- Henrik Hasenkamp, CEO bei gridscale
„CSPs kaufen Fremdtechnologie ein und vermarkten sie in ihrem Namen. Und der Nutzen ist dabei für den Kunden höher, als wenn jeder Anbieter anfängt, diese Technologie zu entwickeln.“ - Marc Korthaus, CEO bei SysEleven
"Echte Innovation erzeugt man nur mit Eigenentwicklungen, die aber richtig teuer sind." - Michael Emmer, Vorstand bei SpaceNet
"Das Ganze läuft auf ein hybrides Modell hinaus, bei dem On-Premise- und Cloud-Landschaften – auch die der Hyperscaler – miteinander kombiniert werden." - Martin Endress, Chief Customer Officer bei Ionos
"Ich glaube schon, dass Gaia-X den Platz bespielbarer machen wird.“ - Claus Boyens, COO bei der dogado group
"Den Feature-Krieg gegen die Hyperscaler können wir nicht gewinnen." - Bartlomiej Kluska, Consulting Director DACH Cloud & ICT bei Comarch
"Die meisten der europäischen Plattform-Anbieter setzen auf Open Stack, nutzen aber auch proprietäre Technologien von US-amerikanischen Anbietern." - Matthias Nöbauer, CEO Exoscale bei A1 Digital
"Gaia-X hat für viel Awareness gesorgt." - Gabriel Willigens, Leiter von Business Unit Data LogistIX bei Itenos
"Wenn man aber die richtige Technologie einkauft und Kunden adäquat berät, dann kann man sich schon von den Hyperscalern loseisen." - Christian Anderka, Enterprise Sales Director bei Intel
"Mittelständische Kunden wollen bei mittelständischen Resellern einkaufen." - Ingo Kraupa, CEO bei Noris Network
"Ein mittelständischer Kunde kann mit dem Hyperscaler nie auf Augenhöhe diskutieren." - Alexander Jenewein, Director EMEA Cloud Service Provider & Hyperscale bei Lenovo
"Mit Vendoren wie Intel, AMD und Nvidia haben wir Verträge abgeschlossen, um zeitgerechte Lieferung sicherzustellen." - Alexander Wallner, CEO bei Plusserver
"Kunden aus dem öffentlichen Bereich und dem Healthcare, Finanzdienstleister und Retailer sprechen uns auf den Sovereign Cloud Stack (SCS) bereits an."
Mittelständische Cloud Service Provider (CSPs) können gegen Hyperscaler wie AWS, Microsoft und Google durchaus punkten. Gemeinsam mit Lenovo diskutierten sie in einem ChannelPartner-Roundtable über ihre Geschäftsaussichten.
Zuerst stellte Alexander Jenewein, Director EMEA Cloud Service Provider & Hyperscale bei Lenovo, seine Offerten für die CSPs vor. Der Manager sieht sein Unternehmen im Vorteil, weil man in der Lieferkette besser positioniert sei: "Wir haben die Möglichkeit, vorab einzukaufen. Mit Vendoren wie Intel, AMD und Nvidia haben wir entsprechende Verträge abgeschlossen, um eine zeitgerechte Lieferung sicherzustellen."
Danach analysierte Jenewein den europäischen CSP-Markt: "In Frankreich gibt es einen Cloud-Provider wie OVH, aber ansonsten ist der Markt von mittelständischen CSPs geprägt." Hier lobt der Lenovo-Manager aber ausdrücklich die deutschen Cloud Service Provider, die durchaus schöne Margen erwirtschaften, weil sie OPEX-orientierte Modelle bevorzugen und ihre Leistungen minutengenau abrechnen können, wie das zum Beispiel der Rechenzentrumsbetreiber Noris Network tut.
Dessen CEO Ingo Kraupa schilderte im Anschluss, wie er ins Cloud-Geschäft gestartet ist, und wie er sich gegenüber den Hyperscalern positioniert: "Bei den Hyperscalern gibt es geringe Einstiegshürden, sie bieten eine Vielzahl an Services an, was aber unter Umständen dazu führen kann, dass es dort sehr schnell teuer wird, wenn man sich nicht gut auskennt und die falschen Dinge zusammenstellt."
Und deswegen sieht der Noris Network-Chef realistische Geschäftschancen für mittelständische CSPs: "Ein mittelständischer Kunde kann mit dem Hyperscaler nie auf Augenhöhe diskutieren". Problematisch werde es dort auch, wenn man Legacy-Systeme in die Cloud bringen möchte, so Kraupa weiter.
Mittelständische Cloud Service Provider und die Hyperscaler
Kunden wollen immer mehr Applikationen in die Cloud transferieren, und von dieser Neigung können auch mittelständische Cloud Service Provider profitieren - etwa in Nischenmärkten, da ist sich Kraupa relativ sicher: "Man muss sich fokussieren und die eigenen Kunden intensiv betreuen." Noris Network setzt dabei auf hohe Sicherheit, rasche Verfügbarkeit und schnelle Provisionierung, unabhängig von der genutzten Infrastruktur: öffentliche und private Cloud oder vor Ort beim Anwender. "Und deswegen fahren wir unsere Eigenentwicklungen zurück und konzentrieren uns auf Kunden, die nicht absolut preissensitiv sind, sondern auf Zertifizierung, Performance, Integration und Sicherheit Wert legen", skizziert Kraupa eine Geschäftsstrategie.
Den Trend weg von der Eigenentwicklung hin zu einer White-Label-Lösung sieht auch Gridscale-CEO Henrik Hasenkamp aufkommen: "CSPs kaufen Fremdtechnologie ein und vermarkten sie in ihrem Namen. Und der Nutzen ist dabei für den Kunden höher, als wenn jeder Anbieter anfängt, diese Technologie zu entwickeln." Ganz so simpel stellt sich die Situation für Marc Korthaus, CEO bei SysEleven, nicht dar: "Echte Innovation erzeugt man nur mit Eigenentwicklungen, die aber richtig teuer sind." Hier verweist Korthaus auf die europäische Cloud-Initiative Gaia-X, innerhalb derer man schon eigene Intellectual Property abseits der US-amerikanisch dominierten Systeme schaffen könnte.
"Und deswegen setzen wir gleich auf zwei unterschiedliche Architekturen, auf eine Open Stack basierte Gaia-X konforme und auf eine kommerzielle Plattform (von VMware, Anm. d. Red.) für das Brot-und-Butter-Geschäft", ergänzt Alexander Wallner. Und der CEO der Plusserver Gruppe stimmt Korthaus insoweit zu, dass europäische Unternehmen selbst eigene Cloud-Lösungen entwickeln sollten.
Die gleiche Meinung vertritt Martin Endress, Chief Customer Officer bei Ionos: "Wir entwickeln bewusst vieles selbst. So können wir Kundenanforderungen schneller umzusetzen und die Cloud so weiterentwickeln, wie es der Markt erfordert. Das sind schon unsere Alleinstellungsmerkmale". Allerdings fremdeln laut Endress manche Kunden mit diesen Eigenentwicklungen, weil sie von Hyperscalern andere Produkte gewohnt sind.
Genau an diesem Punkt grätscht Claus Boyens, COO der Dogado Group, ein: "Den Feature-Krieg gegen die Hyperscaler können wir nicht gewinnen." Und deswegen setzt er auf den LAMP-Stack (Linux-Betriebssystem, Apache-Webserver, MySQL-Datenbank und PHP-Skripte, Anm. d. Red.). Dennoch ist auch Boyens der festen Überzeugung, dass man mit dem direkten Kundenkontakt zum Mittelstand gegenüber den Hyperscalern schon punkten kann. Auf der anderen Seite hostet Dogado zahlreiche Webshops auf AWS: "Es ist mehr ein gutes Neben- statt Gegeneinander", so der Dogado-COO.
Dem Fachkräftemangel vorbeugen
Eine eigene DSGVO-konforme Cloud-Infrastruktur für den europäischen Markt hat A1 Digital entwickelt, die Tochter des österreichischen Telekommunikationsbetreibers A1. Die Federführung bei der Weiterentwicklung der Exoscale genannten Cloud-Plattform liegt bei Matthias Nöbauer in der Schweiz. Er arbeitet auch mit ausländischen Entwicklern zusammen, achtet aber darauf, dass es bei der Zusammenarbeit mit den auswärtigen Fachkräften zu nicht mehr als zwei Stunden Zeitunterschied kommt: "Diese Developer sind unser Schlüssel zum Erfolg", so Nöbauer weiter.
Die anschließende Umfrage unter den Teilnehmer ergab, dass nur die Hälfte der an der Diskussion beteiligten Cloud Service Provider mehr als 20 Cloud-Entwickler beschäftigt. "So können wir uns gegenüber den Hyperscalern nicht positionieren", meint Korthaus von SysEleven. "Doch", widerspricht ihm Gabriel Willigens, Leiter von Business Unit Data LogistIX bei Itenos: "Wir können schon gegen die Hyperscaler bestehen. Wenn man die richtige Technologie einkauft und Kunden adäquat berät, dann kann man sich schon differenzieren und von den Hyperscalern loseisen."
"Mittelständische Kunden wollen bei mittelständischen Resellern einkaufen", so die Erfahrung von Christian Anderka. Und deshalb rät der Enterprise Sales Director bei Intel allen Marktteilnehmen, die Sprache des Mittelstands zu sprechen. Denn die dort verorteten Firmen wollen sich nicht im Self-Service-Verfahren aus den Cloud-Marktplätzen der Hyperscaler selbst bedienen, sondern vertrauen bei der Zusammenstellung der von ihnen tatsächlich benötigten Cloud-Service ganz auf die Fachkompetenz der sie betreuenden IT-Dienstleister, da ist sich Henrik Hasenkamp ziemlich sicher.
Ferner bringt der Gridscale-CEO den Aspekt des Cloud-Ausstiegs ins Spiel und erinnert in diesem Zusammenhang an den Cloud-Speicher-Anbieter Dropbox, dessen Erfolgsgeschichte erst mit dem Abschied von AWS begann. Und wenn man die eigene Cloud-Umgebung wechseln möchte, da helfen schon Kenntnisse in programmierbarer Infrastruktur, in Containerisierung und in moderner Plattformorchestrierung.
"Das Ganze läuft auf ein hybrides Modell hinaus, bei dem On-Premise- und Cloud-Landschaften - auch die der Hyperscaler - miteinander kombiniert werden", argumentiert Michael Emmer, Vorstand bei der SpaceNet AG. Seiner Ansicht nach geht es dabei darum, die Vorteile der Hyperscaler, etwa hinsichtlich der Skalierbarkeit, zu nutzen. "Daran glaub ich nicht", widerspricht ihm Korthaus: "Die "Hyperscaler wollen alles selbst machen, da ist kaum ein Miteinander mit anderen Providern möglich". Kunden, die nicht bereit sind, Monat für Monat ein Consulting-Paket für 15.000 Euro zu abonnieren, seien für AWS & Co. uninteressant, meint der SysEleven-Chef.
"Und die großen Kunden mit eigener IT-Abteilung kommen vor allem deswegen zu uns, weil sie die Risiken der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) absichern wollen und weil sie wissen, dass wir bereit sind, dafür die Ärmel hochzukrempeln." Und deshalb plädiert Korthaus für eine Bündelung der Kräfte unter den CSPs in Europa.
"Es kann schon sein, dass Amazon irgendwann keine kleinen Kunden mehr bedient", stimmt ihm Emmer in diesen Punkt zu, allerdings glaubt der SpaceNet-Chef, dass sich mittelständische Kunden von den Hyperscalern nicht erpressen lassen, Stichwort: Vendor-Lock-in. Dieser Aussage widerspricht wiederum Hasenkamp: "Kunden machen meist große Augen, wenn wir ihnen die Schwierigkeiten beim Wechsel von einer Cloud-Plattform auf eine andere schildern", so der Gridscale-Chef. "Es passiert immer wieder, dass Kunden die Public Cloud verlassen wollen, weil ihnen die Kosten dafür zu hoch erscheinen", entgegnet Emmer (SpaceNet). "Aber der CTO, der sich für die eine Cloud-Umgebung entschieden hat, darf dann den Wechsel auf eine andere Plattform nicht mehr leiten", da ist sich Korthaus von SysEleven ganz sicher.
Mittelstand will in die Cloud
Für Ionos-Manager Martin Endress stellt sich die Frage, wie man seine Kunden vor dem Vendor-Lock-In schützen kann. Eine mögliche Antwort darauf ist die Multi-Cloud. "Und der einzige Weg zur Multi-Cloud führt über Kubernetes", ergänzt Korthaus. "Das ist eine von Google als Open Source freigegebene Lösung, um gegen AWS zu punkten", stellt der SysEleven-Gründer fest. Damit bleiben auch in der Multi-Cloud gewisse Abhängigkeiten bestehen. "Wir wollen einen möglichst niedrigen Vendor-Lock-in für unsere Kunden. Daher ist unsere Positionierung im Markt herausfordernd und nicht sehr bequem", stellt Korthaus fest.
Bartlomiej Kluska bestätigt diese Einschätzung: "Die meisten der europäischen Plattform-Anbieter setzen auf Open Stack, nutzen aber auch proprietäre Technologien von US-amerikanischen Anbietern." Und eines ist dabei für den ICT Consulting Director bei der Comarch AG klar: "So können wir in Europa nicht 100-prouzentig souverän werden. Stattdessen sollten wir in Bereichen agieren, in denen wir Alleinstellungsmerkmale haben. Das ist schwer, denn die Hyperscaler haben eine gewaltige Macht und großes Entwicklungspotential. Dennoch sollten wir uns klarmachen, was wir in Europa in den nächsten fünf bis zehn Jahren entwickeln könnten. Nur darauf basierend kann eine vernünftige Strategie aufgebaut werden."
Hierbei könnte die europäische Cloud-Initiative Gaia-X Hilfestellung leisten, doch über das Ausmaß der Zusammenarbeit in diesem Gremium waren sich die Diskutanten uneinig: "In den nächsten zwei bis drei Jahren wird da nichts passieren", meint Noris Network-Chef Kraupa. "Doch", entgegnet ihm Gridscale-CEO Hasenkamp. "Der Sovereign Cloud Stack (SCS) von Plusserver ging ja aus Gaia-X hervor. Dieses Projekt ist mittlerweile bei der Open Source Business Alliance aufgehängt." Wallner selbst nimmt auch an, dass Gaia-X bereits in den kommenden zwei Jahren zum Laufen kommt: "Kunden aus dem öffentlichen Bereich und dem Healthcare, Finanzdienstleister und Retailer sprechen uns auf SCS bereits an." Dennoch warnt der Plusserver-Chef davor, sich komplett von den Hyperscalern abzugrenzen.
Michael Emmer ist hingegen skeptisch, er glaubt, dass es in den kommenden zwei Jahren nur ein paar kleinere Initiativen von Erfolg gekrönt sein werden. Dennoch: Gemeinsam mit Ionos und Plusserver entwickelt SpaceNet geschäftskritische und End-to-End-sichere Anwendungen für die Cloud. "Außerdem kooperieren wir mit DE-CIX. Damit können wir uns gut gegen die Hyperscaler positionieren und unsere Rechenzentren mit Cloud-Diensten verbinden", meint Emmer.
"Gaia-X hat für viel Awareness gesorgt", stellt Mathias Nöbauer von A1 Digital fest. "Vielen Kunden war unbekannt, dass bei den US-Hyperscalern Daten potentiell den deutschen Boden verlassen." Ferner ist Nöbauer der Ansicht, dass Gaia-X die europäischen Cloud-Anbieter bereits näher zusammengebracht hat.
"Das stimmt, Gaia-X hat uns auf viele Probleme aufmerksam gemacht", meint Korthaus. Der SysEleven-Gründer ist der festen Überzeugung, dass daraus ein EU-Zertifikatssiegel für DSGVO-konforme Cloud-Landschaften hervorgehen könnte. "Mehr nicht, und Gaia-X allein wird uns mittelständische Provider auch nicht retten. Wir sollten deshalb selbst für mehr Relevanz durch Innovation sorgen."
Laut Endress entwickelt sich die Cloud stets weiter: "Orchestrierung, Kubernetes, Function as a Service und die Hinwendung zur Edge. Daher glaube ich schon, dass Gaia-X den Platz bespielbarer machen wird." Und der Ionos-Manager sieht hier eine Chance für europäische Anbieter, sich gegenüber den US-amerikanischen Hyperscaler besser aufzustellen.
Nachhaltigkeit
Ein weiterer in dieser Diskussion erörterte Punkt war die Nachhaltigkeit beim Betrieb von Rechenzentren. "Data Center lassen sich sehr effizient zu betreiben. Dann sinken auch die operativen Kosten", meint Intel-Manager Anderka. Er empfiehlt, die bestehende Hardware optimal einzusetzen und bietet den Rechenzentrumsbetreibern die dazu passende Beratung an.
Nachhaltig ist es natürlich auch, die eingesetzte Hardware möglichst lange zu nutzen. Neue Hardware benötigt zwar oft viel weniger Strom, doch die Entsorgung und das Recycling von alter Hardware ist auch mit Kosten verbunden. "Hier gilt es, die Balance herauszufinden"; führt Emmer an und verweist auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahre 2019, der zur Folge Hersteller den Betrieb von Hardware für acht Jahre garantieren müssen.
Stromkosten lassen sich auch mit eigenbetriebenen Wind- und Solar-Parks reduzieren, doch so einfach ist das nicht, "es ist sogar extrem komplex", meint Gabriel Willigens von Itenos. "Besser ist es, ein vernünftiges Nachhaltigkeits- und Energiebeschaffungsmanagement zu betreiben."
"Mit Wasserkraft lässt sich durchaus eine kontinuierliche Stromversorgung sicherstellen, im großen Maße ist mir dies aber nur aus Skandinavien bekannt", berichtet Hasenkamp (GridScale). "Eine Photovoltaik-Anlage als Ergänzung ist durchaus sinnvoll", meint Kraupa von Noris Network. Denn wenn die Sonne scheint, ist der Kühlungsbedarf höher, und hierfür könnte man nun den zusätzlich zur Verfügung stehenden Solarstrom verwenden.