Wie zuletzt bei der Präsentation der 2018er Geschäftszahlen und bei der Anfang 2020 präsentierten Mehrjahresstrategie versucht Euronics, sich auch in der Corona-Krise in einem möglichst schmeichelhaften Licht erscheinen zu lassen. Beim Pressegespräch am Rande der traditionellen Summer Convention, welche die Verbundgruppe in diesem Jahr nicht auf Mallorca sondern ausschließlich digital abhält, berichtet Euronics-Chef Benedict Kober zunächst davon, dass die Umsätze sogar in den Lockdown-Monaten März und April 2020 um jeweils 2,7 und 0,4 Prozent gewachsen seien, während sie seit der Wiedereröffnung der stationären Geschäfte im Mai und Juni 2020 mit plus 19,6 und 23,7 Prozent regelrecht explodierten.
Erst auf Nachfrage räumte Kober ein, dass es sich dabei um den Außenumsatz der Händler handele - einem Wert mit zweifelhafter Aussagekraft, den die Wettbewerber Expert und EP schon seit vielen Jahren nicht mehr kommunizieren. Der von der Euronics-Zentrale konkret registrierte Innenumsatz sei im März und April dagegen rückläufig gewesen und habe durch die Nachholeffekte in den Monaten Mai und Juni nur "fast kompensiert" werden können.
Euronics-Fachhändler meistern die Corona-Krise
Dabei bräuchte es die Übertreibungen gar nicht - schließlich ist es bemerkenswert, dass die auch in Nicht-Krisenzeiten durch die Konkurrenz auf dem Internet stark unter Druck stehenden Händler der Verbundgruppe geschafft haben, ihre Kunden während der Corona-Krise weiter zu bedienen. Wie Kober berichtet, habe dazu zum einen die Online-Plattform der Verbundgruppe beigetragen, die in den Monaten März und April 2020 Umsatzzuwächse von bis zu 300 Prozent verzeichnet habe - das allerdings auf einem recht niedrigen Ausgangsniveau.
Gleichzeitig hätten die Euronics-Fachhändler mit Printbeilagen und über individualisierte, von der Zentrale gesteuerte E-Mail-Kampagnen signalisiert, dass sie Kunden vor Ort per Telefonbestellung und persönlicher Zustellung weiter beliefern könnten. "Die kleinen Fachhändler haben während des Lockdown so mehr Umsatz gemacht als die großen Fachmarktketten, die es bei Euronics auch gibt", berichtete Kober. Das liege wohl an der Nähe der Fachhändler zu ihren Kunden. "Bei den digitalen Umsätzen schlugen sich dagegen die großen Händler besser während einige Kleine erst während der Krise mit dem Online-Verkauf angefangen haben."
Nicht zuletzt weil mit den gesteigerten Online-Umsätzen eine verringerte Handelsspanne verbunden sei, setzte Euronics jetzt wieder voll auf die stationären Geschäfte. "Seit der Wiedereröffnung hat sich die Handelsspanne wieder verbessert." Zudem sehe man, dass die Kunden weiterhin bevorzugt im Laden kaufen wollten, wenn es dazu die Möglichkeit gebe.
Hoffnung auf höhere CE-Umsätze durch Corona
Kober berichtete weiter, dass die Euronics-Zentrale die Corona-Zeit genutzt habe, um die digitalen Prozesse innerhalb der Verbundgruppe zu verbessern. So habe man nicht nur die Händler über eine Sonderseite über die Auswirkungen der Corona-Krise informiert, sondern auch alle Fortbildungsangebote in Form von E-Learning-Inhalten aufbereitet. Den Partnern seien zudem betriebswirtschaftliche Berater zur Seite gestellt worden, die ihnen Tipps zum richtigen Handeln in der Krise gegeben hätten. Ein positiver Nebeneffekt dieser umtriebigen Krisenreaktion sei gewesen, dass Euronics nur während eines Monats in der Zentrale in Ditzingen Kurzarbeit einführen musste.
Über wirtschaftliche Schieflagen einzelner Händler infolge der Corona-Krise lägen der Euronics-Zentrale keine Informationen vor. "Es gibt keine Anomalien beim Zahlungsverhalten unserer Partner und auch keine anderen Corona-bedingten Ausfallerscheinungen in irgendeiner Form", erklärte Kober. Zwar werde man sehen, wie es für die Händler die Steuer- und Mietzahlungen gestundet hätten, weitergehe wenn diese nun fällig würden, doch sei man auch diesbezüglich optimistisch.
Ob die Euronics-Partner von der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung profitieren würden, sei ungewiss. Die recht kurzfristige Umsetzung durch die Politik habe für die Verbundgruppe aber einigen Umsetzungsaufwand bedeutet. "Wir hätten auch ohne die Mehrwertsteuersenkung leben können. Die Umstellung hat uns viel Geld gekostet. Die Kunden dagegen würden geplante Anschaffungen wahrscheinlich auch ohne die Senkung von dreiProzent kaufen", erklärte Kober.
Insgesamt hätte die Corona-Krise allerdings das Potenzial, zur Chance für den stationären CE-Fachhandel zu werden. "Man hat gesehen, dass Heimelektronik auch in der Krise gekauft wird. Und auch die von Corona ausgelöste Welle bei Artikeln für das Home Office und Home Schooling wird anhalten." Corona habe bei den Menschen einen Trend zum Social Cocooning ausgelöst, der zu einer Fokussierung auf Heim und Familie führe und auch die Verbundenheit zum lokalen (Handels-)Umfeld stärke.
"Alles das passt bestens zu dem Euronics-Motto 'Das beste Zuhause der Welt'. Wenn wir das nicht schon hätten, hätten wir das eigentlich während der Corona-Krise erfinden müssen", so Kober. Die Händler der Verbundgruppe forderte Kober auf, ambitioniert in die zweite Jahreshälfte zu gehen. Da für viele Deutsche der Urlaub in diesem Jahr ausfalle oder deutlich kleiner ausfalle, würden Budgets frei, die nicht selten in Unterhaltungselektronik investiert würden. Auf eine konkrete Umsatzprognose für das laufende Jahr wollte sich der Euronics-Chef dennoch nicht festlegen. "Wir befinden uns weiterhin in einer Ausnahmesituation. Das kann ein gutes Jahr mit einem blauen Auge werden, es kann aber auch weniger günstig ausgehen."
IFA-Teilnahme und Generalversammlung in Berlin
Trotz der anhaltenden Ungewissheit in Sachen Corona hat sich Euronics zu einer Teilnahme an der IFA entschlossen. Direkt danach soll in Berlin auch die Generalversammlung der Verbundgruppe nachgeholt werden, die der Absage der für Ende März 2020 geplanten Jahresveranstaltung zum Opfer gefallen war. Dann wird Euronics auch endlich die Zahlen für das Geschäftsjahr 2018/19 öffentlich machen - und die Einschätzung erleichtern, wo die Verbundgruppe heute wirklich steht.