IPv6 im Praxis-Check bei Telekom und Co

Ratgeber: IPv6 in Deutschland

Frank-Michael Schlede arbeitet seit den achtziger Jahren in der IT und ist seit 1990 als Trainer und Fachjournalist tätig. Nach unterschiedlichen Tätigkeiten als Redakteur und Chefredakteur in verschiedenen Verlagen arbeitet er seit Ende 2009 als freier IT-Journalist für verschiedene Online- und Print-Publikationen. Er lebt und arbeitet in Pfaffenhofen an der Ilm.
Thomas Bär, der seit Ende der neunziger Jahre in der IT tätig ist, bringt weit reichende Erfahrungen bei der Einführung und Umsetzung von IT-Prozessen im Gesundheitswesen mit. Dieses in der Praxis gewonnene Wissen hat er seit Anfang 2000 in zahlreichen Publikationen als Fachjournalist in einer großen Zahl von Artikeln umgesetzt. Er lebt und arbeitet in Günzburg.
Obwohl es kaum mehr IPv4-Adressen gibt, setzt sich das neue Internet-Protokoll IPv6 nur zögerlich durch. Wir zeigen wie es die Telekom und andere Provider mit IPv6 halten.
Der Bedarf nach mehr IP-Adressen kann nur mit IPv6 gedeckt werden
Der Bedarf nach mehr IP-Adressen kann nur mit IPv6 gedeckt werden
Foto: Matthias Pahl - shutterstock.com

"Ja klar, IPv6 kommt, dieses Jahr aber ganz bestimmt!" Diese mit einem Schmunzeln vorgetragene Nebenbemerkung des Security-Evangelisten einer großen Sicherheitsfirma bringt es recht gut auf den Punkt: Es ist einerseits bekannt, dass die Anzahl der verfügbaren Adressen aus dem IPv4-Adressraum sehr schnell kleiner wird, und dass mit neuen Techniken wie "dem Internet der Dinge" (IoT) den Bedarf an IP-Adressen förmlich explodiert. Auch der Plan der deutschen Telekom, bis zum Jahr 2018 alle Telefonanschlüsse komplett auf IP-basierte Verbindungen umzustellen, dürfte mit den noch vorhandenen IPv4-Adressen kaum zu realisieren sein.

Google wertet regelmäßig statistisch aus, wie viele Nutzer via IPv6 auf die Google-Seiten zugreifen. Für Deutschland sind das im August 2016 demnach immerhin ein knappes Viertel der Nutzer.
Google wertet regelmäßig statistisch aus, wie viele Nutzer via IPv6 auf die Google-Seiten zugreifen. Für Deutschland sind das im August 2016 demnach immerhin ein knappes Viertel der Nutzer.

Entsprechend gibt es immer wieder Konferenzen, viele Artikel und Aufrufe von Experten, die vehement dazu aufrufen, nun endlich auf IPv6 umzustellen. Andererseits gibt das eingangs erwähnte Bonmot unseres Security-Experten die aktuelle Stimmung und Haltung bei vielen IT-Profis und Anwender nur allzu gut wieder: IPv6 wird schon irgendwann kommen - aber so richtige Eile scheinen alle Betroffenen (zu mindestens in Deutschland) nicht zu haben. Scheinbar kommen sie im Moment mit den noch vorhandenen IPv4-Adressen aus.

Der "Suchmaschinen-Riese" Google wertet statistisch aus, wie viele Nutzer via IPv6 auf die Google-Seiten zugreifen. Ganz aktuell (August 2016) gibt der Konzern weltweit dafür einen Wert von ungefähr 13 Prozent an. Für Deutschland gibt Google den Anteil der Nutzer, die mit IPv6 auf Google zugreifen, sogar mit knapp einem Viertel (24,15 Prozent) an. Aber nicht nur Google, sondern auch andere Dienste wie Facebook und große Anbieter und Firmen im Internet sowie die meisten Internet Service Provider haben die Umstellung auf IPv6 zumindest in ihren internen Netzwerken bereits vollzogen. Schließlich werden sie es sein, die zuerst und am nachhaltigstem mit Problemen konfrontiert werden, wenn ihnen IPv4-Adressen fehlen.

So wird dann auch kein Weg daran vorbeiführen, dass sich IT-Organisationen und Anwender wenigstens mittelfristig mit dem Thema ernsthaft beschäftigen. So sollten sie sich über Probleme und Fallstricke informieren und auf einen Umstieg vorbereiten. Wer wissen will, was er dabei in Hinblick auf seine Router, Switches und auch Betriebssysteme beachten sollte, findet in diesem Ratgeber die nötigen Informationen zur Migration. Wir geben ergänzend dazu einen kurzen Überblick darüber, wie weit die deutschen Provider mit der Umstellung sind und was das für Anwender und Firmen bedeutet.

IPv6 im Router-Interface: Wer einen halbwegs aktuelles Routermodell sein eigen nennt, kann ziemlich sicher sein, dass dieser heute auch IPv6 problemlos unterstützt.
IPv6 im Router-Interface: Wer einen halbwegs aktuelles Routermodell sein eigen nennt, kann ziemlich sicher sein, dass dieser heute auch IPv6 problemlos unterstützt.

Wie sieht es bei den Providern aus?

Wir wollten wissen, wie weit die Umstellung bei den deutschen Providern gediehen ist und welche IPv6-Möglichkeiten sie ihren Kunden bereits anbieten. Zu diesem Zweck führten wir im Herbst 2015 eine erste Umfrage bei einer Reihe von deutschen Providern durch. Um zu sehen, was sich in knapp einem Jahr in Sachen IPv6 getan hat, führten wir im August 2016 ein zweite Umfrage durch. Leider antworteten uns auf unsere zweite Umfrage nur einige wenige Provider. Dabei stellte sich allerdings heraus, dass sich nicht besonders viel bewegt hat, was die Verbreitung von IPv6 angeht.

m-net

Einer der wenigen Provider, die uns im August 2016 neue Zahlen und Aussagen liefern konnten, ist der Münchner Provider m-net. IPv6 ist in dessem Netz seit Jahren eingeführt ist und kommt im Echtbetrieb zum Einsatz . Dabei wird Neu- und Bestandskunden ein Dual-Stack IPv4/IPv6 angeboten, wobei Kunden im Privatumfeld eine DS Lite-Version zur Verfügung gestellt bekommen. IPv6 ist laut Aussage des Providers ein Produkt, das Firmenkunden direkt standardmäßig mit angeboten wird. Albert Anreiter, Senior Produkt-Manager bei m-net, konnte uns bereits Ende September 2015 konkrete Zahlen nennen: Eine Analyse des Backbone-Verkehrs bei m-net, die er Ende September angestoßen hat, ergab einen Anteil von 4,5 Prozent für IPv6. Dieser Test misst dabei sowohl den ein- als auch den ausgehenden IPv6-Verkehr in diesem Netzwerk. Dazu gehört sowohl der native IPv6-Verkehr als auch der Netzwerkverkehr, der mittels Protokolle wie Toredo oder IP-Protokoll 41 (auch als 6in1 bezeichnet) über IPv4 geleitet wird.

Auf unsere erneute Anfrage im August 2016 hat Anreiter einige weitere Netz-Analysen gestartet. Die liefern für den IPv6 Anteil Werte zwischen 7 und 8 Prozent. Im Vergleich zu 2015 ist also fast eine Verdoppelung festzustellen. Er konnte uns zudem auch etwas zu den Kunden sagen, die bei m-net IPV6 benutzen: So sind das nach seiner Analyse zuerst die (neuen) Privatkunden und danach kommt mit großem Abstand ein Spieleanbieter. Das Fazit des Senior Produktmanagers aus der Sicht von m-net: "Das bedeutet, im kommerziellen Bereich ist/muss die IPv6 Akzeptanz immer noch gering sein."

Hier ein Auszug aus einem Auftragsformular wie es der Provider m-net bereitstellt: Hier kann der Kunde gleich die entsprechenden IPv6-Adressen beantragen (Quelle: m-net).
Hier ein Auszug aus einem Auftragsformular wie es der Provider m-net bereitstellt: Hier kann der Kunde gleich die entsprechenden IPv6-Adressen beantragen (Quelle: m-net).
Foto: m-net

Vodafone/Kabel Deutschland

Vodafone/Kabel Deutschland teilte uns mit, bei den Internet-Anschlüssen über Kabel für alle Neukunden mit Privatkundenprodukten auf eine IPv6-DS-Lite-Lösung zu setzen. Auch bei Bestandskunden mit entsprechenden Privatkundenprodukten kommt nach Auskunft des Providers überwiegend IPv6-DS-Lite zum Einsatz. Eine native, Single-Stack IPv6-Anbindung ist aus Sicht von Vodafone/Kabel Deutschland im Moment nicht sinnvoll, da große Teile des Internets (die nur über IPv4-erreichbaren Server) nicht mehr erreichbar wären. Um für (native) IPv6-Kunden die Erreichbarkeit von reinen IPv4-Servern noch zu ermöglichen, wird DS-Lite oder Dual-Stack IPv4/IPv6 eingesetzt. Bei den LTE-Zuhause-Angeboten wollte Vodafone IPv6 noch im Jahr 2015 einführen, bei den xDSL Produkten wurden für Privatkunden die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Einführung von IPv6 evaluiert. Geht es um die Business-Kunden, so bietet Vodafone/Kabel Neu- und Bestandskunden bei den Kabel-Internet-Produkten für Kleinstunternehmen (SoHo) eine Dual-Stack-Konfiguration an. Darüber hinaus arbeitet der Provider daran, im SoHo-Bereich bestimmte Kabel-Produkte mit festen IPv4-Adressen (später auch IPv6) anzubieten. Auch bei DSL- und Mobilfunk-Produkten für Geschäftskunden ist laut Vodafone/Kabel Deutschland nach der Einführung von IPv6 ein Angebot mit der Vergabe von festen IPv6-Adressen geplant.

Tipp bei Problemen mit DS-Lite

Im Rahmen eines anderen Testberichts, bei dem wir auch einen VPN-Tunnel über genauso einen IPv6-DS-Lite betreiben wollten, traten immer wieder reproduzierbare Probleme mit der Verbindung auf. Auch der Zugriff von außen auf ein dediziertes Gerät im lokalen Netzwerk bereitete Verbindungsprobleme, da der DS-Lite-Anschluss lediglich über eine öffentliche IPv6-Adresse verfügt. Es war in diesem Fall durch einen einfachen Anruf beim Kundendienst von Vodafone/Kabeldeutschland binnen eines Tages möglich, unseren Anschluss wieder auf einen "regulären" IPv4-Anschluss umzustellen, wodurch die Probleme komplett verschwanden. Wer also ähnliche Schwierigkeiten bei seinem Internet-Anschluss via Kabel hat, sollte sich unbedingt zunächst einmal an die Service-Hotline des Providers wenden und um eine Umstellung bitten. Natürlich können wir nicht garantieren, dass das immer und bei allen Kabel-Anbietern klappt!

Unitymedia

Wer sich im Internet umschaut findet viele Seiten, wie dieses Portal, die umfassend über eine Umstellung auf IPv6 und die damit verbundene Technik informieren.
Wer sich im Internet umschaut findet viele Seiten, wie dieses Portal, die umfassend über eine Umstellung auf IPv6 und die damit verbundene Technik informieren.

Von dem anderen Kabelanbieter Unitymedia erfuhren wir, dass dieser bereits im Juli 2012 das IPv6-Protokoll eingeführt habe. Neukunden aus dem Privatkundensegment bekommen seit diesem Zeitpunkt IPv6-Adressen zugewiesen. Unitymedia wendet dabei das Dual-Stack-Lite-Verfahren (DS Lite) an, um nach eigenen Aussagen so eine Kommunikation zwischen IPv4 und IPv6 zu ermöglichen. Die bei Unitymedia nach eigenen Aussagen kleine Gruppe der Geschäftskunden erhält auf Wunsch IPv4-Adressen aus dem noch verfügbaren Bestand. Auch die Einführung von festen IPv6-Adressen als Angebot für Geschäftskunden prüft der Provider, gibt aber an, dass er zurzeit ein solches Angebot aufgrund fehlender Nachfrage nicht anbietet.

1und1

Provider 1und1 teilte uns mit, dass man bei VDSL-Anschlüssen standardmäßig IPv6 freischalte, während dies bei ADSL-Anschlüssen auf Anfrage geschehe, wenn der "Vorleister" (also der Partner, der die Leitung stellt) IPv6-fähig ist. Laut Aussagen des Providers ist das aktuell bei allen Leitungspartnern außer Vodafone der Fall. Im Gegensatz zu anderen von uns befragten Providern betonte 1und1, dass man derzeit keine DSL-Lite-Lösung benutze und der Einsatz eines derartigen Ansatzes aktuell auch nicht in der Planung sei. Alle Kunden bekommen bei 1und1 durchgehend einen Dual-Stack angeboten, bei dem auch weiterhin eine öffentliche IPv4-Adresse zugewiesen wird. Diese Aussagen gelten auch für die Business-Kunden des Providers.

Telefonica

Telefonica/O2 bietet seinen Kunden keine DS Lite-Version, sondern nach eigenen Angaben einen kompletten Dual-Stack IPv6/IPv6. Dabei stellt der Provider einen solchen Anschluss im Festnetzbereich für Neukunden und für Kunden bereit, die auf einem Bitstream-Anschluss umziehen. Genau diesem Kundenkreis wird auch ein nativer IPv6-Anschluss angeboten. Bei große Firmenkunden setzt Telefonica/O2 in dieser Beziehung auf die Konzeption und Umsetzung individueller Lösungen.

Deutsche Telekom

Auch die deutsche Telekom teilte uns mit, dass sie bereits IPv6 nach dem Dual-Stack Ansatz eingeführt hat und Neukunden Produkte auf Basis dieses Ansatzes offeriert. Eine Dual-Stack Lite-Version gibt es laut Telekom nicht. Wann der Schritt zu nativem IPv6 für Telekom-Kunden vollzogen wird, hängt laut Konzernangaben von der internationalen Durchdringung von IPv6 ab. Welche speziellen IPv6-Lösungen es für Firmenkunden geben soll, konnte uns die Telekom leider nicht sagen.

Das Kommandozeilenprogramm "ipconfig" zeigt, dass Windows 10 so konfiguriert ist, dass es auch IPv6 auf den Netzwerkschnittstellen verarbeiten kann.
Das Kommandozeilenprogramm "ipconfig" zeigt, dass Windows 10 so konfiguriert ist, dass es auch IPv6 auf den Netzwerkschnittstellen verarbeiten kann.
Hier ein Auszug aus einem Auftragsformular wie es der Provider m-net bereitstellt: Hier kann der Kunde gleich die entsprechenden IPv6-Adressen beantragen (Quelle: m-net).
Hier ein Auszug aus einem Auftragsformular wie es der Provider m-net bereitstellt: Hier kann der Kunde gleich die entsprechenden IPv6-Adressen beantragen (Quelle: m-net).
Foto: m-net

Host Europe

Mit der Firma Host Europe, die sich selbst als den größten europäischen Provider im Privatbesitz bezeichnet, haben wir dann noch einen Provider mit ins Feld genommen, der seinen Endkunden zwar keine DSL- oder Kabelanbindung wie die anderen Provider bietet, für den es aber beim Server- und Web-Hosting sowie den diversen Cloud-Angeboten ebenso wichtig ist, wie die Kunden auf diese Angebote zugreifen können. Der Provider berichtet, dass er seinen Kunden bereits seit 2011 die optionale Aktivierung von IPv6 offeriert und allen Kunden zudem einen vollwertigen Dual-Stack IPv4/IPv6 zur Verfügung stellt. Ebenso hob Host Europe hervor, dass ausnahmslos alle Produkte die Einrichtung fester IPv6-Adressen umfassen. Ferner werde vom Web-Hosting über die Web-Server bis hin zum "Dedicated Web-Server" für alle Angebote eine native IPv6-Anbindung bereitgestellt.

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