Kaum ein Ereignis hat die Öffentlichkeit in jüngster Zeit so bewegt wie die VW-Affäre und das Strafverfahren gegen den ehemaligen VW-Vorstand Peter Hartz. Was dessen Verteidiger als "betriebsinterne Lobbyarbeit" (Süddeutsche Zeitung, 26.01.2007) darstellen möchten, halten die meisten für eine Form der Korruption von Arbeitnehmervertretern. Die Idee der unabhängigen Interessenvertretung durch Betriebsräte ist durch das Agieren der Verantwortlichen bei VW in Misskredit geraten und hat einen Rückschlag erlitten.
Übersehen wird in der öffentlichen Erregung schnell, dass es auch immer wieder Fälle von Benachteiligung von Betriebsräten gibt, die eine für den Unternehmer unbequeme Position einnehmen. Als Benachteiligung kann auch empfunden werden, wenn der Beitrag eines Betriebsrats zum Unternehmenserfolg nicht hinreichend gewürdigt wird. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit setzt den souveränen Unternehmer voraus, der den Wert der Arbeitnehmervertretung zu schätzen weiß und nicht jede "Besserstellung" von Betriebsräten stellt eine Bestechung dar.
Was im Umgang mit Betriebsräten zulässig oder verboten ist, regelt das Betriebsverfassungsgesetz. Betriebsratsmitglieder sollen wegen ihrer Amtstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden (§ 78 des Betriebsverfassungsgesetzes [BetrVG]). Wie am Fall Hartz deutlich wurde, ist die Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern gemäß § 119 BetrVG sogar ein Straftatbestand. Das Gesetz schützt damit die Unabhängigkeit der Interessenvertretung. Arbeitnehmervertreter sollen ihr Amt unparteiisch ausüben und so zum Wohl der Belegschaft und des Betriebs beitragen (§ 2 Absatz 1 BetrVG). Das Gesetz nimmt zwar widerstreitende Interessen zwischen Management und Belegschaft zur Kenntnis. Die unterschiedlichen Positionen sollen aber zum Ausgleich gebracht werden. Dabei ist der von unabhängigen Partnern - Betriebsräten einerseits, der Geschäftsführung andererseits - erarbeitete, gegebenenfalls auch erstrittene Kompromiss am ehesten geeignet, dem Wohl beider Seiten zu diesen.
Damit Betriebsräte nicht benachteiligt werden, darf ihr Arbeitsentgelt nicht geringer ausfallen als das "vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung" (§ 37 Absatz 4 BetrVG). Derjenige, der sich in der Interessenvertretung engagiert, soll also an die Entwicklung derjenigen Kollegen angeschlossen werden, die bei Übernahme des Betriebsratsamts eine ähnlich qualifizierte Tätigkeit ausübten. Entsprechendes gilt gemäß § 37 Absatz 5 BetrVG für die berufliche Entwicklung. Die Betriebsratstätigkeit ist in größeren Unternehmen mit der Freistellung von der beruflichen Tätigkeit verbunden, denn der Betriebsrat kann nicht in dem Maße für seinen Job zur Verfügung stehen wie ein normales Belegschaftsmitglied. Das soll grundsätzlich nicht dazu führen, dass ihm der berufliche Aufstieg verbaut wird. Dafür genügt es, wenn er der Gruppe seiner früheren Arbeitskollegen angeglichen wird.
Allerdings spiegelt dieses Amtsverständnis die Realität nur unzureichend wider. Das Betriebsratsamt ist heute bereits in einem großen Mittelstandsunternehmen, erst recht in Konzernen zum qualifizierten Beruf geworden. Wer als Facharbeiter in sein Amt kam, musste sich zwangsläufig Managementwissen aneignen, um gegenüber dem Gesprächspartner auf Unternehmensseite auf gleicher Augenhöhe auftreten zu können. Auch wenn die Betriebsverfassung kein System des Co-Managements vorsieht, sind die Beratungsrechte etwa bei Restrukturierungen nur mit betriebswirtschaftlichen Kenntnissen zu bewältigen. Der ehemalige Facharbeiter macht insofern den Job eines Managers, hat aber gemäß § 37 Absatz 4 BetrVG nur Anspruch auf eine Facharbeitervergütung. Betriebsratsarbeit ist qualifizierte Leistung im Sinne des Unternehmensganzen, wird aber nicht entsprechend honoriert. Dass auch diese Situation als ungerecht, ja diskriminierend erlebt wird, insbesondere vor dem Hintergrund einer extremen zeitlichen Beanspruchung, bedarf keiner Erläuterung.
Sicher ist es keine Lösung, einen Betriebsratsvorsitzenden wie im Fall Volkert dem Vorstand anzunähern und mit Millionen-Prämien zu überschütten. Die einem Vorstandsmitglied vergleichbare Verantwortung lastet auch nicht auf den Spitzenleuten im Betriebsratsgremium. Das Betriebsratsmitglied im Einzelfall einem Leitenden Angestellten im Personalbereich gleich zu stellen, sollte hingegen keine Bedenken hervorrufen. Der Belegschaft würde eine solche Anhebung der Bezüge plausibel erscheinen, denn das Engagement eines herausgehoben Arbeitnehmervertreters ist unbestritten. Probleme treten auf, wenn ein solcher "Top-Betriebsrat" nicht erneut gewählt wird. Ein Seitenwechsel auf der Managementebene ist schlecht vorstellbar. Soll er nach seiner Amtszeit etwa in den Personalbereich wechseln und als Gesprächspartner seiner ehemaligen Betriebsratskollegen auftreten? Möglicherweise ist daher die Dauer einer "Besserstellung" an die Wahrnehmung der verantwortungsvollen Funktion im Gremium zu koppeln. Danach wäre für den Betroffenen in seinem Ausgangsberuf eine Stelle zu finden, die der Entwicklung seiner bei Amtsantritt gegebenen Vergleichsgruppe entspricht. Bei der Behandlung des Themas sollte im Übrigen Transparenz oberstes Gebot sein. Man sollte eine Selbstverpflichtung von Betriebsratsmitgliedern zur Offenlegung ihrer Bezüge nicht ausschließen. Immerhin ermöglich dies die Kontrolle durch die Wähler.
Gegen die hier vorgestellte Lösung könnte der Einwand erhoben werden, die Heraushebung eines Betriebsratsmitglieds aus seiner ursprünglichen Vergleichsgruppe sei eine gemäß § 119 BetrVG strafbare Begünstigung eines Betriebsrats "um seiner (Amts-)Tätigkeit willen". Die Anhebung der Vergütung prominenter Betriebsratsmitglieder auf das Niveau ihrer Gesprächspartner auf Unternehmensseite erfolgt aber gar nicht mit dem Ziel der Begünstigung. Die Betriebsratsmitglieder sollen in diesem Fall nur angemessen für ihre qualifizierte Leistung honoriert werden. Man wird daher von einer zulässigen Vergütung qualifizierter Tätigkeit ausgehen, solange die Verhältnismäßigkeit der Vergütungssteigerung gewahrt bleibt. Die überdurchschnittlichen Leistungen eines Betriebsrats im Interesse des Unternehmensganzen sind in die Betrachtung einzubeziehen.
Der Betriebsrat als Repräsentant der Belegschaft soll das allgemeine Interesse der abhängig Beschäftigten zum Ausdruck bringen. Das setzt voraus, dass Betriebsräte der soziologischen Mitte der Belegschaft entstammen! Er soll bei seiner Arbeit in der Lage sein, unternehmerisch mitzudenken, weil allein hierdurch die Arbeitsplätze im Unternehmen gesichert werden können. Verantwortung heißt unter diesen Bedingungen auch, notwendige Restrukturierungen nicht zu behindern, wenn hierdurch die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens garantiert werden soll.
Betriebsräte sollen nicht die Nische verteidigen, die einer gesunden Unternehmensentwicklung im Wege steht. Wird dem Betriebsrat allerdings ständig demonstriert, dass seine Tätigkeit wie ein Mühlstein am Unternehmen hängt, wird er wegen seines Engagements benachteiligt, schädigt sich das Unternehmen selbst. Statt Mitdenken herrscht Denkblockade.
Interessengerecht verhält sich ein Unternehmen, wenn es Betriebsratsarbeit als notwendigen Beitrag zum Unternehmensergebnis einschätzt. Damit verbunden ist die vom Gesetz vorgegebene Wertschätzung der Tätigkeit von Arbeitnehmervertretern. Damit das funktioniert, sollte mit Betriebsratsmitgliedern wie mit jedem Arbeitnehmer ein Entwicklungsplan erarbeitet werden, der die finanzielle Entwicklung durch Definition von Vergleichspersonen und die berufliche Qualifikation über ein Fortbildungsprogramm sichert. Daneben sollte in einer offenen Diskussion erörtert werden, welche zusätzliche Vergütung den einzelnen Betriebsratsmitgliedern wegen ihrer qualifizierten, zumeist auch zeitlich extrem belastenden Tätigkeit zukommen soll. Ist Managementwissen zur Bewältigung der Betriebsratsaufgaben gefordert, sollte dieses auch angemessen honoriert werden, selbst wenn das Betriebsratsmitglied auf Grund dessen - jedenfalls während seiner Amtszeit - mehr verdient als die Arbeitnehmer, mit denen er bei Amtsübernahme vergleichbar war.
Das Arbeitsentgelt eines Betriebsratsmitglieds darf nicht geringer bemessen werden als das der Vergleichsgruppe bei Amtsübernahme. Es kann allerdings auch höher angesetzt werden, wenn hierdurch der qualifizierte Beitrag zum Unternehmenserfolg angemessen kompensiert wird.