"Das ist eines Familienunternehmens nicht würdig", so lautet das harte Verdikt von Martin Wilke, dem Oberbürgermeister von Frankfurt an der Oder, zur Entscheidung von Conrad, den Getgoods-Standort in der deutsch-polnischen Grenzstadt inklusive sämtlicher dort angesiedelter Arbeitsplätze zu schließen. Wie Wilke gegenüber der Märkischen Oderzeitung (MOZ) erklärt, habe Conrad bei dem Kauf der Getgoods-Onlineshops Getgoods.de und HOH im Dezember 2013 versprochen, die Frankfurter Mitarbeiter des insolventen Elektronikversenders zu übernehmen. Im Januar sei man von der Conrad-Tochter Get-it Quick über Entlassungspläne informiert worden, wobei aber wenigstens die Weiterbeschäftigung von 20 ehemaligen Getgoods-Mitarbeitern in Aussicht gestellt worden sei. Mit der nun verkündeten Umstrukturierung von Getgoods.de und HOH blieben dagegen nicht einmal mehr diese Arbeitsplätze erhalten.
Die von Conrad zur Weiterführung der Getgoods-Shops gegründete Get-it Quick GmbH hatte vergangene Woche mitgeteilt, nur noch den ehemaligen Getgoods-Standort in Berlin-Schönefeld mit rund 65 Beschäftigten weiterführen zu wollen. Get-it Quick-Geschäftsführer Volker Oschkinat bezeichnete den Schritt "im Sinne der verbleibenden Arbeitsplätze und einer nachhaltigen Unternehmensfortführung" als unumgänglich. Wie die MOZ schreibt, habe sich Get-it Quick zum Abschied von Frankfurt entschieden, da das wesentlich automatisiertere Logistikcenter der Conrad-Gruppe in Bayern deutlich preiswerter arbeite als das Getgoods-Lager mit mehr Personal. Die Formulierung verdeutlicht einmal mehr, dass es sich bei den Getgoods-Shops kaum mehr um eigenständige Online-Handelsunternehmen, sondern in erster Linie um zusätzliche Vertriebsmarken für Conrad Electronic handelt.
Der parteilose Frankfurter Bürgermeister Martin Wilke kündigt nun in der Lokalzeitung an, das Gespräch mit Conrad zu suchen. Bei der im Dezember getroffenen Aussage zur Personal und Standort-Perspektive sei eigentlich davon auszugehen gewesen, dass zuvor sowohl die Bedingungen im Unternehmen als auch am Standort analysiert worden seien. Wilke wolle Arbeitsagentur und IHK an den Gesprächen beteiligen und hoffe darauf, so wenigstens eine berufliche Perspektive für die zwölf Auszubildenden von Getgoods zu finden. Kritik an Conrad kommt auch vom Chef der Frankfurter Arbeitsagentur, Jochem Freyer: "Nicht alles, was legal und wirtschaftlich sinnvoll ist, ist auch legitim", erklärte er gegenüber der MOZ.
Waren die Lokalpolitiker zu naiv?
Bei ihren Schuldzuweisungen an Getgoods und Conrad muss die Frankfurter Stadtverwaltung allerdings aufpassen, nicht selbst in die Schusslinie zu kommen. Solange Getgoods fortlaufend mit Rekord-Wachstumszahlen glänzte, bemühten sich die Stadtoberen sichtlich um Nähe zu dem boomenden E-Commerce-Unternehmen: so zeichnete etwa der Unternehmerverein "Hanse Klub Wirtschaft Frankfurt" Getgoods-Chef Rockstädt-Mies im Oktober 2013 als "sozial verantwortlichen Unternehmer" des Jahres aus, zudem wurde der frühere Wirtschaftsreferent der Stadt, Sebastian Jarantowski, im Juli 2013 gar zum Finanzvorstand von Getgoods bestellt - und fungiert heute als Geschäftsführer des weiterhin zur Getgoods AG gehörenden Shopping-Clubs Pauldirekt. Die Stadt Frankfurt sitzt unterdessen auf Gewerbesteuerschulden in hoher sechsstelliger Höhe, die bis zur Getgoods-Insolvenzmeldung angelaufen waren. (mh)