Jeder macht mit jedem Geschäfte
Für Broadliner Ingram Micro stellt laut Marcus Adä der Direktvertreib keine Bedrohung dar, im Gegenteil: "Es kommen viele Hersteller auf uns zu, weil wir mit 35.000 aktiven Fachhandelkunden eine breite Kundenbasis haben", erklärt er selbstbewusst. Dabei sei zudem die europaweite Aufstellung von Vorteil. Auch Björn Siewert nimmt die Situation eher gelassen: "Ich sehe im B2C keine großen Tendenzen zum Direktgeschäft. Wie soll das funktionieren, wenn bei vielen Herstellern eher gespart als investiert wird?", fragt er. Bei B2B sehe das anders aus. Siewert verweist dabei auch auf die - beispielsweise in der Druckerbranche übliche - Einverleibung von Fachhandelsunternehmen. "Auch bei IT-Abteilungen beziehungsweise IT-Gesellschaften großer Unternehmen ist der Direktbezug über den Hersteller gängige Praxis", weiß Siewert.
Dass diese Kunden von der Distribution auch gerne am Fachhandel vorbei beliefert werden, darüber verliert man bei den Grossisten nicht viele Worte. Während bei den einen ganz offiziell eine Endkunden-Schwestergesellschaft existiert wie bei Wave Alternate oder bei DexxIT Technikdirekt, läuft dies bei anderen Distributoren eher unter der Hand. Trotzdem ist es ein offenes Geheimnis, dass kommerzielle Endkunden ohne große Probleme bei dem einen oder anderen Broadliner Ware ordern können. So macht jeder mit jedem seine Geschäfte, auf Kosten des klassischen Distributionsmodells.
Größere Markttransparenz
Die allgemeinen Trends schlagen sich natürlich auch in der Distribution nieder. "Die letzten Jahre haben dem Bereich IT mehr Veränderungen gebracht, als es unsere ohnehin dynamische Branche bereits kannte", weiß Ingram-Vertriebschef Adä. Als Beispiele nennt er die Konvergenz von IT, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik. "Die Konvergenz der Produkte verläuft häufig schneller, als die Anwender, der Handel und der Service folgen können", ergänzt Komsa-Sprecherin Förster.
Auch der Siegeszug des Online-Handels ging nicht spurlos an den Grossisten vorbei. Neben der neuen Konkurrenzsituation zu E-Tailern hat das zur Durchsichtigkeit des Marktgeschehens beigetragen. "Heute gibt es eine nahezu hundertprozentige Markttransparenz in Sachen Verfügbarkeit und Preise, ganz im Gegensatz zur Zeit vor etwa fünf Jahren", berichtet DexxIT-Manager Schneider. Kleinste Bewegungen im Markt können so massive Handlungswellen auslösen. "Wenn ein regionaler Händler in Berchtesgaden niest, bekommt ein Händler in Flensburg Lungenentzündung", bringt es Schneider auf den Punkt. Für Björn Siewert bedeutet die Transparenz eine Vielzahl von vertriebsunterstützenden Programmen, mehr Reporting gegenüber den Herstellern, aber auch eine stärkere Bindung an den Hersteller und Distributor. So bekomme man allerdings auch den Graumarkt besser in den Griff. "Die Umsatzanteile haben sich in den vergangenen Jahren deutlich hin zu E-Commerce-Plattformen verschoben. Fachhändlern stehen heutzutage vielfältige, ausgereifte Online-Shop-Systeme und neue Preisvergleichs-Tools zur Verfügung, die zu einer hohen Produkt- und Preistransparenz führen", hat auch Tech-Data-Geschäftsführer Marc Müller festgestellt.
Neben der Diversifikation in einzelne Channels auf Herstellerseite gibt es aber auf Händlerseite auch gegenläufige Trends, denen die Distribution Rechnung tragen muss: "Die Harmonisierung der diversen Vertriebskanäle und -systeme wie Online, Stationär, Omni-Channel, Multi-Channel oder Cross-Channel ist eine der größten Herausforderungen der nächsten Zeit", stellt Hans-Jürgen Schneider fest.