteuerten interaktiven und mittel- bis großformatigen Screens mit inhärent dynamischen Inhalten.

Digital Signage ist folglich mehr als bloß ein Hyperonym einer Reihe verschiedenartiger Anwendungen. Durch die Vernetzung mit remote steuernden Media-Playern, Content-Management-Systemen, entsprechenden Device-Konsolen und zielgerichtet erstellten Inhalten, besteht die Basis für echte digitale Innovation am Kunden. Es werden themen- und zeitgesteuerte Umgebungen erschaffen, welche die richtige Atmosphäre passend zum geeigneten Produkt erzeugen. Und aufbauend auf der Digital Signage-Technologie existieren prototypisch schon heute digitale Wegfinder, Checkout-Systeme oder Online-Stores am Terminal.

Derzeit gehen Experten davon aus, dass sich Digital Signage insbesondere auf dem Werbemarkt weiter etablieren wird; allerdings mit Produkten, die sich noch stärker als bisher an die individuellen Kundenwünsche anpassen. Die Zeitschrift Absatzwirtschaft (2010) veröffentlichte eine Studie, die besagt, dass 98 Prozent aller Kunden digitale Werbung in Shopping Centern wahrnehmen und sie sich zudem besser einprägt als konventionelle Werbung. Ferner bestätigt das Fachmagazin, dass 70 Prozent der Einkaufsentscheidungen am Point of Sale (PoS) getroffen werden.
Demnach zeigt Digital Signage gerade an diesen Stellen verstärktes Potenzial für positiv beeinflußte Kaufentscheidungen – speziell wenn die vermittelten Informationen den individuellen Bedürfnissen des Kunden entsprechen. Darüber hinaus wird Digital Signage-Systemen zugeschrieben, die Verweildauer des Kunden im Ladengeschäft zu erhöhen und Impulskäufe auszulösen, mit nachhaltigen Steigerungen im Umsatz.

Neben dem rein quantitativen Nutzen bietet DS eine Reihe qualitativer Vorteile. Dazu gehört die Verbesserung der Service-Qualität durch die Kombination von persönlicher und digitaler Beratung und eine verbesserte Werbe-Effektivität durch Echtzeitaktualisierungen, je nach Klientel, Jahreszeit, Tageszeit oder Wetterlage.

Digital-Tristesse in deutschen Einkaufsstraßen

In deutschen Innenstädten ist die Digitale Revolution derzeit noch nicht erkennbar. Obwohl sich seit den neunziger Jahren die Welt außerhalb der Eingangstüren der Einzelhandelsketten stark verändert hat, steht die Zeit innerhalb dieser scheinbar still. Von einem "Einkaufserlebnis" kann kaum gesprochen werden, wenn Modegeschäfte zuallererst geprägt sind von Warteschlangen und Gedränge. Der komparative Konkurrenzvorteil des stationären gegenüber dem Online-Handel liegt in die Beratung durch das Fachpersonal – zu Stoßzeiten meist dünn besetzt.
Hier ließe sich durch digitale Shopping-Assistenten, einem digitalen Produktkatalog mit Filtern im Geschäft oder dem Scannen von Codes für die Anzeige von erweiterten Informationen auf dem Smartphone einiges an Verbesserung erreichen. Einige Informations- und Beratungssysteme sind bereits am Markt verfügbar und werden stetig weiterentwickelt. Der "Magic Mirror" ist ein solches Beispiel für "Interactive Digital Signage".

Mit Hilfe von technischen Assistenten ließe sich zudem auch die Kluft zwischen offline und online verringern. Wenn das Material in Form von aussagekräftigen Beschreibungen, hochwertigen Fotos und – wo sinnvoll – Videos in den Produkt-Informations-Management-Systemen (PIMs) bereits bereit steht, kann es problemlos in beiden Welten zum Einsatz gelangen. Das gleiche Bild spiegelt sich auch beim Bezahlen wieder: Bislang dominiert in Deutschland noch immer Debit-Cash.

Ansätze einer dynamischen Preisgestaltung, wie kürzlich bei Kaufland als Prototyp eingeführt, werden aufgrund fehlender technischer Infrastruktur auch in naher Zukunft schwer umzusetzen sein. Natürlich handelt es sich dabei nicht um universell gültige Beobachtungen – nichtsdestotrotz, in der Kategorie „Shopping-Erlebnis“ ist im deutschen Handel nach oben noch viel Luft.

Grund dafür ist die häufig empfundene Überforderung der Händler mit der Digitalisierung. Laut Computerwoche (2015) sind insbesondere die Omnichannel-Strategien und die damit einhergehenden Prozessanpassungen mit erheblichem Aufwand und Risiken verbunden. Insbesondere das für den Handel so wichtige Retourenmanagement gestaltet sich im Omnichannel als sehr komplex und herausfordernd.

Michael Gerling vom EHI Retail Institute stellt zusätzlich heraus, dass "bestehende Prozesse und Strukturen zumeist für das stationäre Geschäft angelegt und historisch gewachsen sind. Aus diesem Grund sind sie häufig sehr heterogen. Diese Landschaft dann omnichannel-fähig zu gestalten, stellt die IT in den Handelsbetrieben vor große Herausforderungen".

In den vergangenen 20 Jahren hat sich aufgrund der nachvollziehbar schwierigen Anpassungsprozesse ein nebulöses Beklemmungsgefühl des deutschen Handels vor den schnellen Digitalisierungserfolgen und seiner Protagonisten etabliert; namentlich Apple, Amazon und Ebay.

Zudem fehlt es der Branche an aussagekräftigen Use-Cases. Die neue Technologie muss durch Implementierung in der Breite erst messbar gemacht werden, um so das Investment zu rechtfertigen. Darin liegt ein klassisches Henne-Ei-Problem, allerdings auch eine echte Chance für Early-Adopter.

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