Computop-CEO Gladis zur Wirecard-Insolvenz

"Die Sorge um die Kundengelder ist unbegründet"

Kommentar  30.06.2020


Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Beim Bezahldienstleister Wirecard überschlugen sich in den letzten Tagen die Ereignisse: Erst wurden Bilanzfälschungen aufgedeckt, dann der CEO in Haft genommen und schließlich meldete das Unternehmen Insolvenz an. Wie geht es nun weiter für Händler, die zur Bezahlabwicklung auf Wirecard gesetzt haben? Payment-Experte Ralf Gladis liefert dazu eine Einschätzung.
Die Erfolgsgeschichte von Wirecard ist zu einem jähen Ende gekommen
Die Erfolgsgeschichte von Wirecard ist zu einem jähen Ende gekommen
Foto: Rico Markus - shutterstock.com

Was einst ein ganz normales Start-up aus einem beschaulichen Vorort von München war, entwickelte sich in den letzten Jahren zu einer rasanten Börsengeschichte - und schlussendlich zu einem mutmaßlichen Fall von Wirtschaftskriminalität in großem Stil: 1,9 Milliarden Euro, die in den Bilanzen von Wirecard als Aktivposten aus Asiengeschäften ausgewiesen wurden, existieren wohl gar nicht. Das führte nicht nur zu einem Haftbefehl gegen Wirecard-CEO Markus Braun, sondern auch zur Insolvenz des Bezahldienstleisters. Händler und Start-ups, die auf Wirecard gesetzt haben, machen sich nun zurecht Sorgen um ihre Bezahlabwicklung. Payment-Experte Ralf Gladis, CEO des Wettbewerbers Computop, liefert dazu eine Einschätzung:

"Wirecard hatte in Deutschland nur einen kleinen Marktanteil. Wie Analystengespräche im Jahr 2019 zeigen, sind Computop und Payone bei den Top 500 größten Online-Händler in Deutschland die Marktführer für die Zahlungsbearbeitung. Das bedeutet, dass Wirecard durchaus Konkurrenten im Land hat, die nun zeitnah einspringen können. So hat sich Computop mit mehreren Acquirern und Partnern abgestimmt, um allen Wirecard-Kunden schnell mit neuen Lösungen zur Seite zu springen. Es dauert aus unserer Sicht nur eine Woche, um alternative Zahlungssysteme zu Wirecard einzurichten, die dann die Zahlungen von Online-Shops oder von Kartenterminals in den Ladengeschäften abwickeln.

Allerdings muss der Händler selber auch Zeit und Geld investieren, um Verträge mit den neuen Dienstleistern zu verhandeln und die eigenen Systeme umzubauen. Große Händler brauchen zudem automatisierte Prozesse in der Buchhaltung, um beim Zahlungseingang die offenen Posten auszuziffern (Reconciliation) und sicherzustellen, dass alle Zahlungen korrekt eingegangen sind. Auch die Warenwirtschaftssysteme können betroffen sein. Der Umbau wird Zeit, Geld und Nerven kosten, ist aber machbar. Die Sorge vieler Wirecard-Kunden allerdings, die sich fragen, ob sie nach dem Insolvenzantrag noch an ihr Geld kommen, ist aus meiner Sicht unbegründet, die Bafin wird Kundengelder zu schützen wissen."

Ralf Gladis ist CEO und Gründer des Bezahldienstleisters Computop
Ralf Gladis ist CEO und Gründer des Bezahldienstleisters Computop
Foto: Computop

"Die Vielfalt der Zahlungsdienstleister wird zunehmen"

Gladis setzt sich auch mit der Frage auseinander, inwiefern die Wirecard-Insolvenz ein weiterer Schritt zur Konsolidierung der Payment-Abwickler ist: "Zu Beginn der Entwicklung neuer Zahlsysteme erwartete Deutsche Bank Research, dass am Ende drei große Zahlungsabwicklungs-Dienstleister übrigbleiben werden. Heute gibt es erneut ähnliche Thesen, wenn Finanzdienstleister fusionieren oder Namen wie Apple, Google, Facebook oder Alibaba fallen, die alle auch in der Finanzdienstleistungsbranche operieren. Doch tatsächlich sind diese Systeme am Ende nur Kartenzahlungen, die bessere User Experience bieten und auf Funk setzen.

Und große Chinesen wie Alipay oder WeChat sind in einer relativ übersichtlichen Welt aus Staatsbanken groß geworden, treffen sie im Weltmarkt auf die Vielfalt der Banksysteme und Regulierungsauflagen, wirken sie schnell ziemlich überfordert. Natürlich gibt es Konsolidierung im Markt der Payment-Systeme, die Beispiele von Payone, Heidelpay oder Concardis sind bekannt. Das Verschwinden von Wirecard mag diesen Trend noch beschleunigen. Meine These ist jedoch, dass keineswegs nur wenige große Player den Markt unter sich aufteilen werden, es werden eher hunderte sein. Ganz einfach, weil das Feld so groß und komplex ist, dass kein einzelner Spieler überall glänzen können wird.

Bislang gibt es kaum einen Payment-Anbieter, der alle Omnichannel-Erwartung eines Händlers zu 100 Prozent erfüllen kann. Mit Ausnahme einer innovativen Lösung beim Autovermieter Sixt, der eine globale Payment-Struktur aufgebaut hat, müssen internationale Händler immer noch in jedem Land und auf jedem Kontinent lokale Payment-Lösungen bauen, weil es kaum einen Payment-Anbieter gibt, der POS-Terminals für Zahlungen an der Kasse weltweit anbieten. Das Internet der Dinge wird viele Geräte hervorbringen, die selbst Zahlungen abwickeln - das beherrscht auch nicht jeder."

Das Fazit von Computop-Chef Gladis: "Die vielen Herausforderungen rund um den Zahlungsverkehr sind für große behäbige Finanzkonzerne kaum zu bändigen, so dass viel Raum für mittelständische FinTechs und Payment-Dienstleister bleibt. Es gibt also noch viel zu tun. Viele Anbieter werden sich auf eine Nische spezialisieren - und dort wachsen und gedeihen."

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