Ein Lehrer betritt eine Bankfiliale in Süddeutschland. Er hat jüngst 50.000 Euro geerbt und möchte sich nun beraten lassen, wie er das Geld am besten anlegen kann. Aktienpaket? Anleihen? Fonds? Der Lehrer fühlt sich überfordert, wenn er an alle Möglichkeiten denkt - und vor allem: wenn er das Risiko der einzelnen Möglichkeiten abwägen soll. Der Mann wird freundlich empfangen und nimmt in einem kleinen Beratungszimmer Platz. Der Anlageberater der Bank lächelt, und dann geht es los.
Was der Finanzvermittler nicht weiß: Bei dem scheinbar so ahnungslosen Lehrer handelt es sich in Wirklichkeit um Daniel Kohlert, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwirtschaft an der Universität Bamberg. Zusammen mit Prof. Dr. Andreas Oehler, Inhaber des Lehrstuhls, hat er inkognito mehr als 90 Beratungsgespräche im süddeutschen Raum geführt und diese mit einem vereinheitlichten Protokoll ausgewertet. Die Ergebnisse sind laut der Studie: ernüchternd.
Der Druck, das eigene Geld sinnvoll anzulegen und nicht im Kopfkissen zu verstecken, wird immer größer. Das fängt mit der Selbstverantwortlichkeit an, die eigene Altersvorsorge zu regeln. Und hört mit der Sorge um das eigene Wohlbefinden und das Wohlbefinden der Kinder auf. Die von den Banken, aber auch vom Staat angebotenen Finanzprodukte werden immer vielfältiger und komplexer - wohl dem, der hier gut beraten wird.
Kurze Gespräche
Dass dies leider nur selten der Fall ist, macht die Studie von Oehler und Kohlert deutlich. In den noch nicht einmal eine Stunde andauernden Gesprächen wurden den Wissenschaftlern teilweise sehr zweifelhafte Vorschläge gemacht, wie sich das Geld mehren soll. So wäre der Lehrer, der keine Kenntnisse über das Risiko von Kapitalanlagen besitzt, das ein oder andere Mal mit einem Aktienpaket nach Hause gegangen. Die Bedürfnisse des Kunden, die exakte Einkommenssituation, die Risikobereitschaft, all das wurde häufig nicht abgefragt.