Galaxus.de-Geschäftsführer Michael Stolle im Interview

„Ein Platz unter den Top 5 Shops ist eine realistisch Zielsetzung“



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Vier Jahre nach dem Markteintritt in Deutschland hat es Galaxus.de unter die 100 größten deutschen Onlineshops geschafft. Doch für den Schweizer Online-Primus ist das noch lange nicht genug. COO und Deutschland-Co-Chef Michael Stolle erklärt im ChannelPartner-Interview, wie es nun weitergeht bei Galaxus.de.
Der Deutsche Michael Stolle ist COO von Digitec Galaxus und Co-Geschäftsführer von Galaxus.de
Der Deutsche Michael Stolle ist COO von Digitec Galaxus und Co-Geschäftsführer von Galaxus.de
Foto: Digitec Galaxus

Nach sieben Jahren in der Führung des Möbelversender Westwing wechselte der Deutsche Michael Stolle 2021 als COO zum Schweizer E-Commerce-Marktführer Digitec Galaxus und leitet in dieser Funktion auch das Deutschlandgeschäft mit. Im Interview erklärt er, wo Galaxus.de aktuell steht, mit welchen Features man Kunden und Handelspartner für sich begeistern will und welche Ziele das Schweizer Unternehmen auf dem deutschen Markt verfolgt.

ChannelPartner: Herr Stolle, 2018 startete Galaxus mit Frank Hasselmann als Geschäftsführer von Hamburg aus in Deutschland. Seit Hasselmanns Weggang Mitte 2021 wird Galaxus.de von Digitec-Galaxus-CEO Florian Teuteberg und Ihnen als COO aus der Schweiz heraus geleitet. Ist das Deutschlandgeschäft damit weniger eigenständig geworden?

Michael Stolle: Nein, wir haben weiterhin für jeden Markt eine eigene Strategie. Aber es ist schon so, dass wir uns im internationalen Geschäft recht funktional aufgestellt haben. Das geht, weil wir auch in der Schweiz bereits Galaxus als zweite Marke neben Digitec wie ein schnell wachsendes paralleles Start-up aufgebaut haben. Dieses Erfolgsrezept wiederholen wir nun im internationalen Geschäft.

ChannelPartner: Lassen sich die Erfahrungen aus der Schweiz denn so einfach auf Deuschland übertragen?

Stolle: Natürlich ist die Marktsituation in Deutschland eine ganz andere. In der Schweiz konnten wir beim Aufbau von Galaxus bereits auf die Marktführerschaft von Digitec zurückgreifen. In Deutschland - und seit 2021 in Österreich sowie seit Anfang 2023 in Frankreich und Italien - sind wir dagegen noch ein kleines Licht, das erst in den Bereich der Relevanz kommt. Dennoch ist unser Geschäftsmodell ähnlich und nehmen wir unsere Stärken aus der Schweiz mit in die EU. Wir setzen auf ein relevantes Angebot mit einem guten Sortiment, auf Transparenz bei Themen wie der Preisentwicklung oder der Gewährleistungsfall- und Retourenquote - und wir bauen unsere Marke wie in der Schweiz sehr menschlich und mit einem Augenzwinkern auf.

ChannelPartner: Als Nicht-EU-Mitglied und als ein Land jenseits des Euro herrschen in der Schweiz sehr spezielle Marktbedingungen. Erschwert es das, sich dem Wettbewerb in einem umkämpften Markt wie Deutschland zu stellen?

Stolle: Das sehe ich nicht so. Digitec ist in der Schweiz für eine sehr aggressive Preispolitik bekannt und hat dort den Online-Shift so stark vorangetrieben wie in Deutschland beispielsweise ein Zalando. Zudem liegen die Preise für Unterhaltungselektronik in der Schweiz bis heute unter dem deutschen Niveau. Die Kompetenz, auf einem umkämpften Markt zu bestehen, liegt deshalb in unserer DNA.

Natürlich ist die Breite des Wettbewerbs in Deutschland größer, was wir aber durchwegs positiv sehen. Als Schweizer Meister haben wir lange nicht genau gewusst, wie gut wir im internationalen Vergleich sind und ob wir auf dem europäischen Markt vorne mithalten können. Durch die Internationalisierung sehen wir nun viel besser, was wir in der Schweiz richtig machen und wie wir damit auch im Ausland punkten können.

Der deutschhe Logistikstandort von Galaxus in Krefeld
Der deutschhe Logistikstandort von Galaxus in Krefeld
Foto: Galaxus

Wo steht Galaxus.de aktuell beim Umsatz?

ChannelPartner: 2021 hat Galaxus in Deutschland die Umsatzschwelle von 100 Millionen Euro übersprungen, für einen Platz unter den Top 100 Onlineshops im EHI-Ranking reichte es allerdings noch nicht. Für 2022 hat Digitec-Galaxus bisher nur ein Gruppenwachstum von 8,7 Prozent kommuniziert. Sind Sie inzwischen in Deutschland ein Top 100 Shop?

Stolle: Dazu kann ich mich nicht im Detail äußern. Aber lassen Sie es mich so sagen: Die Top 100 beginnen bei einer Umsatzgröße von rund 120 Millionen Euro und wenn sie unser Gruppenwachstum zugrundelegen sowie die in unserem Geschäftsbericht für 2021 veröffentlichte Prognose von rund 200 Millionen Euro Umsatz für 2022 - dann deutet das auf eine positive Antwort hin.

ChannelPartner: Zum Deutschlandstart von Galaxus gab CEO Florian Teuteberg als Marschrichtung einen Platz unter den fünf größten deutschen Onlineshops aus. Wie reell ist diese Zielsetzung?

Stolle: Aktuell liegt der fünftgrößte Onlineshop in Deutschland bei einer Umsatzgröße von rund 1,8 Milliarden Euro. Wir liegen in der Schweiz bereits bei einem Umsatz von mehr als zwei Milliarden Franken. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass wenn es uns gelingt, die passende Nische in unserer Zielgruppe zu finden, wir auch in der EU in eine ähnliche Größenordnung vorstoßen können. Langfristig halten wir das insofern für eine völlig realistisch Zielsetzung.

Der Firmensitz von Digitec Galaxus in Zürich. In der Schweiz ist das Unternehmen der umsatzstärkste Online-Händler
Der Firmensitz von Digitec Galaxus in Zürich. In der Schweiz ist das Unternehmen der umsatzstärkste Online-Händler
Foto: Digitec Galaxus

Marktplatzmodell nun auch in Deutschland am Start

ChannelPartner: Ein wichtiges Thema bei der Internationalisierung sind immer unterschiedliche Kundenerwartungen in den verschiedenen Ländern. Welche Erfahrung hat Galaxus dabei bisher mit den deutschen Kunden gemacht?

Stolle: Es gibt einiges, das wir aus der Schweiz übernommen haben und das in Deutschland auf ein positives Feedback gestoßen ist. Zum Beispiel unsere "Schneckenpost", die langsamere Versandvariante auf freiwilliger Basis. Manche Sachen verstehen die Deutschen aber auch nicht. In der Schweiz ist es beispielsweise Standard, dass Bestellungen erst dann versendet werden, wenn alle Artikel verfügbar sind. In Deutschland haben viele Kunden nicht verstanden, dass man bei uns proaktiv anklicken muss, wenn man die Lieferung in mehreren Bestandteilen erhalten will. Also werden wir das bei galaxus.de bald klarer darstellen. Wir werden den Markt nicht umerziehen können. Wir müssen stattdessen eine Balance finden zwischen dem, was sich die Kunden noch angewöhnen wollen und was bereits eingewöhnt ist.

ChannelPartner: Ein Feature aus der Schweiz, das nun auch in Deutschland eingeführt wurde, ist das Marktplatzmodell. Wie können sich interessierte Verkäufer anmelden? Und gibt es auch einen Fulfillmentservice für die Marktplatzpartner?

Stolle: Bei der Rekrutierung der Marktplatzpartner handelt es sich um einen zweiseitigen Prozess. Interessenten können sich bei Galaxus bewerben, wir werden aber auch proaktiv auf passende Verkäufer zugehen. Bei unserem Marktplatz handelt es sich um einen kuratierten Marktplatz, weil wir denken, dass eine Vorauswahl im Interesse unserer Kundschaft ist. Einen Fulfillmentservice gibt es für die Marktplatzpartner derzeit noch nicht. Aber wir beobachten, dass andere Plattformen das einführen und wir betrachten Logistik auch als eine unserer Kernkompetenzen.

Logistik betrachtet Digitec Galaxus als eine seiner Kernkompetenzen
Logistik betrachtet Digitec Galaxus als eine seiner Kernkompetenzen
Foto: Galaxus

Übernimmt Galaxus MediaMarktSaturn? "Ein amüsantes Szenario!"

ChannelPartner: Logistikkompetenz ist für viele Online-Händler auch in der aktuellen Marktlage noch einmal wichtiger geworden, wo es für viele darum geht, die Effizienz noch einmal zu erhören und Sparpotenziale umzusetzen...

Stolle: Mit den hohen Personalkosten in der Schweiz hat Digitec Galaxus bereits eine sehr hohe Kompetenz darin entwickelt, Prozesse zu automatisieren und so effizient wie möglich zu gestalten. Daneben ist es ein großer Vorteil für uns, dass wir kein börsennotiertes Unternehmen sind, sondern mit der Ownership der Migros und der Gründer die Voraussetzungen dafür haben, mit einer viel längerfristigen Orientierung zu agieren. Wir gehen zwar davon aus, dass die nächsten ein, zwei Jahre auf dem Markt etwas schwieriger sind, doch glauben wir weiterhin an den Retail-Shift hin zu Online. Wir wollen die aktuelle Phase, in der Wettbewerber eher vom Gas gehen, nützen, um unsere Stärken konsequent auszubauen, um so besser aus einer eventuellen Krise hervorzugehen.

ChannelPartner: Während andere Personal abbauen und Standorte schließen, kann Galaxus mit seinem Background in der wohlhabenden Schweiz also weiter investieren. Wäre vor diesem Hintergrund nicht auch das von einem E-Commerce-Blog wiederholt bemühte Szenario plausibel, wonach Galaxus das an der Börse günstig zu habende MediaMarktSaturn übernehmen könnte?

Stolle: Dieses Szenario finde ich sehr amüsant! Allerdings ist da nichts dran - jedenfalls nichts, von dem ich wüsste. Was mir allerdings Freude macht, ist dass wir überhaupt in einem solchen Kontext gesehen werden. Das zeigt, dass wir einen guten Job machen.

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