Während Technologie nahezu frei verfügbar wird und ähnlich wie physische Assets keine Markteintrittsbarriere mehr darstellt, sind es motivierte und gut ausgebildete Talente, die über Wohl und Wehe eines Unternehmens entscheiden. Doch was unter gut ausgebildet zu verstehen ist, das wandelt sich ebenso wie das Verständnis darüber, was als Talent und erfolgskritisch für ein Unternehmen anzusehen ist. Nicht zuletzt die regelmäßig veröffentlichten Übersichten des World Economic Forum zeigen, dass bei den Fähigkeiten der Mitarbeiter ein radikaler Wandel stattfindet.
Waren es früher eher fachliche Skills, so sind es heute Kreativität, emotionale Intelligenz und kognitive Flexibilität, auf die es ankommt. Die Fähigkeit, sich laufend auf neue Situationen einzustellen und in komplexen Netzwerken zu denken und zu agieren, wird zum Dreh- und Angelpunkt eines erfolgreichen, sprich anpassungsfähigen Organismus im digitalen Zeitalter.
Flexibel sein und in komplexen Netzwerken denken
Von "Big is beautiful" zu Darwin: "Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern eher diejenige, die am ehesten bereit ist, sich zu verändern." Und dies setzt im Übrigen eine Fähigkeit voraus, die vielen von uns während der Ausbildung konsequent abtrainiert wird: Lernmotivation und Neugier (… nicht umsonst spricht Sir Ken Robinson von "School is killing creativity!").
Diese Fähigkeiten sind zudem das Fundament für die im Detecon Company ReBuilding Ansatz beschriebenen agilen Zell-Strukturen. Hier werden regelgebende Strukturen auf ein Minimum reduziert. Entscheidend ist die flexible Steuerung eines komplexen Netzwerkes aus organisch gewachsenen Zellen sowie externen Partnern und Kunden über Plattformen. In diesen neu geschaffenen, dynamikrobusten Strukturen verschwinden bisherige, organisatorische Haltepunkte, die gleichzeitig Orientierung boten, auf der anderen Seite aber auch für unüberbrückbare Gräben und Silos gesorgt haben. Funktionale Tätigkeiten wie HR, Finance, Marketing werden in diesen Strukturen einzelnen Mitarbeitern als Rolle zugeordnet und bilden sich nicht mehr in Funktions-Silos ab. Ermöglicht wird eine solche Verschlankung nicht zuletzt durch Technologien wie Künstliche Intelligenzen und Analytics, die bisherige operative und repetitive Tätigkeiten übernehmen. Der individuelle, menschliche Wertschöpfungsanteil steigt in dieser Konstellation exponentiell und wird sich verlagern auf mehr beratende, kreative oder innovationsfördernde Tätigkeiten.
Konformität war gestern
Die oben beschriebenen Fähigkeiten und entsprechenden Träger derselben (= Talente) sind rar gesät, sind wir doch durch unser Ausbildungssystem auf Konformität, Arbeitsteiligkeit und klar abgrenzbare Aufgaben und Strukturen konditioniert. Die Frage, die sich in diesem Kontext für alle Unternehmen gleichermaßen stellt: Wie gelingt es, die für eine erfolgreiche Wertschöpfung im Ökosystem erfolgskritischen Talente anzuziehen und insbesondere langfristig zu binden? Das muss man vor allem vor dem Hintergrund der gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen sehen, die mit der Digitalisierung einhergehen. Aber auch die demographische Entwicklung, bekannt unter dem Stichwort 'War for talents', tut ihr eigenes dazu, dass eine Gesellschaft es sich nicht leisten kann, das Gold in den Köpfen und Herzen der Mitarbeiter verkümmern zu lassen bzw. nicht zu schürfen.
Die Umkehr der Machtverhältnisse
Eine weitere Entwicklung der letzten Jahrzehnte zwingt ebenfalls zum Umdenken: die Loyalität gerade von guten Mitarbeitern gegenüber Unternehmen ist stark zurückgegangen. Dies ist sicherlich auch als Reaktion auf die Rationalisierungswellen der letzten Jahre zurück zu führen, bei denen loyale und hochqualifizierte Mitarbeiter der Effizienzspirale zum Opfer gefallen sind. Die junge Generation hat hier gelernt und zahlt, wenn man so will, mit gleicher Münze heim. Wir beobachten eine Umkehr der Machverhältnisse: von der Forderung der Unternehmen nach Loyalität hin zur Forderung eines attraktiven Arbeitsumfelds durch die Mitarbeiter.
Deswegen müssen wir umdenken und alte Zöpfe im Talent Management abschneiden. Denn diese basieren noch auf einer Zeit, in der Unternehmen es sich leisten konnten, wenige Eliten zu fördern. Ganz nebenbei sei ergänzt, dass diese vermeintlichen Eliten nicht selten die waren/sind, die es am besten gelernt hatten, sich dem System widerspruchslos anzupassen, aber weniger über Disruptions- oder Kreativpotenzial verfügen. Das alte Belohnungssystem für High Potentials, Gradlinigkeit und Mainstream, gehört auf den Scheiterhaufen des Talent Managements (TM). Was wir nicht brauchen ist ein Talent Management als Eliteförderung einiger weniger, als einseitige Führungskräfteförderung und als Auswahl der Klonmanager. Was also ist zukunftssicheres Talent Management in Zeiten von Company ReBuilding?
Die Neudefinition des Talent-Begriffs
Gehen wir zunächst einen Schritt zurück: Was genau ist eigentlich ein Talent, wie bekomme ich dieses identifiziert und muss ich es überhaupt managen? Also erst einmal Wikipedia bemüht: hier wird Talent mit Begabung gleichgesetzt, "welche zu besonderer Leistungsfähigkeit einer Person in einem bestimmten Gebiet" beiträgt. Interessant ist dabei, dass von Talent dann gesprochen wird, wenn es sich "um eine Fähigkeit handelt, die man nicht durch Lernen oder Ausbildung erworben hat, sondern bereits von Geburt besitzt."
Was steckt in mir und welchen Wert kann ich damit stiften?
Ganz schön irreführend, wenn man bedenkt, dass wir von Talent-Entwicklung und spezifischer Qualifizierung von Talenten sprechen, also davon, dass man Talente entwickeln kann und deren Fähigkeiten nicht gottgegeben sind. Ergänzend müssen wir deswegen festhalten, das wir hier von einer Prädisposition sprechen, eine bestimmte Fähigkeit auf- und auszubauen. Das heißt mit anderen Worten, wenn wir dieses Potenzial nicht heben, kann es sein, dass wir dieses Talent nicht entwickeln, geschweige denn Gebrauch davon machen können. Es geht beim Talent Management im Wesentlichen um die Frage: Was steckt in mir, wo finde ich es, wie entwickle ich es zu meinem eigenen Vorteil und kann dadurch größtmöglichen Wert für die Gemeinschaft schaffen (sowohl in der Arbeitswelt/-gemeinschaft, als auch in sozialer Gemeinschaft wie Familie etc.).
Wir möchten hier ungern einen neuen Begriff einführen (… uns lag irgendwie 'Value Creator' auf der Zunge, aber erschien uns etwas sperrig …). Aber wir wollen bei Talenten nicht von festgelegten Fähigkeiten sprechen, sondern von denjenigen, die den höchsten Wertbeitrag (und dies im Sinne von Value und nicht zwangsläufig Euro) für das gesamte Ökosystem leisten und die dazu befähigen, sich optimal an das jeweilige Umfeld anzupassen. Aber wie identifizieren wir diese Talente? Oder: Wie werden diese sichtbar?
How to survive - was brauchen wir, um glücklich und erfolgreich zu leben und arbeiten?
Bevor wir diese Frage beantworten, sollten wir uns vergegenwärtigen, nach was wir denn Ausschau halten müssen. Welche Fähigkeiten und Eigenschaften sind es, die wir in Zukunft (noch mehr) benötigen, um in einer vernetzten, globalen Ökonomie mithalten zu können? Wir sehen fünf wesentliche Zukunftsfähigkeiten
1. Visionskraft - will to build the future
2. Veränderungsinitiative - will to disrupt
3. Selbstwirksamkeit - will to reflect
4. Lernagilität - will to learn
5. Fähigkeit zur Kollaboration - will to team up
Wir benötigen Talente, die nicht nur im Hier und Jetzt agieren, sondern auch die Themen und Aufgaben für das Morgen und Übermorgen erkennen und daraus Handlungen ableiten. Deswegen macht es keinen Sinn, hochbegabte Menschen 12 bis 14 Stunden täglich mit operativem Einerlei zu beschäftigen und ihnen dadurch die Sicht auf die Zukunft zu verstellen. Um diese Fähigkeiten auf breiter Front zu entwickeln und zu fördern brauchen wir ein anderes Mindset und neue Rahmenbedingungen für ein zukunftsorientiertes Talent Management. Dieses muss:
schneller/agiler werden - Mitarbeiter warten nicht mehr drei Jahre auf nächste Beförderung oder Challenge;
demokratisiert werden - weg von Eliteförderung und Konzentration auf Schlüsselpositionen (wer weiß schon, was in disruptiven Zeiten eine Schlüsselposition in drei Jahren sein wird?);
muss unternehmensweit mobilisieren - jeder hat letztlich ein Talent;
Selbstwirksamkeit und Selbstorganisation unterstützen;
Mitarbeiter befähigen, ihre Talente selbst zu entdecken und herauszufinden, was wie wollen und können - und wofür sie bereit sind, sich zu engagieren?
Talente in ihre Entwicklung miteinbeziehen und sie nicht in Programmen verwalten;
keine Goldfischteiche bilden, sondern Communities und Netzwerke.
Sind die Grundlagen gelegt, brauchen wir eine Arbeitswelt, die das Wachsen der Talente fördert, sie anspornt zu Höchstleistung, den konstruktiven Wettbewerb der Talente sportlich nutzt und schlussendlich Spaß und Sinn produziert.
Weil sie es wollen und können
Zukunftssicherung heißt heute Talent Management und dieses wird immer mehr zum kritischen Erfolgsfaktor. Schon heute entgehen deutschen Unternehmen laut einer Studie von EY durch den Fachkräftemangel fünf Milliarden Euro Umsatz - Tendenz steigend. Es wird Zeit, Talent Management zur Chefsache zu erklären und die Unternehmensarchitektur und Kultur zu verändern. Jeder Mitarbeiter wird zum Chef seines eigenen Talent Managements, er wird sich nicht in Programmen verwalten lassen, sondern aktiv seine eigenen Potenziale identifizieren und an seiner Persönlichkeitsentwicklung arbeiten - weil er es will und kann.