Kurze Release-Zyklen, international verteilte und vernetzte Teams, ein Expertenmix mit diversen Fähig- und Fertigkeiten sowie einer digitalen und mobilen Denke: Agilität und digitale Transformation sind bereits in vielen Unternehmen angekommen. Und doch gibt es innerhalb bereits agiler Organisationen häufig noch rustikale Relikte aus alten Tagen, deren Entscheidungen jedoch ausschlaggebend für den Geschäftserfolg sind: die Personalabteilungen.
Während agile und digitale Arbeitsprozesse längst in den Fachabteilungen, wie klassischerweise in der Entwicklung, im Marketing oder im Vertrieb gelebt werden, herrscht im Human-Resources-Management (HR) und anderen Verwaltungsabteilungen noch große Unsicherheit darüber, wie agile Methoden etabliert oder verbessert werden können – und letztlich, wie sich digitale Talente finden und ans Unternehmen binden lassen.
Agilität im Unternehmen setzt bei schon lange am Markt etablierten Organisationen immer einen Kulturwandel voraus. Wer diesen wagen möchte, für den lohnt sich ein Blick auf die „jungen Wilden“ – moderne digitale Unternehmen, von Millenials geführt oder zumindest mit einer Belegschaft, die zum großen Teil aus Digital Natives besteht.
Als Millenials oder Generation Y werden Menschen bezeichnet, die im Zeitraum zwischen etwa 1980 und 2000 geboren wurden. Sie sind in einer mobilen Welt aufgewachsen und verfügen über eine digitale DNA, die einen signifikanten Einfluss auf ihre professionellen, technologischen und sozialen Fähigkeiten hat.
Genau diese Digital Natives suchen Unternehmen heute – und doch tun sie dies häufig mit veralteten Methoden. Damit Unternehmen digitale Talente finden und nachhaltig an sich binden, sollte auch das Personalmanagement Agilität leben und digital denken. Die HR-Abteilung muss die Chancen von Agilität für sich nutzen, um sich als strategischer Partner des Managements zu positionieren. Einerseits, weil sie dadurch noch besser dazu befähigt ist, die besten digitalen Talente fürs eigene Unternehmen zu gewinnen und zweitens, weil sie als Leuchtturm andere Abteilungen bei der Umsetzung von agilen Methoden unterstützen oder ihnen bei Reibungspunkten beratend zur Seite stehen kann.
Plötzlich Startup? Agilität ist erlernbar!
Die schlechte Nachricht vorweg: Es gibt kein Patentrezept, wie eine ideale agile Organisation auszusehen hat. Jedes Unternehmen hat seine eigene, individuelle Kultur, die maßgeblich Einfluss auf den Agilisierungsprozess hat.
Die gute Nachricht dabei: Natürlich gibt es ein paar Eckpfeiler, in welche Richtung neu gedacht werden muss. Kurze Entwicklungszyklen, schnelle Entscheidungswege, Kurskorrekturen anhand von gemachten Erfahrungen, regelmäßige Reflektion der eigenen Prozesse – das gehört zur Basis eines agilen Unternehmens. Aufbauend auf diesen Grundfesten und den Kernaufgaben der HR-Abteilungen – Rekrutierung, Karriereentwicklung und Performance-Management – muss das Personalmanagement seine Services den neuen Gegebenheiten und der veränderten Zielgruppe anpassen, gegebenenfalls die Ansprache und die Kanäle justieren, experimentieren und sich auf die Digital Natives einlassen.
Warum das Ganze? Der Markt ist hart umkämpft, die Kandidaten sind rar, zugleich anspruchsvoll und haben hohen Erwartungen an einen potenziellen Arbeitgeber. Nur wer diesen Wandel mitgeht, hat am Ende die beste Mannschaft für ein zukunftsfähiges Unternehmen. Die folgenden vier Tipps zeigen, wie am besten mit der Umsetzung von agilen Strukturen im Human-Resources-Management begonnen werden kann:
1. Zuhören und lernen – der Blick nach außen
Die Transformation hin zu einer agilen, digital denkenden HR gelingt, wenn sich die Abteilungen die Zeit nehmen, nachzuvollziehen, wie ihre Fachkollegen arbeiten, welche Anforderungen an sie gestellt werden, welche Soft Skills gebraucht werden und an welchen Stellen es noch fehlt.
Da hilft nur zuhören, anschauen, vor Ort sein und für die eigenen Prozesse lernen. Nur so erlangen die Personaler ein Bewusstsein dafür, welche Talente benötigt werden und auf welche Fähigkeiten sie besonders achten müssen. Nur so erhalten sie ein Gefühl für die kollaborative und agile Arbeitsumgebung des eigenen Unternehmens – und ziehen wiederum daraus wichtige Erkenntnisse für ihre eigenen Rekrutierungsprozesse.
2. Introspektion – der Blick nach innen
Ähnlich wie in agilen Entwicklerteams helfen regelmäßige Rückblicksrunden der HR, die eigenen Erfolge und Prozesse zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu denken. Alteingefahrene Strukturen lassen sich so verändern, bei Fehlentwicklungen kann schneller gegengesteuert werden, erfolgversprechende Methoden können optimiert werden.
Wichtig ist dabei, dass die Intervalle nicht zu weit gefasst sind, es aber dennoch genügend Spielraum gelassen wird, um neue Ideen auch wirklich testen zu können. Neben den regelmäßigen Review-Runden zwischen allen HR-Verantwortlichen, sollte auch Feedback von „Externen“, also den Kollegen aus den Fachbereichen, eingeholt werden. So verstehen Recruiter viel besser, ob Stellenanzeigen wirklich attraktiv formuliert, Karrierewebseiten aussagekräftig, alle Kanäle zur Ansprache neuer Kandidaten ausgeschöpft oder Fragen für Vorstellungsgespräche zielführend sind.
3. Moderner denken – die Zielgruppe verstehen
Die digitalen Talente, die Unternehmen heute ansprechen möchten, denken, kommunizieren und agieren anders. Deshalb sollte auch HR seine bisherigen Kanäle und Ansprachen auf den Prüfstand stellen. Ein Blick auf bisher ungewohnte Plattformen wie Social-Media-Groups oder -Apps lohnt sich sicherlich, um potenzielle Kandidaten anzusprechen.
Weiterhin sollte jeder Personaler sich fragen: Muss gegebenenfalls die Webseite oder das bestehende Stellenangebot überarbeitet und sprachlich sowie optisch angepasst werden? Nutzt das Unternehmen bereits die richtigen Kanäle? Stellt sich die Organisation zeitgemäß dar und sind alle USPs der Teams und des Unternehmens richtig abgebildet? Am Ende gilt: HR muss unterschiedliche Möglichkeiten ausprobieren, um den richtigen Weg für das Recruiting zu finden.
4. Weg mit der Bürokratie – Strukturen anpassen
Flache Hierarchien und unbürokratische Strukturen werden von Digital Natives heute wie selbstverständlich gefordert. Um digitale Mitarbeiter nachhaltig im eigenen Unternehmen zu halten, sollte jeder versuchen, die eigene Organisationsstruktur entsprechend anzupassen. Was in den Stellenanzeigen propagiert, beziehungsweise in den Fachabteilungen gelebt wird, sollte sich auch in den Rekrutierungsprozessen widerspiegeln. HR kann hier als leuchtendes und beratendes Beispiel – und damit als großer Treiber – vorangehen.
Unternehmen und HR-Abteilungen sind also gut beraten, auf die Wünsche und Anforderungen dieser neuen Gruppe von Mitarbeitern einzugehen. In der Regel fühlen sich diese in flachen Hierarchien mit einem großzügigen Handlungsspielraum, ausreichend Mitgestaltungsmöglichkeiten und modernster technologischer beziehungsweise Arbeitsplatzausstattung besonders wohl.
Hier können sie sich am besten entwickeln – zu viel Bürokratie hemmt sie dagegen. Dabei sollten möglichst alle Abteilungen im Unternehmen involviert sein und versuchen, Prozesse so flexibel und frei wie möglich zu gestalten – nicht nur für die Innovationskraft der neuen, sondern auch der bestehenden Mitarbeiter. Denn Digitalisierung und Agilität gehen alle Abteilungen und Mitarbeiter im Unternehmen etwas an. (haf)