Der PSD2-Countdown ist beendet und die Zahlungsrichtlinie am 13. Januar in Kraft getreten. Sie läutet eine grundlegende Veränderung der Art und Weise ein, wie Geld in Europa online bewegt wird. Aber wer profitiert davon? Ist es ein Nullsummenspiel zwischen Banken und Fintechs und sollten die Verbraucher eher aufgeregt oder vorsichtig gegenüber der neuen Änderungen sein?
Langfristiger Wandel hin zu einem stärker integrierten europäischen Zahlungsverkehrsmarkt
Der langfristige Trend, einen zunehmend integrierten europäischen Zahlungsverkehrsmarkt zu schaffen, wird durch die neue Zahlungsrichtlinie PSD2 stark beschleunigt. PSD1 war die Grundlage für die Einführung und Expansion des Euros – und insbesondere von SEPA, dem Regelwerk, das definiert, wie Geld im Euroraum transferiert wird.
Obwohl die Fortschritte bei PSD1 recht kleine waren, dauerte es ab 2002 zwölf Jahre, bis die gesamte Infrastruktur, die von PSD1 und SEPA vorgegeben ist, vollständig implementiert wurde. Die vollständige Umsetzung von PSD2 wird nun etwa sechs Jahre dauern, jedoch mit weiterreichenden Konsequenzen. Wird das Potenzial von PSD2 voll ausgeschöpft, werden alle Beteiligten von der neuen Regelung profitieren: von den Fintechs über die Verbraucher bis hin zu den traditionellen Akteuren der Finanzbranche.
Wegbereiter für neue Fintech-Geschäftsmodelle
Mit der Einführung der zwei neuen Lizenzvergaberegelungen AISPs (Account Information Service Providers) und PISPs (Payment Initiation Service Providers) werden neue Arten von Fintech-Geschäftsmodellen entstehen. AISP ermöglicht es den Kunden, Informationen verschiedener Konten vollautomatisiert abzufragen und in Echtzeit aggregiert zur Verfügung zu stellen. Dazu erhält der Provider Zugang zu den Kundendaten bei den jeweiligen kontoführenden Instituten.
Mittels eines PISP können Kontoinhaber Zahlungen vom eigenen Konto ausführen lassen, ohne direkt mit dem kontoführenden Institut in Kontakt zu treten. Beide Regelungen erfordern die unbedingte Zustimmung des Kunden, so dass der Schutz seiner Daten auch weiterhin gewährleistet ist. AISPs haben einen “Lesezugriff" und Letztere einen "Schreibzugriff", was bedeutet, dass Provider Geld im Namen der Nutzer bewegen können.
Das Start-up Truelayer, das Finanzanwendungen entwickelt, die eine Verbindung zu Bankdaten herstellen, Konten überprüfen und Transaktionen in Echtzeit abrufen, ist ein gutes Beispiel für ein Unternehmen, das die neuen Regelungen bereits nutzt. Damit kann Truelayer Fintechs über APIs Zugang zu Bankdaten verschaffen. Es ist einer der Vorboten eines noch stärkeren Fintech-Ökosystems, in dem laut PWC bis 2021 Investitionen von mehr als 150 Milliarden US-Dollar weltweit getätigt werden.
Bekämpfung von Betrug und Verbesserung der Verbraucher-Wahlmöglichkeiten
PSD2 verspricht, Barrieren für Bankkontoinformationen abzubauen, die in der Vergangenheit nur auf den Servern von Finanzinstituten aufbewahrt wurden. In diesem Zusammenhang ist ein offenes Bankwesen ein wenig mit der Entstehung des Internets selbst vergleichbar und verspricht, die Landschaft des Zahlungsverkehrs zum Wohle der Verbraucher radikal zu verändern.
Durch die Ermöglichung eines sicheren Zugriffs Dritter auf diesen Datensatz wird die Überprüfung von Bankkonten erleichtert, um sicherzustellen, dass rechtmäßige Verbraucher und Unternehmen Geld online überweisen können. Bei der Bekämpfung von Online-Betrug ist dies ein großer Schritt nach vorn.
Das Innovationspotenzial reicht jedoch weit über die Prüfung von Bankkonten hinaus. Dies ist nur der erste Schritt auf einer längeren Reise für das europäische Fintech-Ökosystem, das eine große Vielfalt an Finanzprodukten bereitstellt. Viele davon helfen Nutzern, ihr Geld sinnvoller einzusetzen und zu transferieren. Es ist jetzt an der Zeit, Verbrauchern die Vorteile, die sich aus der Umsetzung ergeben, auch zu kommunizieren.
Wer wird als Sieger hervorgehen: Fintechs oder die Banken?
Einerseits haben agile, technisch fortschrittliche Fintechs wie N26 oder figo durch eine bessere Anbindung an die Bankinfrastruktur viel zu gewinnen. Andererseits ist es ermutigend zu sehen, dass die Banken bereit sind, ihren technischen Rückstand zu beseitigen und neue Services für die Verbraucher zu entwickeln. Laut PWC planen 84 Prozent der Banken Strategieänderungen aufgrund von PSD2. HSBC hat sogar bereits eine Beta-App eingeführt, die alle Guthaben von anderen Banken auf einen Blickt anzeigt.
Dies ist jedoch kein Nullsummenspiel zwischen Fintechs und den Banken; vor allem die Verbraucher werden die Gewinner sein. Letztendlich stehen wir kurz vor einem neuen Technologiesprung des gesamten Marktes, der für alle Beteiligten fruchtbar sein kann.
Der Teufel steckt im technischen Detail
Konsistenz und Qualität des API-Designs werden entscheidend sein, um einen gesunden Wettbewerb zwischen Banken und Finanzinstituten mit einem starken Verbraucherschutz in Einklang zu bringen. Das ist ein komplexes Unterfangen: Die Gestaltung der APIs ist entscheidend und weit reichend, mit großem Einfluss auf die Zukunft. Denn das Erstellen und Weiterleiten neuer Versionen ist mit viel Mühe verbunden. Diese Details werden für den längerfristigen Erfolg eines Projekts von grundlegender Bedeutung sein. (mb)