Die klassischen Banken sind in Verruf geraten. Die Finanzskandale der vergangenen Jahre, aber auch das Missverhältnis zwischen hohen Kosten (beispielsweise für Dispokredite) und mangelhafter Leistung (namentlich durch provisionsgetriebene Beratung) ruft in Privatkunden und mittelständischer Wirtschaft das Gefühl wach, als Klientel eigentlich gar nicht mehr erwünscht zu sein. Und häufig hat auch der Außenstehende den Eindruck, dass die Banken durch die (Nicht-)Vergabe von Krediten an Existenzgründer über Gebühr Einfluss nehmen, wie sich eine wirtschaftliche Landschaft entwickelt.
Mit dieser Haltung haben die großen Bankhäuser den Boden für alternative Anbieter bereitet, die einen Mehrwert für die Kunden versprechen – unter anderem im Hinblick auf günstigere Konditionen und höhere Verfügbarkeit. Die erreichen sie, indem sie ihre Aufbauorganisation flach und ihre Prozesse schlank halten. Und indem sie sich für ihre Geschäftsmodelle der aktuellsten technischen Hilfsmittel bedienen. Unter dem Begriff "Fintechs" (ein Kunstwort aus Finanz und Technik) wurden diese jungen Wilden der Finanzszene für die Bankkonzerne zunächst zum Schreckgespenst, inzwischen aber auch immer häufiger zum gesuchten Kooperationspartner.
Die neuen Marktteilnehmer
Die mannigfaltigen Spielarten der Fintech-Szene sowie deren Geschäftspotenzial und "Sprengkraft" im Markt hat die Unternehmensberatung Pass IT-Consulting aus Aschaffenburg in einer Studie untersucht. Die Autorinnen Christine Spietz und Nadja Schlössel zitieren darin aus einer Untersuchung der University of Cambridge, derzufolge in Europa 255 Fintech-Plattformen existieren. Drei Viertel davon seien im Vereinigten Königreich beheimatet; Deutschland weise erst 31 auf. Das Marktsegment wachse jedoch überall rasant und könne in drei Jahren schon bei einem Volumen von sechs bis acht Milliarden Dollar weltweit liegen, so eine Studie von Nunatak.
Den größten Teil der Fintech-Innovation hat Pass im Mobile Payment gefunden. Aber auch in Sachen Kassensysteme, Informationsgewinnung und -verarbeitung sowie Kunden- und Bankenprozesse seien die Startups aktiv. "Fintechs tummeln sich nicht nur in Randbereichen des klassischen Bankings, sondern auch in den absoluten Kernbereichen", so das Fazit der Studie, "sie drängen erfolgreich in den Kreditmarkt sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen."
Fintechs spielen gern den Vermittler oder Betreiber von Peer-to-Peer-Plattformen (so beispielsweise der seit Neuestem börsennotierte Lending Club). Ein Grund mag sein, dass sie sich dazu weder um Compliance-Auflagen noch um Kreditausfallrisiken kümmern müssen. Auch deshalb können sie ihre Gebühren für die Teilnehmer attraktiv halten.
Darüber hinaus haben die jungen Finanzdienstleister den Markt für preisgünstige Auslandsüberweisungen ins Visier genommen. An diesem Geschäft haben Platzhirsche wie Western Union lange Zeit (allzu) gut verdient - zum Nachteil vieler Menschen, die vom sauer verdienten Geld, das sie ihren Familien im Ausland schicken wollten, Gebühren im hohen einstelligen Prozentbereich zahlen mussten.
Das Marktpotenzial und die Sprengkraft der Fintechs
Wie wird sich ein bestimmtes Marktsegment entwickeln? Und welche Gefahr birgt das für die etablierten Geschäftsmodelle? Dieser Frage ist die Pass-Studie nachgegangen. Als „Disruptoren“ stellten sich vor allem die Kreditgeber für kleinere Firmen heraus.
Hier sind die Fintechs überall aktiv
Das Fintech-Universum, wie es die Pass-Studie beschreibt, ist keineswegs statisch. Einige der jungen Unternehmen haben selbst noch keine konkrete Vorstellung, wo die Reise hingeht. Andere wissen genau, wo ihr Stück vom Kuchen liegt – heute und morgen.
Der Pass-Studie zufolge lassen sich die Fintechs vor allem in zwei Kategorien einteilen: Hier das "Substitut", das die klassische Bank ersetzen kann, dort die "Anreicherung" als Ergänzung zum Angebot der großen Player.