Das klassische Customer Relationship Management (CRM) hat ausgedient - die Zukunft gehört dem Customer Experience Management (CEM). Auch wenn sich die beiden Termini nur in einem Wort unterscheiden, bedeutet die Entwicklung doch einen tiefgreifenden Wandel im Verständnis, wie Unternehmen mit ihren Kunden umgehen und interagieren.
Mit der Digitalisierung vieler Geschäftsprozesse rückt der Kunde mehr und mehr in den Fokus. Daten, die an unterschiedlichsten Touchpoints generiert werden, erlauben es, sämtliche Aktionen der Kunden genau zu beobachten. Daraus ergibt sich ein immer detaillierteres Bild, wie Kunden ein Produkt, eine Marke oder ein Unternehmen wahrnehmen. Diese Experience kann dabei helfen, die eigenen Produkte und Services genauer an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen und so mehr Geschäft zu generieren.
Wie das funktioniert, haben die PAC-Analysten im Auftrag der maihiro GmbH im August und September 2018 gut 100 Manager von SAP-Anwenderunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern aus Deutschland und Österreich gefragt. Bei den Interviewten handelte es sich um Verantwortliche aus IT- und Fachabteilungen wie Vertrieb, Marketing und Kundenservice.
Kunden fordern die Unternehmen
Dabei wurde klar, dass die Betriebe zunehmend die Notwendigkeit erkennen, ihr Kundenmanagement neu zu organisieren. Doch das stellt für viele Unternehmen eine große Herausforderung dar, konstatieren die Analysten. Gerade hinsichtlich der sich ständig verändernden Kundenanforderungen sowie dem aus der Digitalisierung resultierenden Wachstum an Kundendaten sehen sich die Verantwortlichen offenbar besonders gefordert.
Es geht in erster Linie um Agilität und Integration. Für rund 60 Prozent der Befragten ist es eine große Herausforderung, abteilungsübergreifend Prozesse zu etablieren, um das Kundenerlebnis bewerten und verbessern zu können, durchgängige Prozesse vom Webshop bis ins Backend (beispielsweise dem ERP-System) zu schaffen beziehungsweise alle für das Kundenerlebnis relevanten Daten zu bündeln.
Darüber hinaus ist es für mehr als die Hälfte der Unternehmen offenbar schwierig, aus den Datenanalysen die richtigen Schlüsse zu ziehen, was Trends, Chancen und Optimierungspotenziale betrifft. Auch die Bereitstellung benutzerfreundlicher Anwendungen für das Kundenmanagement sowie die Möglichkeit, die damit verbundenen Prozesse schnell anpassen zu können, um auf Veränderungen im Kundenverhalten reagieren zu können, gilt vielen als große Herausforderung.
Starre IT-Systeme sind das größte Problem
Immerhin haben die meisten Firmen erkannt, dass sie aktiv werden müssen, so ein Ergebnis der Umfrage. Gut zwei von drei Befragten gaben an, bereits an der Transformation ihres Kundenmanagements zu arbeiten. Allerdings sprechen nur 13 Prozent von einer kompletten Neuausrichtung, 54 Prozent erklärten, einzelne Prozesse in bestimmten Bereichen prüfen und sich speziell dort neu ausrichten zu wollen. Ein Drittel der Befragten will indes an den bestehenden Prozessen festhalten und lediglich offenkundige Schwachstellen optimieren.
Bei der Modernisierung des Kundenmanagements erweisen sich zu starre IT-Systeme als größtes Problem - ein Drittel bezeichnete diesen Punkt als großes Hindernis, weitere 39 Prozent immerhin noch als geringes Hindernis. Schwierigkeiten bereiten den Verantwortlichen darüber hinaus eine grundsätzliche Abneigung gegenüber Veränderungen (23 Prozent) sowie ein Mangel an internen Kompetenzen. Dagegen weiß nur rund jeder Zehnte nicht, wo er anfangen soll, beziehungsweise beklagt sich über fehlende Unterstützung aus dem Topmanagement.
Viele Unternehmen sehen sich aufgrund der Lösungsvielfalt im Markt mit steigenden Kosten für den Betrieb und die Weiterentwicklung vieler nicht-integrierter Applikationen für die verschiedenen Aspekte des Kundenmanagements konfrontiert, schreiben die PAC-Analysten. Dem Gros der Anwender sei es zudem ein Anliegen, Lösungen zu implementieren, die sich mit Hilfe von Add-ons erweitern ließen.
Anbieter bauen Plattformen für das Kundenmanagement
Die Anbieter tragen diesen Wünschen Rechnung. Beispielsweise hat die als Cloud-CRM-Anbieter gestartete Salesforce ihre Plattform mittlerweile um zahlreiche Services erweitert - teils selbst entwickelt, teils mit Zusatzangeboten von Partnern. Dazu zählen beispielsweise Funktionen für künstliche Intelligenz, um das Kundenverhalten weitgehend automatisiert auswerten zu können. Zuletzt hatte der Branchenprimus auf seiner Kundenkonferenz Dreamforce mit Customer 360 eine Lösung vorgestellt, mit deren Hilfe Anwender eine einheitliche Sicht auf sämtliche Kundendaten erhalten sollen. Dafür müssten die Daten nicht erst aufwendig integriert und aufbereitet werden, verspricht der Cloud-Spezialist.
Auch SAP hat in diesem Jahr einen neuen Anlauf im CRM-Geschäft genommen. Mit SAP C/4HANA hat der deutsche Softwarekonzern eine Suite angekündigt, die eine nahtlose Integration der einzelnen Services und eine einheitliche Oberfläche vorsieht. Das Produkt-Paket soll diverse bestehende Angebote wie SAP Sales Cloud, SAP Marketing Cloud, SAP Commerce Cloud und SAP Service Cloud mit Lösungen aus den jüngsten Akquisitionen wie Gigya, CallidusCloud und Coresystems vereinen. Darüber hinaus erweitert SAP laufend sein Portfolio - vor allem mit Übernahmen. Vor wenigen Wochen wurde die Übernahme von Qualtrics angekündigt. Rund acht Milliarden Dollar ist der Spezialist für Experience-Management Lösungen den Walldorfern wert.
Es dürfte allerdings noch ein weiter Weg sein, bis SAP mit seiner integrierten CEM-Lösung im Markt Fuß fassen kann. Die neue Produktsuite für den Bereich CX habe noch keine flächendeckende Bekanntheit erlangen können, beobachten die PAC-Analysten. Aus Sicht der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) ist es nachvollziehbar, dass SAP in dem dynamischen Customer-Relationship-Management-Markt Akzente setzen will. Allerdings müsse der Software-Hersteller zunächst zeigen, dass C/4HANA mehr als nur ein "Marketing-Label" ist, stellten DSAG-Vertreter im August 2018 fest.