SAP will ein Taktgeber für digitale Innovationen sein. Das wurde auf der zweitätigen Veranstaltung SAP Now in Berlin Tempelhof deutlich. Die rund 1400 Teilnehmer sollten im alten Flugzeughangar den "Innovation Beat" zu spüren bekommen, versprach Deutschland-Chef Daniel Holz zum Auftakt der Veranstaltung. Erfolgreiche Unternehmen würden in Zukunft ganz anders aussehen als heute.
Als Beispiel führte Holz Tesla an. Der amerikanische Pionier für Elektrofahrzeuge baut derzeit sein Vertriebskonzept radikal um. Weniger Shops und weniger Sales-Personal, heißt die Direktive. Das Internet als Vertriebskanal hat nun höchste Priorität. Interessierte Kunden können einfach im Netz ein Fahrzeug für eine einwöchige Testphase ordern und dann entscheiden, ob sie es kaufen wollen.
Laut Holz dient das Internet Tesla nicht mehr nur für die Vertriebsunterstützung, es ist der einzig strategische Vertriebskanal. Dass Tesla-Chef Elon Musk diesen Schritt wohl auch gegangen ist, weil ihm das Wasser bis zum Hals steht und er die dringend die Kosten senken muss, war auf der SAP Now allerdings nur am Rande ein Thema.
Wie schafft man eine Innovationskultur?
Chief Technology Officer (CTO) Jürgen Müller, der zuvor als Chief Innovation Officer bei den Walldorfern arbeitete, verwies auf den Innovationsfokus des eigenen Unternehmens. Die rund 30.000 Entwickler beschäftigen sich demnach auch mit exotischen Themen wie Quanten-Computing, deren Nutzen und Mehrwert noch nicht hundertprozentig abzuschätzen sei. Das geschehe immer vor dem Hintergrund, Kunden dabei zu unterstützen, Innovationen in ihren Geschäftsbetrieb zu implementieren und damit zu skalieren.
Um dahin zu kommen, brauche es eine ausgeprägte Innovationskultur in den Betrieben, sagte Holz. Ein kontinuierlicher Austausch zwischen der IT und den Fachabteilungen sei dafür selbstverständlich. Die Technik sei heute weitgehend verfügbar, sie müsse nur Eingang in die Unternehmen finden. Ein Digital Mindset lasse sich nicht verordnen, so der SAP-Manager, Methoden wie Design Thinking könnten aber helfen, die Schritte richtig zu lenken.
Tatsächlich suchen viele Anwender noch nach Wegen, wie sie kontinuierlich Innovationen entwickeln und in den betrieblichen Alltag integrieren können. Die Design-Thinking-Workshops auf der SAP-Veranstaltung waren denn auch alle gut besucht. Auch zeigten die vielen Publikumsfragen im Rahmen der Praxisvorträge, dass etliche SAP-Kunden noch nicht den Königsweg gefunden haben, um Innovations- und Transformationsprojekte in die Spur zu setzen. Da dreht es sich beispielsweise darum, überhaupt den passenden Startpunkt zu finden und die Frage, wie man im Vorfeld am besten das Commitment des eigenen Managements für einen Umbau der grundlegenden Unternehmens-IT einhole und vor allem wie man Führungspersonal und Mitarbeiter bei der Stange halte.
Evonik Industries mistet Customizing radikal aus
"Das Business mitzunehmen ist eine der Kernaufgaben in so einem Projekt", bestätigt Thomas Meinel, Senior Vice President und Head of Global IT Application Management bei Evonik Industries. Das werde nur mit der vollen Rückendeckung des Top-Managements gelingen. Meinel empfiehlt, sich im Vorfeld gute Argumente zu überlegen, warum die Transformation sinnvoll und wichtig für das eigene Geschäft ist. Und natürlich müsse das Timing stimmen.
Bei Evonik scheint das gelungen zu sein. Der Spezialchemie-Spezialist steckt mitten in der Transformation seiner Backend-Systeme. Im Zuge von "Next Gen ERP" soll eine zentrale Plattform entstehen. Die IT-Landschaft sei durch Wachstum, Internationalisierung und Akquisitionen heterogen geprägt gewesen, berichtet Meinel. Zunächst habe man mehr als 20 verschiedene ERP-Systeme in einer SAP-Plattform konsolidiert. Im darauffolgenden Schritt wechselte Evonik das Datenfundament aus: SAP HANA löste Oracle ab. Mittlerweile laufen rund 30 Systeme auf der In-Memory-Datenbank von SAP - neben dem zentralen ERP auch Komponenten wie das Business Warehouse und der Solution Manager.
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Anderen Unternehmen, die den Umbau noch vor sich haben, rät der IT-Manager vor allem, individuelle Anpassungen auszumustern. Es gelte, den Custom Code in den Bestandssystemen zu identifizieren und kritisch zu hinterfragen, was davon wirklich noch gebraucht werde. Oft ließen sich die dahinterliegenden Anforderungen heute mit Funktionen aus dem Standard abbilden.
Der Schritt auf HANA machte sich für Evonik bezahlt, so Meinel. Das Volumen der Datenbank sei um zwei Drittel von 9,7 auf 3,2 Terabyte geschrumpft. Performance und Antwortzeiten hätten sich signifikant verbessert. Die kürzeren Dialogzeiten kämen bei den Anwendern sehr gut an, heute werde die IT sogar gelegentlich gelobt, berichtet Meinel mit einem Schmunzeln.
Wie weit sind Anwender mit S/4HANA? Das will die Hochschule Koblenz in einer Umfrage herausfinden
Doch das Projekt geht noch weiter. In den kommenden zwei Jahren will Meinel auf S/4HANA umsteigen. Die Anwender sollen ein schnelleres und einfacheres System erhalten, das sie in ihrer täglichen Arbeit besser informiert und unterstützt. Nachdem im ersten Schritt die Betriebskosten um 30 Prozent gesenkt werden konnten, möchte der IT-Manager mit der neuesten SAP-Generation weitere 20 Prozent Kostenreduktion herausholen. Dieses Geld könne dann wieder in die Modernisierung des Gesamtsystems zurückfließen.