Nach Übernahme der re:Store-Filialen

Freenet will die Expansion von Gravis vorantreiben



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Mit der Übernahme der deutschen re:Store-Filialen wächst Gravis auf bundesweit 45 Standorte und kann sich mittelfristig sogar ein Netz von 70 bis 100 Gravis-Geschäften vorstellen. Die Kette setzt dabei auf die TK-Kompetenz des Mutterkonzerns Freenet sowie auf vorsichtige Neuerungen.
Hubert Kluske ist in der Freenet-Gruppe für Mobilcom-Debitel und Gravis verantwortlich
Hubert Kluske ist in der Freenet-Gruppe für Mobilcom-Debitel und Gravis verantwortlich

"2013 haben wir uns auf die Integration von Gravis in Freenet konzentriert und dabei auch einige Reibungsverluste bewältigt. 2014 greifen wir nun voll an", hakt Gravis-Geschäftsführer Hubert Kluske selbstbewusst das für die Elektronikkette durchwachsene vergangene Jahr ab. Der aus den Reihen des Freenet/Mobilcom-Konzerns stammende Manager kann dabei nicht zuletzt auf ein starkes Filialwachstum verweisen: Nach Übernahme von 28 Gravis-Geschäften baute der neue Eigner das Filialnetz durch die Umflaggung einiger Mobilcom-Debitel-Läden auf 33 Standorte aus. Nun kommen noch einmal die zwölf, Anfang Mai übernommenen deutschen Filialen des Apple-Händlers re:Store dazu.

Für Kluske ist die Expansion von Gravis damit noch lange nicht an ihrem Endpunkt angekommen: "Mittelfristig können wir uns auch maximal 70 bis 100 Gravis-Filialen vorstellen." Der Vorwärtskurs der Elektronikkette betrifft dabei nicht nur die Zahl der Standorte, sondern auch deren Lage. "Unser Anspruch ist es ganz klar, in die 1A-Lagen zu gehen", erklärt der Gravis-Chef. Bis auf einige Ausnahmen in besonders teuren Städten wie München, sei dies bereits der Fall. Gleichzeitig setzt Gravis unter der neuen Führung auf eine Reduzierung der Verkaufsflächen und kann sich auch Standorte mit 100 bis 150 Quadratmeter gut vorstellen. Den Ende 2012 eröffneten Store in der Berliner Kulturbrauerei betrachtet Hubert Kluske dabei als eine Art Blaupause für die urbanen, Lifestyle-orientierten aber auch kompakteren Gravis-Geschäfte der Zukunft.

Rückenwind aus dem TK-Vertragsgeschäft

Wachstumspläne in einer Größenordnung, wie sie Gravis hegt, trifft man im Handelsumfeld heute eher selten - schließlich durchläuft nicht nur der Wettbewerber mStore ein Insolvenzverfahren, sondern haben auch Branchengrößen wie Media Markt und Saturn mit Rückgängen im stationären Geschäft zu kämpfen. Doch verfügt Gravis unter dem neuen Eigner Freenet über einen wichtigen Trumpf: das margenstarke TK-Vertragsgeschäft, das zunehmend auch auf Gravis ausgerollt wird. "Wir gehen aber nicht einfach mit der Mobilcom-Denke zu Gravis, sondern schnüren dort ganz spezielle Bundles", erklärt Kluske. Gravis-Kunden seien klassischerweise im mittleren Alter, Akademiker und schätzten eine gute Vorselektion sowie kompetente Beratung, wozu heute auch die passenden Verträge zu mobilen Geräten gehörten.

"Apple-Händler" Gravis setzt auf Digital Lifestyle als Zukunftsstrategie
"Apple-Händler" Gravis setzt auf Digital Lifestyle als Zukunftsstrategie
Foto: Gravis

Das Vertragsgeschäft ist auch ein wichtiger Teil der "Digital Lifestyle"-Ausrichtung, die Freenet nach der Übernahme der Handelskette als strategische Losung vorgab. Während andere Akteure unter Digital Lifestyle vor allem Avantgarde-Themen wie z.B. Wearable Devices verstehen, setzt Freenet hier primär auf das Smartphone als "Fernbedienung für das Leben", wie Kluske erklärt. Dazu zählen für den Gravis-Chef Entertainment-Flatrates genauso wie die Haussteuerung und digitale Lösungen für Sicherheit und Gesundheit. "Während bei Mobilcom das Hauptaugenmerk klar auf der Massenmarktfähigkeit liegt, darf Gravis hier aber gerne mit Innovationen vorausgehen", erklärt Kluske die Strategie zur Förderung von Synergien im Freenet-Konzern. Dazu gehört desweiteren auch die Integration der Gravis-Zubehörmarke Networx in das Mobilcom-Angebot.

Offene Baustellen: Sortimentserweiterung und Multichannel

Bei Gravis stellte im vergangenen Jahr die Abkehr von der Apple-only-Strategie die markanteste Veränderung in der Sortimentspolitik dar. Seitdem lassen sich in Gravis-Geschäften auch trendige Geräte von Samsung und Sony finden. Im April dieses Jahres machte der einstige reine "Apple-Händler" mit dem neuen Smartphone-Flagschiff Samsung Galaxy S5 erstmals ein Nicht-Apple-Gerät zum Zentrum einer bundesweiten Werbekampagne. "Das Angebot von Produkten anderer Hersteller bei Gravis ist nicht ganz einfach und natürlich bleibt Apple auch weiterhin klar unser Hauptlieferant", berichtet Kluske über die Erfahrungen des vergangenen Jahres. "Dennoch legt das Geschäft mit Nicht-Apple-Geräten sukzessive zu."

Neben dem Sortimentsausbau ist eine weitere offene Baustelle bei Gravis das Thema Multichannel. Hubert Kluske kann sich gut vorstellen, dass der derzeitige Online-Anteil von zwischen 30 und 40 Prozent in seinem Handelsbereich bald bei 60 Prozent liegt. "Vor diesem Hintergrund betrachtet müssen wir uns noch viel stärker an das Thema Multichannel annähern", räumt der Gravis-Geschäftsführer ein. Übermäßige Eile scheint die Handelskette dabei allerdings nicht an den Tag zu legen. Es gelte das stationäre Geschäft Hand in Hand mit neuen Multichannel-Aktivitäten auszubauen, erklärt Kluske. Der POS müsse zum Interface zum Online-Angebot werden. Doch glaube der Mutterkonzern Freenet ganz klar weiterhin an den stationären Handel- und kann sich diese Sichtweise angesichts der komfortablen Margensituation im TK-Vertragsgeschäft wohl auch noch eine ganze Zeit lang leisten. (rw)

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