Zur Summer Convention in Mallorca fuhr Euronics in diesem Jahr schweres Geschütz auf: Die Unternehmensberatung Wieselhuber & Partner präsentierte dort ihre auch als "Todesliste für den stationären Einzelhandel" bekanntgewordene Studie "Category Killer". Zwar erzielte Euronics – im Unterschied zu den auf Platz 2 und 3 liegenden Medimax und Expert – in dem Bedrohungs-Ranking einen schon fast beruhigenden 20. Platz. Doch dürfte es der Verbundgruppe mit der Keynote vor allem darum gegangen sein, die Motivation der eigenen Händler für das Anfang des Jahres verkündete neue Multichannel-Retail-Programm zu erhöhen. Denn neben allgemeinen Markttrends stand die Online-Strategie von Euronics im Zentrum der diesjährigen Summer Convention.
"Wir brauchen einen kulturellen Wandel bei unseren Mitgliedern: Das Online-Geschäft ist heute keine neue Zusatzqualifikation mehr, sondern ein organischer Bestandteil des Geschäftsmodells", bestätigt Jochen Mauch, der als Marketing-Chef auch für die E-Commerce-Aktivitäten von Euronics verantwortlich ist, im Gespräch mit ChannelPartner. Die Verbundgruppe habe sich mit dem zentralen Online-Marktplatz unter Euronics.de und angeschlossenen Händler-Shops dazu entschlossen, sehr weit zu gehen und einen ganzheitlichen Ansatz zu fahren. "Allerdings lebt dieser davon, dass die Mitglieder aktiv mitarbeiten", betont Mauch. Gegenüber den in Mallorca anwesenden Händlern hat die Verbundgruppe das Konzept nun konkretisiert und auch einen Fahrplan zur Umsetzung vorgestellt.
Mischung aus Onlineshop und Marktplatz
Kernstück der neuen Online-Lösung ist ein Verkäufer-Cockpit, über das Euronics-Mitglieder ihre Onlineshops pflegen und per Drag & Drop mit Produkten aus dem Warenangebot der Verbundgruppe bestücken können. "Die Partner sollen das Gefühl haben, dass sie selber am Drücker sind und bestimmen können, was unter ihrem Namen auf der Plattform angeboten wird", erklärt Mauch. Dabei glaube Euronics auch bei der Preisgestaltung an das lokale Prinzip und überlasse den Händlern die Entscheidung. Dass die Kunden mit der absehbaren Vielzahl an Euronics-Preisen für jedes Produkt Probleme haben werden, erwartet der E-Commerce-Verantwortliche nicht: "Es ist ja auch heute schon so, dass Kunden in drei Läden drei verschiedene Preise angeboten bekommen." Auch im Hinblick auf eine mögliche Anzeige bei Preissuchmaschinen sei das Modell unproblematisch, allerdings habe man in der Verbundgruppe noch gar nicht entschieden, ob man dort künftig präsent sein wolle.
Von außen betrachtet, ist die neue Euronics-Webseite eine Mischung aus Onlineshop und Marktplatz. Wer als Kunde auf ein Produkt klickt, erhält das Angebot des nächsten Händlers in einem Umkreis von 20 Kilometern angezeigt, der die Ware vorrätig hat. Der Kunde kann daraufhin entscheiden, ob er den Artikel zur Abholung reserviert oder nach Hause geliefert haben möchte. Hat kein Euronics-Händler innerhalb des Einzugskreises das betreffende Produkt auf Lager, so wird dem Kunden das Angebot desjenigen Händlers angezeigt, bei dem der Artikel verfügbar ist und der diesen auch versendet.
Anfang November 2014 wird die neue Euronics.de-Webseite mit zunächst 120 Händlern starten, die als Premium-Partner allesamt ein komplettes Online-Versandgeschäft bieten. Mittelfristig sollen auf dem Online-Marktplatz rund 600 Shops vertreten sein, die von den jeweiligen Euronics-Mitgliedern so bestückt werden, wie diese es für richtig halten. "Wir haben uns für diese Lösung entschieden, weil wir an individuelle Sortimente glauben", erklärt Jochen Mauch und nennt als Beispiel die in der Verbundgruppe vertretenen Audio-Spezialisten, die ihr Profil mit dem neuen Multichannel-Retail-Programm so auch im Netz darstellen können. "Für den Erfolg im Handel ist schließlich das individuelle Knowhow ausschlaggebend" so der Euronics-Manager.
Überzeugt die aufwändige Online-Lösung die Kunden?
Um die vielstimmige Online-Lösung im Herbst an den Start zu bringen, musste die Verbundgruppe beträchtliche Vorarbeiten leisten. Wie Mauch berichtet, habe sich Euronics vor rund einem Jahr dazu entschlossen, die bisherige E-Commerce-Plattform nicht mehr weiterzuverfolgen. "Für das neue Konzept war uns wichtig, dass wir damit zum einem die Anzeige lokaler Verfügbarkeiten sicherstellen und zum anderen das für Euronics charakteristische Unternehmertum abbilden konnten." Fündig geworden ist die Verbundgruppe dabei bei der Shop-Plattform des deutschen Herstellers Shopware. Als Pluspunkte zählt Mauch nicht nur die Benutzerfreundlichkeit der Software auf, sondern auch dass es sich dabei um eine Open Source Lösung handele. Dass Shopware mit dem vor einem Jahr gestarteten Shop-Netzwerk Bepado zusätzlich einen Ansatz zur Verzahnung von Online-Händler-Sortimenten liefert, ist für Mauch dagegen zum jetzigen Zeitpunkt nur ein "Goody".
Mit der Einführung der neuen Shop-Plattform ist die Arbeit für Euronics beileibe noch nicht getan. Nicht nur gilt es nun - wie auf der Summer Convention - die Mitglieder von der neuen Lösung zu überzeugen. Auch sollen diese in den nächsten zwei Jahren mit einem umfangreichen Programm an Schulungen und weiterführenden Unterstützungsmaßnahmen an den Online-Handel herangeführt werden. Und dann sind da noch die Kunden, für die es zunächst keinen Mehrwert darstellt, dass Euronics seine heterogene interne Organisation in eine adäquate Shop-Lösung überführt hat, sondern die vielmehr durch überzeugende lokale Produkte und Services von dem Online-Angebot der Verbundgruppe überzeugt werden wollen. (mh)
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