Warum Systemhäuser sich neu ausrichten müssen
Herr Böckelmann, Sie hatten kürzlich gesagt: "Das Systemhausgeschäft wird sich in den nächsten Jahren komplett wandeln". Was erwarten Sie ganz konkret?
Böckelmann: Systemhäuser werden sich vom klassischen Systemhausgeschäft entfernen. Denn künftig werden ganzheitliche Berater gefragt sein, die es verstehen, die IT ihres Kunden nicht nur im Hinblick auf die Technik, sondern auch auf die Geschäftsprozesse zu optimieren. Dazu bedarf es einer ganzheitlichen Sicht - eine Fokussierung auf spezielle Kernthemen greift deshalb zu kurz.
Getrieben wird diese Entwicklung durch die neue Möglichkeiten, die Technologien wie Virtualisierung, Cloud Computing und Digitalisierung eröffnen. Der Anteil der Häuser, die einen Mix aus klassischem Projektgeschäft und Managed-Service-Provider-Diensten anbieten können, wird deshalb ebenso steigen wie die Zahl der Managed Service Provider.
Ramacher: Dieser Einschätzung stimme ich voll und ganz zu. Es geht für Vertriebspartner heute nicht mehr nur um produktspezifische Leistungen, sondern darum, in die Prozessorientierung beim Endkunden einzutauchen und diese unternehmensspezifischen Prozesse IT-seitig mit entsprechenden Lösungen zu verbessern. Diese Entwicklung beobachten wir schon seit einigen Jahren.
Jetzt aber suchen Kunden vor allem nach Möglichkeiten, ihre Produktivität zu erhöhen und die Kosten zu senken, die wirkliche Umsetzung, auch in Richtung Internet of Things. Die reine Spezialisierung auf Cloud, Security oder andere Themen reicht für Systemhäuser nicht mehr aus. Denn entscheidend ist die Frage, wie all diese Technologien für den Kunden zur Steigerung der Produktivität und zur Kostensenkung beitragen.
- Henning Meyer, Geschäftsführer von Acmeo
"Viele Systemhäuser beziehen aus dem Begriff 'Systemhaus' ihre Identität, wenngleich er noch recht stark mit dem Thema Handelsware verknüpft ist." - Reiner Louis, Sprecher der Geschäftsführung von Computacenter
"Aus meiner Sicht wird es den Begriff Systemhaus auch weiterhin geben, aber für mich wirkt er etwas verstaubt und nicht mehr ganz zeitgemäß." - Benjamin Mund Geschäftsführer Entwicklung von ITscope
"Hat der Begriff 'Systemhaus' jemals richtig gepasst? Denn es ging doch von Anfang an nicht nur um Hardware, sondern auch darum, die passende Software, quasi als Gesamtpaket für den gewerblichen Anwender, zur Verfügung zu stellen." - Daniel Dinter, Geschäftsführer von Netzorange
"Der Begriff 'Systemhaus' ist in unserer Zielgruppe nicht mehr geläufig. Suchbegriffe wie 'IT', 'IT-Dienstleister' und 'IT-Consulting' werden sehr viel häufiger recherchiert als der Begriff 'Systemhaus'." - Nils Kathagen, Geschäftsführer des IT-Systemhaus Ruhrgebiet
"Für uns ist der Begriff 'Systemhaus' nach wie vor das Schlagwort und hat aus unserer Sicht noch lange nicht ausgedient." - Jan Schmidt, Channel Development Manager von Busymouse
"Der Begriff 'Systemhaus' hat aus meiner Sicht noch lange nicht ausgedient, wenngleich sich die Anforderungen an ein Systemhaus in den Bereichen der Lösungs- und Prozessberatung verstärken werden." - Wolfgang Räth, Geschäftsleitung Vertrieb von All for One Steeb
"Manche Innovationen mittelstandsgerecht umzusetzen, erfordert weit mehr, als ein klassisches Systemhaus zu leisten vermag. Ein überaus fragmentierter Markt gerät daher mächtig in Bewegung." - Helge Scherff, Geschäftsführer Deutschland von Wick Hill
"In dem Maße, wie IT-Herausforderungen in Unternehmen komplexer werden, müssen sich Systemhäuser immer mehr vom Handels- hin zum Lösungsgeschäft entwickeln. " - Ralf Schadowski, Geschäftsführender von ADDAG
"Ein notwendiger Umbau des Geschäftsmodells ist leichter gesagt als getan, denn das Team muss im Kopf bereit sein, mitzugehen und von den geliebten Gepflogenheiten loszulassen."
Stehen Prozessoptimierung, Erhöhung der Produktivität und Kostensenkung durch neue IT-Technologien auch bei mittelständischen Unternehmen in Deutschland auf der Agenda?
Ramacher: Das ist auch im Mittelstand ein großes Thema. Denn damit eröffnen sich die Firmen gerade angesichts der aktuell guten wirtschaftlichen Gesamtlage in Deutschland - ganz neue Möglichkeiten. Zum einen durch die extern per Cloud günstig zu beziehenden Leistungen zur Prozessoptimierung, zum anderen durch die Vernetzung jeder Art von Geräten, die einen Quantensprung bedeutet.
Was sind die Ursachen dieses Wandels?
Böckelmann: Die IT wird in den Unternehmen nicht mehr als Selbstzweck betrachtet. Deshalb müssen sich Systemhäuser viel stärker mit Geschäftsführern und Fachabteilungen, also den Usern, befassen. Denn sie sind entscheidend für die Akzeptanz einer Lösung. Wenn ich als Systemhauspartner die Kernprozesse des Endanwenders nicht fördere, bin ich aus dem Rennen.
Inwiefern sind Ihrer Erfahrung nach die Systemhäuser hierzulande auf diesen Wandel vorbereitet?
Böckelmann: Unsere agilen Partner, mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten, sind darauf vorbereitet, wenn auch noch nicht umfassend fit für alle Aspekte. Dass die Entwicklung aber in diese Richtung geht, und das sehr schnell, ist ihnen sehr wohl bewusst. Herausfordernd für sie ist vor allem, dass auch Spezialisten mit tiefem Know-how, das ja nach wie vor gefragt sein wird, sich mit allen angrenzenden Themen und Prozessen befassen müssen - mit Kosten-, mit Compliance-Themen. Reines Antiviren-Wissen reicht da nicht aus. Und sie müssen imstande sein, dem Kunden Mehrwert und Nutzen viel konkreter aufzuzeigen. Für kleinere Häuser ist das schwieriger, aber Wille und Bewusstsein sind da!
Ramacher: Auch wir verspüren bei den Systemhäusern die Notwendigkeit, sich neu zu positionieren. Sie beschäftigt vor allem die Frage, wie sie sich positionieren sollen - wie weit man sich beispielsweise als Cloud-Anbieter aufstellen soll und wie weit sie dies ganzheitlich machen sollen. Denn selbstverständlich wird auch künftig ein tiefer Spezialisierungsgrad erforderlich sein für Security, Netzwerk, Private und Public Cloud. Im Kern geht es um die Integrationsfähigkeit aller Bereiche - nur dann lässt sich eine ganzheitliche Lösungsstruktur entwickeln.
Müssen also Systemhäuser künftig alles können? Zu Super-Generalisten werden?
Ramacher: Nein. Sie brauchen nach wie vor einen hohen Grad an Spezialisierung. Worum es wirklich geht, ist beispielsweise bei VDI-Projekten auch an das Umfeld zu denken, an die Endgeräte: Eigenen sich für das konkrete Kundenszenario eher Industrie-PCs oder eher mobile Clients? Das muss das Systemhaus leisten. Und auch das Thema Security wird uns in Zukunft noch heftig beschäftigen. Aber alles, wirklich alles kann ein mittelständisches Systemhaus gar nicht allein leisten.
Viele Partner kooperieren inzwischen miteinander…
Böckelmann: Das beobachten wir auch. Das Konkurrenzdenken ist weg - und die Partner wissen genau, wann und wo sie im Projekt zusammenarbeiten, und wie sie sich wiederum voneinander abgrenzen. Das funktioniert sehr gut.