Was ist dran am Multitasking?

Geistige Höchstleistung anstatt Marihuana

28.01.2020
Von Uta Hahn
Unser Arbeitsalltag ist geprägt von Multitasking: Wir sitzen beispielsweise im Meeting, sichten nebenbei unsere E-Mails und beantworten gleichzeitig noch WhatsApp-Nachrichten. Klingt nach einer optimalen Nutzung unserer Arbeitszeit. Nur: Stimmt das wirklich?
 
  • Multitasking schwächt die vollständige, konzentrierte Aufmerksamkeit
  • Ruhephasen gehören dazu, um unserem Körper die Möglichkeit zu geben, Stresshormone abzubauen
  • Meditation und Achtsamkeitsübungen können dabei helfen, konzentrierter zu arbeiten

Schade, dass unser Gehirn bei dieser Parallelbeanspruchung nicht mitspielt: Es ist für Multitasking nämlich nicht geeignet - zumindest bei halbwegs anspruchsvollen Tätigkeiten.

Unsere Aufmerksamkeit ist das Nadelöhr der konzentrierten Informationsverarbeitung. Zwar sind wir Meister darin, gewisse Prozesse wie beispielsweise das Autofahren zu automatisieren und als "Hintergrundprozess" ablaufen zu lassen. Dadurch gewinnen wir Zeit für andere Dinge und können zum Beispiel während des Autofahrens mühelos telefonieren.

Dies gelingt jedoch bei zwei Aufgaben, die beide unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, nicht. Tests zeigen: Versuchen wir, parallel zwei leichte Aufgaben durchzuführen, die unsere bewusste Aufmerksamkeit benötigen, rutscht unser IQ schnell auf den eines Grundschulkindes ab. Wir können dann weder das eine noch das andere.

Multitasking beeinträchtigt geistige Fähigkeiten

Um dieses Phänomen zu verdeutlichen: Erste Studien zeigen, dass Multitasking eine stärkere Beeinträchtigung unserer geistigen Fähigkeiten darstellt als der Konsum von Marihuana!

Multitasking schwächt also die vollständige, konzentrierte Aufmerksamkeit. Psychologen sprechen bereits von einer neuen Managerkrankheit, dem sogenannten Attention Deficit Trait (ADT). Eine Konzentrationsschwäche, unter der nach Schätzungen bereits bis zu 40 Prozent der amerikanischen Führungskräfte leiden. Die Betroffenen zeichnen sich dadurch aus, dass sie abgelenkt, reizbar, impulsiv und ruhelos sind.

Anders als ein Prozessor kann unsere Aufmerksamkeit nämlich nicht ohne Rüstkosten zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her schalten. Was uns wie eine Aufteilung unserer Aufmerksamkeit auf verschiedene Aufgaben vorkommt, ist reine Fiktion. Unsere Aufmerksamkeit ist nicht dehnbar, sondern kapazitätsmäßig sehr eng begrenzt. Wir teilen also nicht auf, sondern schalten ständig um. Der Nachteil dieses ständigen Umschaltens ist, dass es durchschnittlich 5 bis maximal 15 Minuten dauert, um den ursprünglichen Stand der Aufmerksamkeit wieder zu erlangen. Und im Worst Case verschwindet durch das ständige Hin und Her ein guter Einfall im Nirwana! Wer kennt dieses traurige Phänomen nicht?

Nur elf Minuten bis zur nächsten Störung

Wenn man nun bedenkt, dass wir uns laut einer Studie der University of California im Durchschnitt im Arbeitsalltag nur elf Minuten am Stück einer Aufgabe widmen können bevor wir durch Anrufe, What's App-Nachrichten , E-Mails etc. gestört werden, kann man leicht ausrechnen, wie groß unsere effektive, geistige Ausbeute an einem ganz normalen Arbeitstag ist bzw. wie verschwenderisch wir mit unserer Aufmerksamkeit umgehen!

Ist Beschleunigen durch Entschleunigen eine Alternative?

Kommen wir vielleicht schneller voran, wenn wir vermeintlich langsamer werden, die Themen sequentiell abarbeiten und uns gezielt Zeit für Ruhepausen einräumen? Wer geistige Höchstleistungen vollbringen will, kommt an einer Stärkung seiner Aufmerksamkeit und einer Einschränkung seiner Multitasking-Versuche nicht vorbei. Einige praxisnahe Empfehlungen liegen dabei auf der Hand: Benachrichtigungsfunktion für E-Mails und WhatsApp zeitweise ausstellen, Handy gezielt bei Seite legen und auf lautlos stellen, konzentrierte Arbeitsphasen etablieren.

Auch um Körper und Gehirn wieder in einen normalen, kreativen Zustand zu bringen. Und wie sollten diese Ruhephasen aussehen? Forschungen zeigen, dass wir in diesen Phasen anstatt unserem Gehirn eine Pause zu verschaffen lieber neu empfangene E-Mails lesen oder im Internet herumstöbern. Unser Gehirn kommt somit nicht zur Ruhe, unsere Zerstreuung wird noch größer.

Meditation und Achtsamkeitsübungen

Meditation und gezielte Achtsamkeitsübungen bieten einen effektiven Ausweg aus diesem Dilemma. Einen Ausweg, der uns nicht nur wieder in den Normalzustand versetzt, sondern unsere geistige Leistungsfähigkeit auch erwiesener Weise nachhaltig steigert. Glücklicherweise sind diese Techniken mittlerweile aus der Esoterikecke herausgetreten und haben Zugang zu Privat- und Berufsleben erlangt. Vielzählige Studien haben nachgewiesen, dass durch Meditation und Achtsamkeitsübungen Gehirnzellen in verschiedenen, wichtigen Bereichen aufgebaut werden - man spricht von Neurogenese.

Dies erfolgt etwa im Bereich des Hippocampus, dem neben seinen Funktionen im Bereich Lernen und Gedächtnis eine wichtige Rolle bei der Resilienz, der Fähigkeit zu Belastbarkeit und innerer Stärke, zukommt. Personen, die regelmäßig meditieren, haben ein anders verdrahtetes Gehirn als Nichtmeditierende. Sie können leichter ruhig und stressfrei bleiben, sich auf Veränderungen einstellen und haben generell eine höhere Konzentrationsfähigkeit. Meditation und Achtsamkeitsübungen haben für unser Gehirn eine ähnliche Wirkung wie Fitnesstraining für unseren Körper.

Achtsamkeit durch Aufmerksamkeit

Wie funktioniert das mit der Achtsamkeit? Wir sind dann achtsam, wenn wir unsere Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Gegenwart, also auf den aktuellen Moment, legen und diesen wertfrei und wohlwollend annehmen. Wir nehmen unsere Gedanken und Gefühle wahr, gehen diesen aber nicht nach, sondern nehmen sie nur objektiv zur Kenntnis. Somit schließt Achtsamkeit Multitasking aus, wir konzentrieren uns nur auf eine Sache und nehmen diese mit allen Facetten wahr.

Haben Sie Lust, das einmal auszuprobieren? Dann versuchen Sie doch mit der nachfolgenden Übung für das achtsame Atmen:

Nehmen Sie sich für diese Achtsamkeits-Atemübung ein paar Minuten Zeit. Unser Atem ist mit allen physischen und psychischen Prozessen des Menschen verbunden und der Schlüssel zu jeder Form von Meditation und Mentaltraining. Tiefes und bewusstes Atmen verhilft uns nicht nur zu mehr Konzentration und Lebenskraft, sondern trägt über die Aktivierung des Parasympathikus deutlich zur Stressreduzierung bei.

Die folgende Übung leitet Sie dazu an, sich Ihrer Atmung bewusst und aufmerksam zuzuwenden. Sie können das achtsame Atmen im Sitzen, Liegen oder auch stehend durchführen. Bitte führen Sie diese Übung nicht während des Autofahrens aus.

Ein Übungsbeispiel

Achten Sie darauf, dass Sie gerade sitzen, stehen oder auf dem Rücken liegen. Ihre Schultern sind locker und ganz entspannt. Ihre Hände liegen locker auf Ihrem Schoß oder neben Ihnen. Schließen Sie nun die Augen.

Beginnen Sie jetzt, Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Atem zu lenken. Nehmen Sie einen tiefen Atemzug. Spüren Sie, wie beim Ein- und Ausatmen die Luft in Ihren Körper hinein- und herausströmt und sich Ihre Bauchdecke langsam hebt und senkt. Ihr Atem dehnt sich immer weiter in Ihrem Körper aus und Sie lassen die Luft ohne Anstrengung in Ihren Bauch hineinfließen. Halten Sie nun nach dem Einatmen einen kurzen Moment kurz inne. Dann atmen Sie ganz ruhig durch den Mund aus. Sie spüren jetzt bewusst, wie erwärmte Luft wieder aus Ihnen hinausfließt und sich Ihre Bauchdecke langsam senkt. Achten Sie bitte darauf, dass der Vorgang des Ausatmens deutlich länger ist als das Einatmen. Störende Gedanken, oder Gefühle dürfen Sie dabei wahrnehmen, Sie schenken ihnen jedoch keinerlei Bewertung oder Aufmerksamkeit. Lassen Sie diese Eindrücke einfach an sich vorbeiziehen und konzentrieren Sie sich ausschließlich auf Ihre Atmung.

Wiederholen Sie diese Atemübung mindestens fünfzehn Mal.

Wenn Sie die Übung beenden möchten, sagen Sie sich gedanklich, dass Sie in voller Bewusstheit wieder in das Hier und Jetzt zurückkehren möchten. Ballen Sie Ihre Hände zu Fäusten, strecken Sie sich vorsichtig und öffnen Sie langsam wieder Ihre Augen.

Zur Autorin

Uta Hahn ist Geschäftsführerin der bgm business group munich GmbH & Co. KG in München. Neben ihrer Beratungstätigkeit im Bereich Interne Kommunikation und Change Management ist sie Mitbegründerin des INMIND Achtsamkeits- und Mentaltrainings. Kontakt: uta.hahn@bgm-gmbh.de, www.innovateyourmind.de.

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