Nach den Jahren des Wachstums schien es bei Notebooksbilliger.de ruhiger geworden zu sein, bevor sich im letzten Jahr die Nachrichten geradezu überschlugen: Der Elektronikversender kündigte die Fusion mit Medimax an, sagte diese zwei Monate später wieder ab und trennte sich Anfang 2019 nach nur eineinhalb Jahren von CEO Oliver Ahrens.
Im Gespräch mit ChannelPartner sieht Firmengründer Arnd von Wedemeyer sein Unternehmen dennoch nicht in der Krise: "Manchmal ist es besser, ein Geschäft nicht zu machen als ein Geschäft zu machen." Vor allem mit Blick auf das gescheiterte Experiment, die Führung von Notebooksbilliger.de dem langjährigen Acer-Manager Ahrens zu übertragen, spricht Wedemeyer aber selbstkritisch von "hausgemachter Fehlern". Nachdem der Online-Händler im vergangenen Jahr die Umsatzschwelle von einer Milliarde Euro erreichte, habe man im Zuge der Führungskrise ein mäßiges erstes Quartal verbuchen müssen. "Wir werden dieses Jahr aber vermutlich profitabler abschließen als die Jahre zuvor", so Wedemeyer.
Die Aufgabe der Fusionspläne mit Medimax zwingt Notebooksbilliger.de dazu, seine Wachstumsstrategie neu zu überdenken - schließlich hätte das Zusammengehen mit der Fachmarkkette dem Elektronikversender im großen Stil Zugang zu Kundengruppen im Offline-Handel ermöglicht. Nun will Notebooksbilliger.de den Ausbau des eigenen Store-Netzwerks beschleunigen und Gründer Arnd von Wedemeyer schließt auch einen Zukauf oder eine Beteiligung bei einem etablierten stationären Player nicht aus: "Wir prüfen weiter verschiedene Optionen und würden sicher die Phase im Markt derzeit nutzen, um noch mehr Marktanteile zu gewinnen, was vermutlich leichter und schneller strategisch als operativ funktionieren könnte."
Offensive im B2B-Handel geplant
Die nach der Trennung von Ahrens gefundene Führungslösung sieht vor, dass der bisherige CFO Oliver Hellmold als CEO die Verantwortung für Finanzen, Logistik, Recht & Customer Service sowie auch für Teile der Einkaufsaktivitäten übernimmt. Zusätzlich übernehmen im Vorstand Firmengründer Wedemeyer und Chief Retail Officer Daniel Oharek alle strategischen Einkaufsbeziehungen. Wie Wedemeyer erklärt, handele es sich dabei um keine Übergangslösung, sondern um die personelle Aufstellung, mit der Notebooksbilliger.de die Herausforderungen der nächsten Jahre angehen wolle. Neben einer Rückbesinnung auf die Kernkompetenzen im Sortiment - der Elektronikversender zieht sich aus dem Geschäft mit Weißer Ware zurück - gehört dazu eine noch stärkere Fokussierung auf den Businesskundenbereich. "Es ist kein Geheimnis, das wir im B2B-Segment die einen oder anderen Themen vorbereiten", berichtet Wedemeyer. "Aber sichtbar wird das nicht vor Mitte beziehungsweise Ende nächsten Jahres sein."
Die Schwerpunktsetzung auf den Geschäftskundenbereich ist für den Notebooksbilliger-Gründer auch eine Konsequenz der voranschreitenden Konsolidierung im Online-Elektronikhandel: "Unser Marktsegment ist seit Jahren aus dem automatischen Wachstum heraus. Wir können also nur noch wachsen, wenn wir anderen Marktanteile wegnehmen. Was uns immer gelungen ist, was aber sicher nicht einfacher wird mit zunehmender Relevanz, die wir bekommen haben." Auch die mangelnden Innovationen im Hardware-Bereich machten dem Online-Händler das Geschäft nicht leichter. "Die Produkte sind zu vergleichbar. Es fehlt der Mut, mal 'quer' zu schießen", so Wedemeyer. "Alles ist auf Quartalszahlen optimiert, keiner lehnt sich aus dem Fenster. Das ist tödlich für Innovation!"
Media-Saturn als Hauptwettbewerber
Deutlich mehr Bewegung als im Produktbereich ist derzeit in der Entwicklung der Elektronikhandelsbranche zu beobachten. Mit Media-Saturn ist der europaweite Branchenvorreiter in Turbulenzen gekommen, die selbst Szenarien wie eine komplette Übernahme oder ein mittelfristiges Verschwinden vom Markt nicht ganz unwahrscheinlich erscheinen lassen. "Genauso wie es aufwärts eine 'Self-Fulfilling-Prophecy' war, könnte das abwärts ähnlich sein", orakelt Wedemeyer über den Retail-Marktführer.
Dennoch hütet sich der Notebooksbilliger-Gründer davor, Media-Saturn verfrüht abzuschreiben. "Wir sehen eine Media-Saturn trotz der derzeitigen Schwäche tatsächlich eher als Hauptwettbewerber, weil die Sortimentskompetenz aus meiner Sicht viel stärker geprägt ist als bei Amazon." Das gelte für Notebooksbilliger.de in besonderem Maße: "Wir waren nie stark in den günstigeren Sortimentsbereichen, wo Amazon sehr erfolgreich ist, aber eben mehr dem traditionellen Handel Schmerzen zugefügt hat." Zudem habe Amazon in Wedemeyers Einschätzung in den letzten Jahren auch nachgelassen bei Aspekten wie Liefertreue, Servicequalität und Sortimentsgestaltung. Mit der Kritik an dem E-Commerce-Giganten zeigt Wedemeyer aber auch, dass er seine Angriffslust nicht verloren hat und mit Notebooksbilliger.de noch viel erreichen will.
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