Das Festnetz ist tot – es lebe das Festnetz. Denn das Festnetz, so wie es einmal gestartet ist, gibt es bald nicht mehr. Die Telefonleitung an sich hat aber keineswegs ausgedient. Aber ihr einstiger alleiniger Einsatzzweck, nämlich die Übertragung von Sprache, ist in Zeiten von DSL aus technischer Sicht längst nur noch Nebensache. Sie rauscht heute schon bei vielen Kunden – ohne dass sie explizit etwas davon mitbekommen – nur noch als schmalbandiger digitaler Voice-over-IP-Datenstrom („VoIP“) parallel zu Youtube-Streams und Internet-Seiten durch die Internet-Verbindung. Und wenigen Jahren wird es bei nahezu jedem Haushalt in Deutschland so sein.
IP-Anschluss: Herkömmlicher Telefonanschluss ist Auslaufmodell
Der klassische, leitungsvermittelte Telefondienst mit analoger oder ISDN-Technik belegt ein vergleichsweise breites Frequenzspektrum auf den Kupferdoppeladern der Anschlüsse. Schaltet man ihn ab und nutzt die frei werdende Kapazität für DSL-Signale, lässt sich dadurch entweder die Reichweite und/oder die Geschwindigkeit des Anschlusses steigern. Mit Reichweite ist die maximale Entfernung zwischen Vermittlungsstelle und Wohnung des Nutzers gemeint, bei der DSL bis zu einer bestimmten Geschwindigkeit realisierbar ist.
Ein weiterer Nachteil des herkömmlichen Telefondienstes aus Sicht eines Telekommunikationsanbieters: Er muss dazu ein dezentrales Netz an Telefon-Vermittlungsstellen betreiben. Bei IP-Telefonie kann er hingegen die Technik an wenigen zentralen Stellen bündeln. Daraus folgt eine enorme Kostenersparnis. Wenn ein Netzbetreiber dann auch noch die DSL-Gegenstellen (DSLAMs) aus den Vermittlungsstellen heraus in die Verteilerkästen am Straßenrand verlagert (Outdoor-DSLAMS), so wie es bei VDSL der Fall ist, kann er die meisten Vermittlungsstellen-Standorte schließen und verkaufen. Das Interesse der Netzbetreiber – allen voran der Telekom - möglichst schnell möglichst viele Kunden auf IP-Telefonie umzustellen, ist daher entsprechend groß. Der Plan: Bis Ende 2018 sollen alle Telefonanschlüsse auf VoIP umgestellt sein.
Reine Analog- und ISDN-Anschlüsse stellt die Telekom so um, dass die Kunden davon nichts mitbekommen. Die Umwandlung der Daten findet in diesen Fällen auf Seiten der Telekom in den Vermittlungsstellen oder Kabelverzweigern statt. Ob das auch für ISDN-Primärmultiplex-Anschlüsse gilt, die in mittleren und großen Firmen zum Einsatz kommen, ist noch ungewiss.
Bei Festnetzanschlüssen, über die auch DSL genutzt wird, geht es allerdings darum, die bislang vom analogen oder ISDN-Anschluss fest belegten Frequenzbereiche freizuräumen, um zusätzliche DSL-Bandbreite zu gewinnen. Daher erfolgt die Umwandlung der Sprache in IP-Pakete auf Seiten des Benutzers, und zwar in der Regel durch seinen Router mit integrierter VoIP-fähiger Telefonanlage (siehe nächster Abschnitt).
Wer Internet & Telefon von einem Telekom-Konkurrenten bezieht, nutzt in der Regel schon IP-Telefonie. Denn die Mitbewerber können die nackte Anschluss-Leitung zum Kunden (TAL) von der Telekom mieten. Dadurch sparen sie sich schon jetzt den Aufbau und Betrieb von dezentralen Telefon-Vermittlungsstellen. Anbieter von Internet-Anschlüssen, die über den TV-Kabelanschluss laufen, haben von Anfang an auf eine VoIP-ähnliche Technik gesetzt.
So funktioniert die VoIP-Technik von IP-Anschlüssen
Bei der IP-Telefonie ist das Telefon nicht in die TAE-Buchse der Telefondose an der Wand oder in eine ISDN-Box oder in einen Splitter eingestöpselt, sondern in das VoIP-fähige Kabelmodem oder den DSL-Router. Er digitalisiert die vom analogen Telefon in elektrische Impulse umgewandelten Schallwellen, komprimiert sie gegebenenfalls, verpackt sie in Datenpakete und schickt sie über das Internet-Protokoll zum Telefon-Server des Anbieters. Dieser tauscht die Daten mit dem Gesprächspartner aus. Sollte das Gegenüber keine IP-Telefonie nutzen oder Kunde bei einem anderen Anbieter sein, werden die Daten mittels eines Übergabepunktes (Gateway) ins herkömmliche Telefonnetz eingespeist.
Damit Sie für eingehende Anrufe jederzeit erreichbar sind, ist es nötig, dass der Router permanent online bleibt. Bei manchen Anbietern baut er dazu - für den Anwender unsichtbar - eine zweite Verbindung („PPPoE-Session“) auf. Diese ist dann ausschließlich für den Telefonverkehr zuständig. Andere Provider, zum Beispiel die Telekom, nutzen die normale Online-Verbindung für die Telefonie mit. Der Router und die Netzkomponenten des Providers priorisieren die VoIP-Datenpakete, damit auch bei hoher Last störungsfreies Telefonieren möglich ist.
Solange keine Gespräche geführt werden, steht die VoIP-Bandbreite normalerweise auch für andere Internet-Übertragungen zur Verfügung – ein entscheidender Vorteil gegenüber herkömmlicher Telefonie. Wobei der Bandbreitenbedarf bei VoIP ohnehin sehr gering ist.
Anders als bei klassischer Internet-Telefonie wie Skype werden die Daten der IP-Telefonie bei Telekom, Vodafone, O2 & Co außerdem nicht über das Internet geroutet, sondern nur innerhalb des jeweils eigenen Netzes. So können die Anbieter sie auf dem kürzesten Weg zum Empfänger leiten und auf der gesamten Strecke priorisieren. Aussetzer, Verzögerungen oder Verbindungsabbrüche lassen sich so nahezu ausschließen. Das gilt natürlich nur, wenn der DSL-Zugang stabil ist.
Die Sprachqualität ist grundsätzlich mit herkömmlicher Telefonie vergleichbar. Wenn beide Gesprächsteilnehmer im gleichen Netz telefonieren und Telefone benutzen, die den Sprachcodec G.722 unterstützen, ergibt sich sogar eine deutlich bessere Sprachqualität. Das Verfahren ist auch als „HD-Telefonie“ oder - bei Schnurlos-Telefonen - als „CAT-iq“ bekannt.